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ZDF-Moderator "Wir sind kein Staatsfunk" - Gespräch mit Claus Kleber über die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen

"Die einen sind Politik, wir sind Journalismus": Claus Kleber wehrt sich gegen "Staatsfunk"-Vorwürfe
"Wenn wir uns in eine Ecke stellen lassen, erreichen wir die breite Bevölkerung nicht mehr", so ZDF-Moderator Claus Kleber (Archivbild)
© Fredrik von Erichsen / DPA
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in weiten Teilen Europas unter Druck, am Sonntag stimmt die Schweiz über die Abschaffung der Rundfunkgebühren ab. "Ich finde den Preis für unser Angebot fair", erklärt ZDF-Moderator Claus Kleber im Interview mit dem stern.

Herr Kleber, das Wochenende wird für zwei große deutsche Institutionen wichtig: zum einen für die SPD - Mitgliederentscheid - und zum anderen für - siehe die Abstimmung in der Schweiz - den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Die wir bitte nicht in einem Atemzug nennen.

Tun wir es trotzdem mal. Denn Kritiker werfen SPD-Abgeordneten und dem Öffentlichen-Rechtlichen mitunter dieselben Dinge vor: Sie seien nicht glaubwürdig, würden zu wenig oder das Falsche tun, seien im Zweifel zu weit links, kosteten zu viel und seien dann auch noch arrogant.

Die Parallele würde ich nie im Leben ziehen. Die einen sind Politik, wir sind Journalismus. Innerhalb unseres Gewerbes gibt es genügend Verwerfungen, wir müssen uns jetzt nicht auch noch mit einer politischen Partei vergleichen, zu der wir, wie zu allen anderen Parteien auch, aus tiefer Überzeugung den gehörigen Abstand halten.

Nun ist es gerade der Abstand zur Politik, den Kritiker den Öffentlich-Rechtlichen nicht abnehmen.

Genau diesen Abstand erlebe ich aber täglich in der Redaktion. Ich arbeite seit Jahrzehnten an Sendungen, die jeden Tag ein Millionenpublikum haben. Wenn irgendeine Partei oder ein Bonze versuchen würde, darauf Einfluss zu nehmen, hätte der mich irgendwann mal anrufen müssen. Ist nie passiert. Ich kann mich an keine Diskussion in unserer Runde erinnern, wo jemand versucht hätte, einer Partei oder einem Politiker einen Gefallen zu tun. Das käme auch nicht weit. Das heißt nicht, dass wir auf dem Ponyhof sind. Ab und zu wird jemand von außen übergriffig. Denken Sie an die Affäre Brender, als ein Chefredakteur gegen den Protest der Betroffenen seinen Vertrag nicht verlängert bekam. Aber sowas fällt den Übergriffigen regelmäßig auf die Füße. In dem Fall hat sogar das Bundesverfassungsgericht kräftig nachgelegt und unsere Unabhängigkeit weiter gestärkt. Wir sind kein Staatsfunk. Auch, wenn Figuren wie Roger Köppel, einer von denen, die gerade versuchen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Schweiz aus ihrem Weg zu räumen, das gegen besseres Wissen unterstellen.

Warum werden ARD und ZDF nicht wie Netflix finanziert, Claus Kleber?

Trotzdem ist das Öffentlich-Rechtliche in Europa arg unter Druck. Die Schweiz stimmt über einen Stopp der öffentliche Finanzierung ab, in Österreich sieht sich der ORF gezwungen gegen den Vizekanzler juristisch wegen Verleumdung vorzugehen. Woher kommt das alles?

Warum greifen Populisten und Demagogen, wie sie in Türkei, Polen, Ungarn und zu großen Teilen in Amerika regieren, die freien Medien als Erste an? Weil sie ihnen im Wege stehen. Neu ist, dass es auch in unseren demokratischen Gesellschaften Kräfte gibt, die darauf angewiesen sind, dass die Leute an nichts und niemand mehr glauben. Wenn Sie ein Volk mal so weit haben, dass es nichts mehr glaubt und alles für möglich hält, dann können Sie alles mit ihm machen, so hat es Hannah Arendt in ihrer Faschismus-Studie geschrieben – und das gilt bis heute.

