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Ex-Medienberater des Präsidenten Trumps Clown Scaramucci - ein Treffen in Manhattan

"Ich habe meine Mission erfüllt": Warum Anthony Scaramucci seinen Rausschmiss durch Donald Trump feiert
Am Ende, aber selbstbewusst: Anthony Scaramucci, Ex-Medienberater von Donald Trump, während des Gesprächs
© Philip Montgomery
Elf Tage lang war Anthony Scaramucci Kommunikationsdirektor von Donald Trump. Elf peinliche Tage im Sommer, in denen er es zur nationalen Berühmtheit brachte. Und heute?

Als Anthony Scaramucci schließlich vor einem sitzt, ist man erst mal überrascht von der kleinen Amerikafahne, die an seinem Revers steckt. Als wäre er noch immer oberster Medienberater des Präsidenten, "White House Communications Director", und nicht ein nach nur elf Tagen gefeuerter Vasall Donald Trumps, der im US-Fernsehen verhöhnt wurde, schlimmer noch als Trump selbst, und das soll was heißen.

Scaramucci, 53, trägt den Spitznamen "The Mooch" oder auch "Gucci Scaramucci", auf beide ist er stolz. Sein Markenzeichen sind Maßanzüge, viel Haarspray und eine verspiegelte Sonnenbrille. Er redet mit ausladenden Gesten und gedehnten Vokalen und wirkt wie die Karikatur eines Mafiabosses. Dass er italienischer Abstammung ist und nur knapp über 1,70 Meter groß, mildert den Eindruck nicht gerade.

Nur zwei von mehreren Spitzenleuten, die US-Präsident Donald Trump (M.) in den ersten Monaten seiner Amtszeit gefeuert hat: Anthony Scaramucci (l.) und Michael Flynn (r.)

Der Stachel der Demütigung sitzt tief

Es ist ein regnerischer Abend in Manhattan. Scaramucci hat nach diversen Ab- und Zusagen einem Treffen im Core Club zugestimmt. Hier verkehrt New Yorks Wirtschaftselite, die Aufnahmegebühr beträgt 50.000 Dollar, das Licht ist gedimmt, die Kellner reden sehr leise. Scaramucci hat einen Tisch hinter einer Säule gewählt. "Die Zeit im Weißen Haus war hart", sagt er. "Wie Vietnam. Ich wurde in einer Tour mit Napalm bombardiert."

Er sieht blass und müde aus. Der Stachel der Demütigung sitzt tief. Als hätte sich alles erst gestern zugetragen und nicht in elf peinlichen Tagen im Juli. Er ist noch immer gekränkt, verbittert, enttäuscht. Von seinen Ex-Kollegen, von den Medien, vielleicht auch von Donald Trump, aber das würde er niemals zugeben.

Während seiner kurzen Karriere als Kommunikationsdirektor war Scaramucci an Boshaftigkeit kaum zu überbieten. Trumps damaligen Büroleiter, Reince Priebus, diffamierte er als "Reince Penis" und nannte ihn "einen scheißparanoiden Schizophrenen". Über Ex-Berater Steve Bannon sagte er, der würde nur "versuchen, seinen eigenen Schwanz zu lutschen". Trump gegenüber zeigte er dagegen tiefe Unterwürfigkeit. In seiner ersten Pressekonferenz wiederholte Scaramucci dreimal: "Ich liebe den Präsidenten."

So wurde Scaramucci binnen elf Tagen zur Berühmtheit. Tagsüber dominierte er die Nachrichten, nachts die Eröffnungsmonologe der Late-Night-Shows. NBC-Star Seth Meyers nannte Scaramucci "die Personifizierung eines BMW, der zwei Parkplätze blockiert". Die Steigerung von Scaramucci sei "ein Megafon mit Brusthaar". Nach Scaramuccis Entlassung lästerte Stephen Colbert auf CBS: "Selbst eine Fruchtfliege hätte eine längere Karriere gehabt." Das ist amüsant, wenn es nicht auch so tragisch wäre.

