Ihr Anführer nennt sich "Hannibal", wie der Feldherr der Antike. Im richtigen Leben heißt "Hannibal" André S.; lange war er Soldat im Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr. Seit im November 2018 Journalisten über den von ihm mitgegründeten Verein Uniter und das Entstehen einer möglichen "Schattenarmee" berichten, fühlen sich André S. und seine Vereinskollegen zu Unrecht verfolgt.
Der von ihm mitgegründete Verein Uniter sieht sich selbst als wohltätige "Non-Profit-Organisation" – unterhält aber laut Organigramm allen Ernstes auch ein "kontinentales Oberkommando". Uniter bezeichnet sich als "unpolitisch" – warnte aber noch im April vor der "Gewalt von sog. "Zugewanderten", die die meisten deutschen Medien angeblich nicht thematisieren.
In seiner am Donnerstag erschienenen Ausgabe berichtet der stern ausführlich über Uniter – über Einladungen zu paramilitärisch wirkenden Schießübungen, über militärisch anmutendes Zeremoniell bei Veranstaltungen und über eine Chatgruppe, in der Teilnehmer sich gegenseitig Jobs in der Sicherheitsbranche vermitteln, aber auch ihre Sorgen über die angebliche "Krisenregion" Deutschland austauschen.
Der DFB, eine optimistische Prognose und ein angeblicher Auftrag in der Champions League
Und was bei dem Verein vielleicht am meisten erstaunt: Er ist kein Treffpunkt einiger verwirrter Geister. Zu den Mitgliedern zählten und zählen Stützen der Gesellschaft – noch bis Ende vergangenen Jahres etwa der 47-Jährige Björn B., ein gelernter Kaufmann und Personenschützer. Er ist Chef der Security-Firma Shield aus Ahaus im Münsterland. Mit seiner Firma arbeitet er bis heute für den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Für ihn betreut er seit dem Jahr 2000 die deutsche Nationalmannschaft – laut Shield "bei allen Terminen, Spielen und Turnieren".
Björn B. verließ Uniter Ende 2018, nachdem die "taz" und der "Focus" Vorwürfe gegen den Verein publik gemacht hatten. Die Bande waren vorher offenbar recht eng. Noch im Oktober 2018 bat Uniter darum, Sachspenden für die eigene "Weihnachtsmission" an das Fitnesszentrum zu schicken, das Shield in Ahaus westlich von Münster unterhält.
Mit dem Ausstieg des Firmenchefs war die Verbindung zwischen Shield und Uniter nicht gekappt. Ein führender Uniter-Mann war offenkundig sogar bis Ende Juni 2019 bei der DFB-Sicherheitsfirma aktiv: Der 32 Jahre alte Marc Z., der schon bei der WM in Moskau die Nationalmannschaft begleitete. Der Düsseldorfer fungiert bei Uniter bis heute als "Distriktleiter West" wie auch als erster Stellvertreter des "Landesdistriktleiters" Marco D’Arcangelo – und Marc Z. ist Administrator mehrer Facebook-Gruppen des Vereins.
Marc Z. gehört zu den treuesten Anhängern von "Hannibal". Als im November 2018 erstmals öffentlich Vorwürfe gegen Uniter laut wurden, ließ Marc Z. das kalt; das zeigt der Chat-Verlauf, der dem stern vorliegt. "Was für ein Kindergarten..... Nutzen wir die Öffentlichkeit und reißen das Ruder rum. Am Ende siegt die Wahrheit und die Idioten müssen sich verantworten", schrieb dort erst "Hannibal". Marc Z. stimmte zu: "So sieht es aus!" Und er wagte eine optimistische Prognose: Schon "ab nächstes Jahr" werde der DFB bei Uniter als "Hauptsponsor" einsteigen.
Bei anderer Gelegenheit schimpfte Marc Z. schon mal über "die linke Hetzpresse". Er sagt auch, dass man nach den kritischen Presseberichten über Uniter "gemeinsam entschieden" habe, dass er einstweilen nicht mehr für den DFB arbeitet. Ende Juni verließ Marc Z. auch die Firma Shield.
Der DFB und Shield ließen Fragen des stern unbeantwortet. Dafür äußerte sich ein weiterer Kunde der Sicherheitsfirma: Der Club Schalke 04, den bereits die Affäre um rassistische Äußerungen von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies plagt. Mitte November 2018 wurde er ebenfalls in dem Jobbörsen-Chat von Uniter erwähnt. Marc Z. stellte gerade nach eigenen Angaben "ein Team zusammen". Der Auftrag drehe sich um ein "Risikospiel" in der Champions League: Schalke gegen den türkischen Verein Galatasaray.
"Wir kontrollieren die eigentlichen Ordner und führen weitere Personenkontrollen durch sowie mobile Einsatz Trupps", schrieb Marc Z. im Chat. Schalke 04 gewann dann am 6. November 2:0 und zog ins Achtelfinale ein. In Gelsenkirchen blieb es friedlich.