Zum Auftrag des Öffentlich-Rechtlichen gehört auch die Unterhaltung. Warum müssen Bürger für "Das Traumschiff" zahlen – können private Sender Unterhaltung nicht ohnehin besser?

Die Entscheidung der Gründer der Bundesrepublik, der aktuellen Rundfunkpolitik und unserer Häuser ist es: Wenn wir uns in eine Ecke stellen lassen, in der im Wesentlichen nur die harte Information vermittelt wird, dann erreichen wir die breite Bevölkerung nicht mehr. Wir haben gestern Abend sehr vom Bergdoktor profitiert: Im "heute journal" hatten wir über fünf Millionen Zuschauer statt der üblichen vier. Dadurch, dass Menschen unterhalten und informiert werden wollen, ist dem Informationsauftrag sehr gut gedient, wenn wir beides anbieten.

Wenn das Angebot gut ist, bezahlt der Bürger doch freiwillig dafür. Wieso finanzieren sich ZDF und ARD nicht so wie Netflix?

Das würde die Möglichkeiten des Öffentlichen-Rechtlichen Rundfunks im Markt enorm schwächen. Was der Rundfunk in Deutschland an kulturellem, politischem und demokratischem Schatz aufgebaut hat, würde entwertet. Ich habe in Amerika viel Geld an das National Public Radio gespendet – weil ich diesen Radiosender, der so etwas Ähnliches ist wie Deutschlandfunk, neben dem kommerziellen Mist, der dort überall lief, unendlich dringend gebraucht habe. Es sind aber nicht viele wie ich, die bereit sind die Konsequenz zu ziehen – und zu zahlen. Ich finde den Preis für unser Angebot fair.

"Arroganz ist niemals eine gute Idee"

Die Politik – und das ist nicht nur die AfD – rät dringend: verschlanken. Was spricht dagegen, ARD und ZDF zusammenzulegen?

Der Prozess des Verschlankens läuft beim ZDF, wir bauen hunderte von Stellen ab. Verschlanken ist nicht von Vornherein verkehrt. Aber ich glaube, dass Deutschland von der Konkurrenz zwischen ARD und ZDF im Prinzip profitiert. Ob ich nun jeden einzelnen Euro, der dort ausgeben wird, rechtfertigen kann, das übersteigt meine Möglichkeiten.

Muss ein WDR-Intendant 400.000 Euro im Jahr verdienen?

Ich halte es nicht für unangemessen, dafür dass er ein Milliardenunternehmen mit enormer gesellschaftlicher Bedeutung führt. Es gibt einen Markt und der Markt hat seine Preise. Man kann auch mal gucken, was Leute mit ähnlicher Funktion in der Privatindustrie für Gehälter erhalten und daran muss man sich dann wohl halten.

Jemand, der hart kritisiert wird und Reformen dringend wagen muss, tut selten gut daran, Arroganz an den Tag zu legen. Thomas Gottschalk riet bei "Maischberger" trotzdem dazu. Er empfahl eine "gewisse Arroganz", im Sinne von "Wir sind die Öffentlich-Rechtlichen und haben einen Auftrag."

Arroganz ist niemals eine gute Idee.

Sie stimmen Gottschalk nicht zu.

Ich habe das bisher nicht mitgekriegt, dass er das gesagt hatte. Thomas neigt zu erfrischend spitzen Formulierungen, die muss ich ja nicht alle übernehmen.

Sollte die Schweiz gegen die Finanzierung stimmen, was käme dann auf Deutschland zu?

Ich denke, das würde die Debatte anfachen. Ich weiß nur noch nicht, wie: Es kann auch sein, dass, wenn einem am Ende klar wird, was der Schweiz damit verloren geht, die Debatte durchaus in die andere Richtung umschlägt.

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