Anthony Scaramucci, Trumps neuer Kommunikationschef

"Sie wollten mich zerschmettern"

Scaramucci steht für mehr als eine lustige White-House-Episode. Er verkörpert in erschütternder Klarheit die Zustände, die dort herrschen. Er ist übertrieben eitel, narzisstisch und gemein wie Trump selbst. Gleichzeitig devot und anbiedernd. Von seiner Aufgabe als Kommunikationschef hatte Scaramucci nicht die geringste Ahnung. Er ist Hedgefonds-Manager und geschätzte 85 Millionen Dollar reich. Wer ihn kennenlernt, erhält einen erschreckenden Einblick in den Trump-Orbit. In einen Zirkel, der seine eigenen Wahrheiten geschaffen hat.

"Da draußen ist so furchtbar viel Hass gegen den Präsidenten", beklagt Scaramucci. "Wenn du für ihn arbeitest, bekommst du den Hass automatisch ab. Gegen mich waren die Messer besonders lang. Sie wollten mich vernichten, mich zerschmettern."

Haben sie das?

"Ich bin kein Mann, der jammert", beteuert Scaramucci. „In der Politik und im Sport sollte überhaupt nie gejammert werden."

Wie geht er mit dem Spott um?

"Ich habe Humor. Nur Seth Meyers war unfair. Der hat mich einen 'menschlichen Kleiner-Finger-Ring' genannt. Das richtet sich gegen meine italienische Herkunft. Einmal hat mich mein ältester Sohn angerufen: 'Hey Dad, bist du in Ordnung? Diese Mainstream-Medien heizen dir ganz schön ein.' Da habe ich gesagt: 'Junge, ich habe schon Schlimmeres erlebt.' Man muss seinen Kindern Vorbild sein, ihnen zeigen, wie man auch mal einen Schlag wegsteckt."

Scaramucci klingt wie aus einem billigen Psychologieratgeber. Immer wieder betont er, dass er niemals jammern würde, um im nächsten Satz genau das zu tun. Auf die Frage, was der schönste Moment im Weißen Haus gewesen sei, erwidert er: "Als mir Pressesprecherin Sarah Sanders ihr Büro angeboten hat, weil es das größere ist und ich doch ihr Boss war. Aber was brauche ich ein großes Büro für mein Ego?" Scaramucci erzählt fünfmal, dass er in Harvard Jura studiert hat, obwohl sein Vater ein Bauarbeiter von Long Island war. "Ich will mir nicht selbst auf die Schulter klopfen, aber ich bin sehr belesen."

Wenn man Scaramucci gegenübersitzt, hört man immer deutlicher Trump reden. Man fragt sich: War Scaramucci schon immer so? Oder wurde er es erst durch Trump?

"Es war klar, dass Trump ihn verbrennen würde"

William D. Cohan wartet in der Lobby eines Hotels am Central Park, wo das Zimmer 600 Dollar die Nacht kostet. Cohan ist Autor mehrerer Bestseller über die Wall Street und ein guter Freund Scaramuccis. "Ich habe Anthony im Weißen Haus nicht wiedererkannt", sagt er. "Dieser blinde Ehrgeiz, diese kritiklose Lobhudelei. Unfassbar. Ich habe ihm E-Mails geschrieben: 'Kumpel, mäßige deinen Ton, dann überlebst du länger.' Aber Anthony meinte, er wüsste schon, was er tue. Dabei war von Anfang an klar, dass Trump ihn verbrennen würde. So wie Trump schon die Karrieren so vieler ruiniert hat."

Auf der Liste der Verbrannten stehen Männer wie Sean Spicer, ehemaliger Pressesprecher, der sich mit der Behauptung lächerlich machte, zu Trumps Amtseinführung seien mehr Menschen gekommen als zu der von Obama. Oder auch Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, der für Trump in der Russlandaffäre log. Sie alle wurden Opfer der bedingungslosen Loyalität, die dieser Präsident von jedem einfordert.

