Neuer Media-Player Apple TV: Ist das die Befreiung aus der iPhone-Falle?

Apple hat zwei neue iPhones vorgestellt, das iPhone 6s und das iPhone 6s Plus. Viel bedeutsamer ist aber der neue Apple TV. Er soll Apple endlich aus der Abhängigkeit vom iPhone befreien. Doch ob das klappt?

iPhone gut, alles gut: So lässt sich die Situation bei Apple in wenigen Worten zusammenfassen. Mittlerweile werden zwei Drittel des Umsatzes mit den Telefonen erwirtschaftet. Die Apple Watch und das iPad, die beiden jüngsten Produktkategorien, verblassen dagegen. Auch der Musik-Streamingdienst Apple Music ist von den angepeilten 100 Millionen Nutzern noch meilenweit entfernt.

Für Apple ist das eine Gratwanderung: Läuft es gut, ist das iPhone eine wahre Goldgrube. Sollte eine Generation aber nicht die hohen Erwartungen der Kunden erfüllen, würde sich das massiv in den Zahlen bemerkbar machen. Davor warnte Apple zuletzt selbst in seinem Quartalsbericht. Das ist zwar beim iPhone 6s allem Anschein nach nicht der Fall.

Trotzdem muss aus wirtschaftlicher Sicht dringend ein weiteres Standbein her. Und das könnte der letzte Woche angekündigte Apple TV sein. Denn der schlägt gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Der Media Player verbindet die zuletzt stark boomenden Streaming-Dienste mit einer Anbindung für das Smart Home - und ist nebenbei auch noch eine ernstzunehmende Spielkonsole. Alle drei Bereiche sind ein Milliardenmarkt.

1. Apps und Streaming

Immer mehr Menschen wollen Serien dann schauen, wenn es Ihnen passt - und nicht dann, wann es der Sender vorschreibt. Doch viele Fernseher bieten nur eine miserable Unterstützung für Streaming-Apps wie Netflix oder Watchever. Deshalb boomen seit einem Jahr externe Streaming-Player wie etwa Amazons Fire TV. Die werden einfach an den Fernseher angeschlossen und mit dem heimischen Netzwerk verbunden, los geht der Serienspaß.

In die gleiche Kerbe schlägt nun auch der Apple TV: Mit iTunes und dem App Store verdient der Konzern schon jetzt mehrere Milliarden pro Jahr. Verglichen mit den gigantischen Umsätzen des iPhones sind das immer noch Peanuts. Doch mit dem Apple TV erreicht Apple völlig neue Zielgruppen - und eröffnet möglicherweise auch neue Geschäftsfelder. Bislang kassiert Apple bei Apps 30 Prozent des Verkaufspreises. Sollte sich das Prinzip auf den Apple TV übertragen lassen, könnte Apple auch bei abgeschlossenen Abos (Netflix, Maxdome, HBO Now) direkt mitverdienen. Wie es bei Zeitschriften schon länger der Fall ist. Fraglich ist nur, ob da auch die Streaming-Anbieter mitspielen.

In dieses Bild passt auch ein weiteres Gerücht der letzten Tage: Angeblich will Apple eigene Filme und Serien produzieren, so wie es bereits Netflix und Amazon vormachen. Mit dem Apple TV hätte der Konzern dafür bereits die passende Hardware.

2. Games

Das neue Apple TV ist nicht nur ein Mediaplayer, sondern auch eine abgespeckte Heimkonsole. Apples Kalkül dahinter: Viele Menschen daddeln in ihrer Freizeit auf dem iPhone oder iPad und würden vermutlich gern auch auf dem großen Fernseher zocken. Doch nur die wenigsten Gelegenheits-Gamer kaufen sich eine Playstation oder Xbox für mehrere hundert Euro und legen anschließend nochmal 60 Euro pro Spiel auf den Tisch.

Mit 150 Dollar ist der neue Apple TV eine Alternative, die es vermutlich nicht mit den Premium-Konsolen aufnehmen kann - aber beispielsweise mit Nintendos Wii U. Und die Spiele sind deutlich günstiger. Apple könnte hier weitere Millionen scheffeln - sofern die Menschen wirklich Lust haben, Daddel-Games auf 55 Zoll zu zocken.

3. Smart Home

Glaubt man den Prognosen der Technikbranche, wird das Smart Home der Mega-Trend der kommenden Jahre. In Zukunft sollen alle Geräte miteinander kommunizieren - doch bislang fehlen dafür Standards und Plattformen. Mit dem Apple TV wagt Apple nun einen ersten Schritt: Der Media Player soll zum neuen Zentrum der Wohnung werden. Dank der "HomeKit"-Technologie können Geräte unterschiedlicher Hersteller parallel betrieben und von einem iOS-Gerät aus bedient werden.

Dass Apple den eigentlich als Medienplayer konzipierten Apple TV als Basis nimmt, ist ein cleverer Schachzug. Die wenigsten Nutzer legen sich eine nur für das Smart Home gedachte Steuerungsbox zu. Wenn der Apple TV aber als Streaming-Box schon mal im Haus ist, kann man sich auch gleich die Smart-Home-Ausstattung dazu besorgen - und das Haus in kleinen Schritten smarter machen.

Schon jetzt gibt es einige Homekit-kompatible Geräte, dazu gehören etwa die steuerbaren Hue-Lampen von Philips oder die Wetterstation vom Münchner Hersteller Elgato. Mit dem Apple TV ist es nun möglich, die Geräte auch mit Siri zu steuern. Alles, was die Hersteller dafür brauchen, ist eine HomeKit-Zertifizierung. Womöglich lässt sich Apple die in Zukunft bezahlen, immerhin können sich Hersteller damit deutlich von der Konkurrenz abheben. Und wer weiß: Vielleicht steigt Apple in Zukunft auch selbst in das Geschäft mit smarter Haushaltselektronik ein.

Amazon und Google rüsten auf

So lukrativ die Aussichten auch sind - Apple ist nicht allein in diesem Bereich unterwegs. Google brachte vor wenigen Monaten den Nexus Player nach Deutschland, der Start war aber kein übermäßiger Erfolg. Dennoch wird der Suchmaschinenriese nicht locker lassen und das Betriebssystem Android TV weiterentwickeln. Und auch Amazon - der bislang stärkste Player in diesem Markt - wird wohl in wenigen Wochen eine neue, leistungsfähigere Version des Fire TV anbieten, vermutlich auch noch zum günstigeren Preis. Der Kampf ums Wohnzimmer, er hat gerade erst so richtig begonnen.

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