Am erfolgreichsten war nicht der Bundeskanzler selbst während der ersten 100 Tage seiner zweiten Legislaturperiode, sondern sein Stimm-Double Elmar Brandt. Dessen "Steuer-Song" verkaufte sich zu Hunderttausenden - sehr zum Missfallen des Ehepaares Schröder.
Gerhard Schröder selbst verlor dagegen im öffentlichen Ansehen stark an Glanz. In Umfragen landet er seit Wochen hinter Joschka Fischer, Wolfgang Clement, Angela Merkel und manchmal sogar hinter dem einstigen Buhmann der Koalition, Jürgen Trittin. Schröders SPD verzeichnet im aktuellen ZDF-Politbarometer ein seit 1977 nicht gekanntes Zustimmungstief von 25 Prozent.
Auch sonst änderten sich die Gewichte im Kabinett merklich, abgesehen von der ungebrochenen Popularität des Außenministers. Einer der Stars der "alten" rot-grünen Koalition, Bundeskanzler Hans Eichel, sank mit Schröder ins Umfragetief. Er musste kurz nach der Wahl die zweithöchste Neuverschuldung einer Bundesregierung überhaupt melden. Überstrahlte sein strikter Sparkurs einst fast alle anderen Initiativen, so waren mit weiter steigender Arbeitslosigkeit Ideen gefragt.
Die verkündete einer der neuen "Superminister", der für Arbeit und Wirtschaft verantwortliche Wolfgang Clement. Seine Versuche, den Reformmotor auf Touren zu bringen, reiben sich allerdings bislang stark am Widerstand der Gewerkschaften. Clement brachten sie immerhin die Ehre ein, als mutmaßlicher Nachfolger Schröders im Falle von dessen Amtsmüdigkeit genannt zu werden.
Schlüsselwort "Superminister"
"Superminister" war überhaupt ein Schlüsselwort der ersten hundert Tage. Auch Gesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt wurde mit diesem Etikett belegt. Die Diskussionen über die von ihr erwarteten Reformen während der laufenden Legislaturperiode verlangen eben nach Format. Sie tat sich mit einer Ankündigung hervor, von der angeblich selbst der Kanzler erst durch das Fernsehen erfahren hat - der Erhöhung des Rentenbeitrags von 19,1 auf 19,5 Prozent.
Manfred Stolpe kam ein bisschen unfreiwillig zum "Superministerium" für Bau, Verkehr und Aufbau Ost. Hier holte ihn das Finanzierungsgerangel um die innerdeutschen Transrapid-Projekte wieder ein, kaum dass die erste Referenzstrecke der Welt in Schanghai eingeweiht war. Profil verschaffte sich Stolpe eher als Fürsprecher der Interessen der neuen Länder, wobei er so weit ging zu erklären, dass ein Votum für einen Irak-Krieg im Osten auf größtes Unverständnis stoßen würde.

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Künast machte sich unbeliebt
Eher weniger traten in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung andere Kabinettsmitglieder hervor: Renate Schmidt als Familienministerin sah sich ebenso wenig im Rampenlicht wie die alte und neue Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Innenminister Otto Schily, Forschungsministerin Edelgard Bulmahn oder Justizministerin Brigitte Zypries. Verbraucherministerin Renate Künast kämpfte für weniger Acrylamid in den Pommes, machte sich aber unbeliebt mit der Forderung an die Verbraucher, sie sollten ihre Schnäppchen-Mentalität zu Gunsten höheren Qualitätsbewusstseins aufgeben.
Umweltminister Jürgen Trittin schließlich erntete Meriten, indem er im Streit mit der Verpackungsindustrie kompromisslos das Dosenpfand umsetzte und am Ende auch ankündigte, dass die Regelung so vereinfacht werden solle, dass Dosenkäufer sie auch verstehen.
Die 100 Tage der zweiten Regierung waren jedenfalls keine Schonfrist - höchstens insofern, als der Wähler in dieser Zeit keine Gelegenheit hatte, ein Zwischenvotum zur Arbeit der Bundesregierung abzugeben. Die hat er am 104. Tag in Hessen und Niedersachsen. Wenn der Bundeskanzler sich davon erholt hat, kann er vielleicht dem Titel des Liedes etwas abgewinnen, das sein Double am 7. März beim Grand-Prix-Vorentscheid anstimmt: "Alles wird gut."