Wie so viele von ihnen schloss sich auch Scaramucci Trump an, weil er darin den einfachsten Weg sah, als Außenseiter in die Politik einzusteigen, ein Stück von der Macht abzubekommen. "Anthony war seit Langem besessen von der Idee, in die Politik zu gehen", sagt Cohan. "Er wollte den Ruhm, den Thrill. Trump kam ihm da gerade recht."

Vom Kritiker zu Donald Trumps Gefolgsmann

An der Wall Street war Scaramucci ein bekannter Mann, er galt als Marketing-Genie und hatte seine eigene Börsen-Talkshow, in der er Hillary Clinton einst als den "perfekten Deal" lobte. Er trat auch für die Homo-Ehe ein, gegen die Todesstrafe und unterstützte schärfere Waffengesetze. Noch im Jahr 2015 lästerte Scaramucci, Trump wäre die Idealbesetzung für den "Vorsitz des Mobbing-Verbands".

Es wäre wohl alles anders gekommen, hätte Trump ihn nicht kurz nach Bekanntgabe seiner Kandidatur in sein Hochhaus eingeladen, um ihn zu bitten, Wahlkampfspenden zu sammeln. Scaramucci sagt, er sei beeindruckt gewesen "von Trumps Gespür für die Wähler". Er hätte seine persönlichen Überzeugungen der "beeindruckenden Agenda" Trumps untergeordnet. Später wurde er in dessen Team für die Regierungsbildung berufen, seitdem träumte er von einem Posten im Weißen Haus.

Eine zweifelhafte Berühmtheit

Scaramucci war so besessen von dieser Vorstellung, dass er sich schon wenige Wochen nach Trumps Amtsantritt aus seiner Firma zurückzog und sie zum Kauf anbot. Seine Frau fand seinen "verkrampften politischen Ehrgeiz" so unerträglich, dass sie im Sommer die Scheidung einreichte, da war sie im neunten Monat schwanger. Als ihr gemeinsamer Sohn zur Welt kam, saß Scaramucci mit Trump in der Air Force One. Angeblich soll er per SMS gratuliert haben.

Scaramucci hat seine Familie verloren, seine Aufgabe, seine Ehre. Geblieben ist ihm sein Geld und eine zweifelhafte Berühmtheit, der er etwas Positives abzugewinnen versucht.

Er richtet sich jetzt in seinem Stuhl auf und hebt den Zeigefinger. "Ich habe schlechte Nachrichten für meine Feinde: Mein Bekanntheitsgrad ist dank ihnen enorm gestiegen. Ich werde überall nach Autogrammen und Selfies gefragt. Sie haben mir TV-Shows angeboten, einen Buchvertrag, ich halte Reden über meine Zeit im Weißen Haus. Mir geht es großartig."

Zu Beginn des Gesprächs wirkte Scaramucci noch reserviert, unsicher, jetzt hat er sein altes "The Mooch"-Selbstbewusstsein zurückgewonnen. Er beugt sich beim Reden über den Tisch, legt einem die Hand mal auf den Arm, mal auf die Schulter. Große Gesten. "Natürlich trage ich die Verantwortung für alles, was passiert ist. Aber man muss auch die Wahrheit sehen: dass ich hintergangen wurde."

Der dumme Fehler des Anthony Scaramucci

Das ist Scaramuccis Sicht der Dinge. So erklärt er den dummen Fehler, der ihn den Job kostete. Es geschah an seinem fünften Tag im Amt. Trump hatte Scaramucci mit der Aufgabe eingestellt, dass er die undichten Stellen im Weißen Haus "entlarven" solle. Scaramucci verdächtigte Stabschef Priebus und Trumps umstrittenen Berater Steve Bannon.