Zwischen dem Verein und der Firma Shield Security Services bestehe ein Dienstleistervertrag, bestätigte eine Schalke-Sprecherin dem stern. Gegenstand sei der Schutz der Profimannschaft bei Auswärtsspielen. Auch Marc Z. komme "bei Auswärtsspielen des Vereins" zum Einsatz, hieß es in ersten Antworten, die der Verein am 31. Juli auf eine stern-Anfrage gab.
Also war Marc Z. nicht bei dem Spiel in Gelsenkirchen am 6. November dabei? Das wisse man nicht, antwortete die Schalke-Sprecherin. Der Bundesliga-Club sprach nun aber offenbar ausgelöst durch die stern-Anfrage Shield-Chef Björn B. auf Uniter an. Man habe "ihn aufgefordert, mit sofortiger Wirkung sicherzustellen, dass keine Uniter-Mitglieder im Rahmen von Veranstaltungen des FC Schalke 04" oder anderweitig im Rahmen des Dienstleistungsvertrages tätig würden, so die Schalke-Sprecherin in einer zweiten Antwort am 8.August: "Ebenso sollte er uns bestätigen, kein Mitglied bei Uniter zu sein, da wir uns ansonsten gezwungen sehen, die Zusammenarbeit zu beenden". Björn B. habe das bestätigt. Der einzige festangestellte Mitarbeiter, der Uniter-Mitglied sei, habe Shield bereits Ende Juni "auf eigenen Wunsch verlassen". Gemeint war offenbar Marc Z.
Kurzzeitig arbeitete das Sicherheitsunternehmen auch für einen weiteren Bundesliga-Club, die TSG Hoffenheim – aber nur für die "Europa League" während der Saison 2017/18.
Marco D’Arcangelo, der "Landesdistriktleiter"
Wie lukrativ die von Uniter verheißenen Jobs zumindest in der Vergangenheit sein konnten, zeigte sich im April 2018. Da kündigte der Administrator im Jobbörsen-Chat von Uniter an, dass gerade "mehrere Unternehmerfamilien" Jobs im Angebot hätten. Mit 85.000 bis 100.000 Euro Bruttojahresgehalt sei zu rechnen. Auch der "Einsatz als Teammitglied einer Corporate Security" bei einem börsennotierten Unternehmen sowie einer Eigentümerfamilie im "Großraum München" sei zu vergeben.
Der Administrator heißt Marco D’Arcangelo. Er amtiert heute als "Landesdistriktleiter" von Uniter für ganz Deutschland und unterhielt bereits Beziehungen zu bekannten Namen der deutschen Wirtschaft. Er war laut den Angaben auf seinem Profil auf einer Karrierewebseite früher beim Dax-Konzern Siemens und hatte auch mal indirekt mit dem Waffenhersteller Heckler & Koch zu tun. Einmal habe er für ein Werbevideo für das neue Sturmgewehr HK433 des Unternehmens aus dem schwäbischen Oberndorf posiert, verriet er im Chat. Ein Foto davon fand sich dann auf der Webseite von Uniter.
Uniter bestätigte jetzt, dass D’Arcangelo "an einem Werbevideo für HK teilgenommen" habe. Laut Heckler & Koch war er im Jahr 2016 über eine von dem Waffenhersteller beauftragte Produktionsfirma als Darsteller gebucht worden. Als ehemaliges Mitglied von Spezialkräften der Bundeswehr habe er dem "erforderlichen Fähigkeitsprofil" entsprochen - weil er sich "mit der Anwendung scharfer Waffen" auskannte. Zu Uniter unterhalte Heckler & Koch aber keinerlei "Form von Beziehungen", versicherte die Firma.
Sixt distanziert sich "aufs Schärfste" von Uniter
Besonders gut waren zeitweise offenbar die Beziehungen, die Uniter mit einem seinerzeit führenden Mitarbeiter des Autovermieters Sixt unterhielt. Bis November beschäftigte das Unternehmen einen Mann als Sicherheitschef, der zugleich bei dem umstrittenen Verein Mitglied gewesen sein soll. Anfang August 2018 ließ Sixt angeblich auf einem ehemaligen Kasernengelände im badischen Mosbach, auf dem damals mehrfach Uniter-Leute Übungen veranstalteten, Mitarbeiter trainieren. Es habe sich um ein "Teamentwicklungstraining der Firma Sixt" gehandelt, sagt die Firma Opcon aus Calw im Schwarzwald, die die Übung organisierte. Laut ihren Angaben nahmen auch eine Reihe von Uniter-Mitgliedern teil.
Sixt wiederum sagt, man habe "keine Kenntnis" von einem solchen Training. Der "Leiter der Konzernsicherheit und dessen Mitarbeiter" seien "im Herbst 2018 aus dem Unternehmen ausgeschieden". Eine Unternehmenssprecherin fügte hinzu: "Von dem Verein Uniter und dem damit verbundenen politischen Umfeld distanzieren wir uns aufs Schärfste."
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