Korruption Visa-Affäre: Opposition und Presse werfen Polens Regierung Heuchelei vor

Polen
Der Zaun an der Grenze zu Belarus dient der polnischen Regierung auch als Symbol für ihre harte Einwanderungspolitik
© Artur Widak / Picture Alliance
Die nationalkonservative Regierung in Polen wirbt eigentlich mit einer extremen Anti-Einwanderungs-Haltung. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des illegalen Verkaufs von Arbeitsvisa - und bringt die PiS vor der Parlamentswahl gehörig in Bedrängnis.

In Polen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sieben Personen wegen des Verdachts, sie hätten gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt. Drei der Verdächtigen seien festgenommen worden, sagte der stellvertretende Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität und Korruption, Daniel Lerman, bereits am Donnerstag in Warschau. Untersucht würden Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe mehrerer Hundert Arbeitsvisa in mehreren arabischen Ländern sowie in Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan.

Berichte polnischer Medien und Angaben der Opposition deuten dagegen auf ein sehr viel größeres Ausmaß hin. Innerhalb von 30 Monaten seien in Afrika und Asien 250.000 polnische Arbeitsvisa ausgestellt worden, sagte Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) am Donnerstag, allerdings ohne Angaben dazu, woher diese Zahl stammt. Tusk warf der regierenden PiS angesichts ihrer harten Haltung gegen die EU-Asylpolitik Heuchelei vor.

Presse wirft Regierung in Visa-Affäre Heuchelei vor

Auch die polnische Presse warf der PiS-Regierung vor, heuchlerisch gehandelt zu haben. "Die Visa-Affäre stürzt die PiS in die Falle ihrer eigenen Propaganda und Lügen", schrieb beispielsweise die Gazeta Wyborcza, Polens zweitgrößte überregionale Tageszeitung. Die Regierung würde Migranten als Bedrohung, islamische Terroristen oder Vergewaltiger diffamieren. Dabei würden die Konsulate gleichzeitig vom Außenministerium dazu aufgefordert, so viele Visa wie möglich für ausländische Arbeitnehmer auszustellen.

Darüberhinaus beklagte die Gazeta Wyborcza den Umgang mit den Geflüchteten im Land: "Es wäre auch möglich gewesen, für die Flüchtlinge aus Syrien, Kurdistan und Eritrea, die aus Belarus nach Polen kamen, in Polen eine bescheidene Unterkunft und Arbeit zu finden. Sie zahlten jedoch Bestechungsgelder an den falschen Vermittler und landeten in den Sümpfen des Grenzgebiets, irrten in den Wäldern umher und wurden Opfer der Gewalt polnischer Grenzer."

Polens Vize-Außenminister bereits entlassen

Ende August war der für konsularische Angelegenheiten zuständige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk entlassen worden. Zur gleichen Zeit wurde seine Abteilung von der Antikorruptionsbehörde CBA durchsucht.

Nach Berichten des Portals Onet und der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" soll Wawrzyk der Drahtzieher hinter einem System gewesen sein, bei dem Zwischenfirmen für hohe Geldsummen polnische Visa anboten. Häufig seien die Migranten aus Asien und Afrika auf der Basis ihres polnischen Visums im Schengenraum weitergereist - etwa nach Deutschland. Besonders begehrt waren demnach Mehrfachvisa. Denn wer ein Mehrfachvisum für den Schengenraum hat, darf auch nach Mexiko einreisen - und kann so in die USA gelangen. Den Angaben nach sollen Menschen in Indien an Zwischenfirmen bis zu 40.000 Dollar gezahlt haben, um in den Besitz eines polnischen Mehrfachvisums zu kommen.

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Vor der Parlamentswahl am 15. Oktober setzt das Thema Visa-Vergabe die PiS unter Druck. Denn die PiS-Regierung widersetzt sich dem EU-Asylkompromiss, der eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht. Warschau will parallel zur Parlamentswahl in einem Referendum darüber abstimmen lassen. Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU.

DPA
jus