Zugegeben: Rainer Brüderle hatte es schwer. Ein Liberaler zwischen Gregor Gysi, Linke, und Jürgen Trittin, Grünen. Damit stand es von vornherein 2:1 gegen ihn. Wie sollte er sich bei sozialen Themen - Mindestlohn, Rente, Arbeitsmarkt - behaupten? Es ist ziemlich simpel, ihn in solchen Momenten wie einen eisgekühlten Kapitalisten aussehen zu lassen.
Aber er hätte auch Chancen gehabt, sich zu wehren. Wenn, ja wenn er sich auf den TV-Dreikampf in der ARD besser vorbereitet hätte. Aber Brüderle dachte offenbar, er kommt mit seinen üblichen Parolen - "Planwirtschaft!" "Ich esse, was ich will!" "Die Oma mit der Leselampe zahlt die Quersubvention für die Solarindustrie!" - und einem süffisanten, leicht herablassenden Grinsen durch. Aber so war es nicht.
Brüderle in der Defensive
Gysi und Trittin drängten ihn mit immer neuen Zahlen zu den sozialen Problemen in Deutschland in die Defensive. Und Gysi besaß sogar die Chuzpe, Brüderle von rechts anzugreifen. Er sagte, die Linke wolle nicht nur wie die FDP die Kalte Progression abschaffen, sondern den gesamten Mittelstandsbauch im Steuersystem. Es ginge nicht an, dass die Mittelschicht für alles bezahle. Wie jetzt: Die Linke überholt die FDP beim Steuersenken? Solche Attacken hatte Brüderle erkennbar nicht erwartet. Und tat sich schwer, darauf zu antworten.
So sammelten Gysi und Trittin Punkt für Punkt, selbst beim Thema Staatsverschuldung sah der Liberale nicht gut aus Die Zahlenmaschine Trittin rechnete Brüderle vor, wie stark die Staatsverschuldung unter Angela Merkels Kanzlerschaft gestiegen ist und entlarvte damit das Gerede von "Solidität" und "Haushaltskonsolidierung" als ziemlich hohles Geschwätz. Tatsächlich sind sich die Experten einig, dass Schwarz-Gelb zwar von der guten Konjunktur profitierte, aber beim Sparen nicht zustande gebracht hat.
Sigmund Gottliebs schräge Moderation
Brüderle, der nur immerfort behaupten konnte, seine Kontrahenten würden mit ihren Vorschlägen die Konjunktur abwürgen, ging als Verlierer aus dem Dreikampf. Gysi, der seit jeher einzigartige Showmasterqualitäten besitzt, kann sich hingegen als Gewinner fühlen. Er setzte sich verbal am besten durch, kam immer wieder mit überraschenden Argumenten um die Ecke - warum nicht eine Abwrackprämie für stromfressende Haushaltsgeräte einführen? - und schaffte es zuletzt auch noch, sechs Punkte aufzuzählen, warum die Linke sozialer sei als die SPD. Trittin, der kopfgesteuerte Stratege, machte inhaltlich eine gute Figur, hat aber, auch das ist typisch, wenig publikumswirksame soft skills.
Ziemlich schräg war der Auftritt des Moderators Sigmund Gottlieb, Chefredakteur des (schwarzen) Bayerischen Rundfunks, der neben Jörg Schönenborn, Chefredakteur des (roten) WDR, das Gespräch führte. Gottlieb ließ seine politischen Sympathien und Antipathien zu eindeutig erkennen, beim Thema Mindestlohn schien ihn schier der Ekel zu packen, in der Steuerdebatte konfrontierte er die Grünen mit Klischees aus dem schwarz-gelben Wahlkampf. Etwas mehr politische Zurückhaltung hätte seiner Glaubwürdigkeit gut getan.
Und alle gegen Steinbrück
Ach ja: Und noch einer hatte in dieser - unterm Strich höchst unterhaltsamen Sendung - das Nachsehen: Peer Steinbrück. Sein Plan, die Pensionen stärker an die Renten zu koppeln und im Zweifel zu senken, stieß auf harten Widerspruch. Da waren sich Brüderle, Trittin und Gysi ausnahmsweise einig.