SPD Scheer fordert freie Hand für Hessen

  • von Hans Peter Schütz
Nun ist ihm der Kragen geplatzt. Hermann Scheer, SPD-Energieexperte und Unterstützer von Andrea Ypsilanti, schaltet sich in die Querelen um die hessische SPD ein. In einem Brief, der stern.de vorliegt, schreibt er der Parteiführung: Lasst Ypsilanti machen, es wird kein Schaden sein.

Zum Wochenanfang hatte Hermann Scheer die Nase gestrichen voll von seinen Parteigenossen. Vor allem vor jenen, die seit Tagen tönten, eine Kooperation der SPD mit der Linkspartei in Hessen sei der politische GAU. Wie etwa der bayerische SPD-Spitzenkandidat Franz Maget, der darüber seit Tagen jammert, die Debatte in Hessen könnte seine Chancen bei der bayerischen Landtagswahl ruinieren. Oder wie der Parteirechte Rainer Wend, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Der rügte die hessischen Parteifreunde scharf. Was dort geplant werde, "ist ein großes Glaubwürdigkeitsproblem für die SPD insgesamt."

In einem Schreiben an den SPD-Parteivorstand und die SPD-Bundestagsfraktion, das stern.de vorliegt, erinnert Scheer die Genossen zunächst noch einmal an die offizielle Beschlusslage der SPD. Parteivorstand wie Präsidium hätten "mit jeweils überwältigender Mehrheit beschlossen", so Scheer in seinem Brief, dass über eine Beteiligung der Linkspartei "auf jeweiliger Landesebene entschieden werden soll." Der Beschluss habe sich auf alle Landesverbände und ganz besonders auf Hessen bezogen. Dass dies jetzt "vielstimmig in Bezug auf die hessische Situation verworfen wurde, hat offenkundig niemand einzelnen in der Partei genützt und der SPD insgesamt geschadet." Er rate daher allen, die bereits im Februar und März entschiedene Frage "jetzt nicht ein zweites Mal aufzulegen."

Vorbild Reinhard Höppner

Scheer war sich bei der Abfassung seines Briefs durchaus bewusst, dass die Kritik an der hessischen Entwicklung durchaus nicht vom Parteivorsitzenden Kurt Beck gebilligt wird. Der hatte ganz nachdrücklich die Aufforderung prominenter Parteifreunde zurückgewiesen, er solle die Pläne der hessischen SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti an sich ziehen und von der Bundesspitze entscheiden lassen. Beck hatte gesagt: "Das ist zunächst einmal eine Entscheidung der hessischen Freundinnen und Freunde."

Ganz besonders macht Scheer daher in seinem Brief Front gegen die Furcht vieler Parteifreunde, eine Kooperation der SPD in Hessen beschädige die Chancen der SPD bei der Bundestagswahl 2009. Es sei eine Unterschätzung der Wähler, ihnen zu unterstellen, sie könnten nicht zwischen Bundesebene und Landesebene differenzieren.

Diese Position untermauert der wichtigste Unterstützer von Ypsilanti mit einem schwer zu leugnenden Vorgang: Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im April 1998, fünf Monate vor der damaligen Bundestagswahl, verweigerte sich der SPD-Mann Reinhard Höppner in Sachsen-Anhalt einer Großen Koalition mit der CDU und ließ sich von der damaligen PDS zum Chef einer Minderheitsregierung wählen. Auch damals schäumte natürlich vor allem die CDU wie jetzt in Hessen gegen diese Aktion. Aber auch in der SPD gab es massiven Widerstand dagegen. Dennoch gewann das Duo Gerhard Schröder/Oskar Lafontaine die Wahl gegen Helmut Kohl hoch mit 40,9 Prozent; die CDU kam nur auf 35,1 Prozent.

Phantasievolle Politik

Die damalige Entwicklung ließ Scheer jetzt von seinem Büro noch einmal ausgiebig als Anhang zu seinem Brief an die Parteiführung nachzeichnen. Kohl hatte damals gerügt, wenn es um die Macht gehe, kenne die SPD keine Hemmungen mehr. Schröder hatte vor der Wahl gezürnt, das Vorgehen seiner Partei in Sachsen-Anhalt sei für die Bundestagswahl ein Problem. Der Kampf gegen Rechts dürfe nicht mit den "falschen Bündnispartnern" geführt werden. Andere Spitzengenossen wie der damalige brandenburgische SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe hatten eine Tolerierung durch die PDS eine Trumpfkarte für Kohl genannt, die der SPD den Sieg bei der Bundestagswahl kosten werde. Und der damalige SPD-Chef Oskar Lafontaine hatte von Höppner massiv die Bildung einer Großen Koalition in Sachsen-Anhalt gefordert. Und der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi nannte den Gang der Dinge in diesem Bundesland sogar "hirnrissig." Nur Scheer warnte damals schon vor der Neuauflage eines Bündnisses mit der CDU.

Apart am Schreiben Scheers ist vor allem der Hinweis darauf, dass sich die SPD-Spitze damals unverzüglich hinter die Entscheidung Höppners gestellt hatte, nachdem er sie in seinem Sinne getroffen hatte. Scheer zitiert einen Satz von Höppner: "Als ich in die Politik gegangen bin, war eines meiner Hauptziele, für mehr Phantasie in der Politik zu sorgen."

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