Der radikal-islamische "Kalifatstaat" bleibt verboten. Die Auflösung der fundamentalistischen Vereinigung, an deren Spitze der als "Kalif von Köln" bekannt gewordene Metin Kaplan stand, verstößt nicht gegen die Religionsfreiheit im Grundgesetz, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom Freitag. Karlsruhe billigte das Vereinsverbot, das Bundesinnenminister Otto Schily im Dezember 2001 verhängt hatte.
"Verfassungsfeindliche Haltung"
Auf den juristischen Streit um die Abschiebung Kaplans hat die Entscheidung keinen Einfluss. Schily (SPD) mahnte im Interesse Deutschlands eine schnelle Entscheidung über Kaplan an, da die verfassungsfeindliche Haltung des Verbandes nun von den Karlsruher Richtern bestätigt worden sei. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, nach der Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei sei nicht einzusehen, warum Kaplan nicht zurückgebracht werden könne. Die Türkei müsse die Einhaltung des Folterverbots zusagen.
Der Streit um Kaplans Abschiebung, der nach Verbüßung seiner Haft im Mai entlassen worden war, liegt beim Oberverwaltungsgericht Münster. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte zwar den Asylstatus des Islamisten aufgehoben, aber seine Abschiebung untersagt, weil ihm in der Türkei ein nicht rechtsstaatliches Verfahren drohe.
"Mit Grundsätzen von Demokratie unvereinbar"
Der "Kalifatstaat" hat nach den Worten des Gerichts beabsichtigt, notfalls mit Gewalt eine staatliche Herrschaftsordnung durchzusetzen, die mit den Grundsätzen von Demokratie und Rechtsstaat unvereinbar sei. Die Richter verwiesen auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das im November 2000 gegen Kaplan vier Jahre Haft wegen eines Mordaufrufs verhängt hatte.
Dies mache hinreichend deutlich, dass es dem Verband und seinem Anführer nicht um abstrakte Kritik am deutschen Verfassungssystem gegangen sei. Sie hätten in aggressiv-kämpferischer Weise versucht, die Ordnung des Grundgesetzes zu untergraben (Aktenzeichen: 1 BvR 536/03 - Beschluss vom 2. Oktober 2003). Die 2. Kammer des Ersten Senats bekräftigte jedoch, dass die religiöse Vereinigungsfreiheit besonderes Gewicht habe. Eine kritische Haltung gegenüber dem Staat und seiner Rechtsordnung könne ein Verbot nicht rechtfertigen.
Nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministers Fritz Behrens (SPD) hat der demokratische Rechtsstaat mit dem Verbot des Kaplan-Verbandes islamischen Extremisten eine klare Grenze aufgezeigt - was auch im Interesse der großen Mehrheit friedlicher Muslime in Deutschland sei. Das vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Verbot des Verbandes war möglich geworden, nachdem das so genannte Religionsprivileg aus dem Vereinsgesetz gestrichen worden war.

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Der Kalifatstaat
Mit ihrer Agitation gegen die Türkei, Israel und andere Staaten sowie gegen Juden habe die Vereinigung gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen, argumentierte das Bundesinnenministerium weiter. Zudem habe sie die innere Sicherheit und außenpolitische Belange der Bundesrepublik gefährdet. Der Kalifatstaat wurde 1984 in Köln gegründet. Vor dem Verbot gehörten der Organisation, die auch als "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" bekannt ist, etwa 1.100 Mitglieder an.
Laut Verfassungsschutz strebte der Kalifatstaat die Beseitigung der Staatsordnung in der Türkei und die Einführung einer islamischen Ordnung auf der Grundlage der Scharia an. Ziel sei die Weltherrschaft des Islams unter der Führung eines einzigen "Kalifen" gewesen. Diese Organisationsstruktur imitierte historische staatliche Verhältnisse in islamischen Ländern. Der Kalifatstaat war hierarchisch aufgebaut und in verschiedene Gebiete gegliedert, an deren Spitze jeweils ein "Gebietsemir" stand.
Kaplans Asylantrag abgelehnt
Das Verwaltungsgericht Köln hatte Ende August Kaplans Asylantrag ebenso abgelehnt wie dessen Abschiebung in die Türkei, weil ihm dort ein Gerichtsverfahren drohe, das nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar sei. Die Entscheidung erregte großes Aufsehen. Sowohl Kaplan als auch die Bundesrepublik Deutschland reichten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidungen ein. Kaplan wehrt sich dagegen, dass das Gericht seine Klage gegen den Widerruf des Asyls abgewiesen hat, die Bundesrepublik gegen das Abschiebeverbot.