Gerade hatte der "New Yorker" mal wieder Interna berichtet, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, nämlich dass sich Trump mit dem Ex-Boss eines großen TV-Senders zum Dinner getroffen hatte, keine große Sache eigentlich, aber es ging ja ums Prinzip. Also griff Scaramucci zum Handy und rief Ryan Lizza an, den White-House-Korrespondenten des "New Yorker". Die beiden sind alte Bekannte. In diesem Telefonat erklärte nun "The Mooch", dass Steve Bannon nur versuchen würde, seinen eigenen Schwanz zu lutschen. Schlimmer noch: Er drohte gar, die gesamte Pressestelle des Weißen Hauses zu feuern, sollte Lizza ihm nicht verraten, wer sein Informant war.

Anthony Scaramucci, Trumps neuer Kommunikationschef

Ryan Lizza ließ ihn reden, zeichnete das Gespräch auf und stellte einen Artikel darüber am kommenden Tag online. Damit war der Skandal da. Scaramucci beschwerte sich, dass er im Vertrauen gesprochen habe. Aber davon ist in der Aufzeichnung nichts zu hören. Es wäre angesichts der Äußerungen auch unerheblich gewesen. Stabschef Priebus fühlte sich von Scaramucci so beleidigt, dass er seinen Posten hinschmiss. Scaramucci mag das als Sieg empfunden haben, aber es war ein kurzer.

Denn zum neuen Stabschef wurde Ex-General John Kelly ernannt, der Scaramucci untragbar fand. An Kellys erstem Arbeitstag wurde Scaramucci gleich morgens ins Oval Office bestellt, Kelly war bereits da, und Trump entließ seinen kleinen Kommunikator mit sofortiger Wirkung.

"Das beweist doch: Ich habe meine Mission erfüllt."

"Im Grunde haben sie mich wegen dreier Schimpfworte gefeuert", sagt Scaramucci. "Aber so ist Politik eben. Man darf das nicht persönlich nehmen. An meiner Haltung zum Präsidenten hat das nichts geändert."

Was hat er nach dem Rauswurf als Erstes getan?

"Ich bin die Pennsylvania Avenue runtergelaufen zum Trump Hotel, wo ich mein Zimmer hatte, und dann erst mal in den Fitnessraum. Anschließend habe ich mich vor den Fernseher gesetzt, um zu verfolgen, wie über meine Entlassung berichtet wurde. Und wissen Sie, was das Interessanteste ist?" Scaramucci macht eine lange Pause, als erwarte er tatsächlich eine Antwort. "Ich wurde um 9.37 Uhr gefeuert, aber erst um 14.15 Uhr kam die Nachricht raus. Fast fünf Stunden später. Vor meiner Zeit wäre so eine Information sofort durchgesickert. Das beweist doch: Ich habe die undichten Stellen eliminiert. Ich habe meine Mission erfüllt."

Scaramucci dürfte wohl der Einzige sein, der das so sieht. Aber ein Fiasko als Erfolg zu verkaufen, auch das kennt man dieser Tage nur zu gut aus dem Weißen Haus.

Zum Abschied bleibt er sitzen 

Der Core Club leert sich allmählich. Draußen auf der 55th Street fegt ein kalter Wind, der Regen ist stärker geworden. Die meisten wollen an diesem ungemütlichen Abend so schnell wie möglich nach Hause. Scaramucci steht auf, um das Gespräch zu beenden. Er sei schon weit über die Zeit und habe noch viele Termine. Er reicht die Hand zum Abschied und setzt sich wieder hin.

15 Minuten später, ein letzter Blick durch die gläserne Tür, da sieht man ihn noch immer sitzen, allein an diesem Tisch, den Blick auf sein Telefon gerichtet, als könnte Donald Trump jede Sekunde anrufen, um ihm zu sagen, dass er es sich doch anders überlegt hat.

Nur zwei von mehreren Spitzenleuten, die US-Präsident Donald Trump (M.) in den ersten Monaten seiner Amtszeit gefeuert hat: Anthony Scaramucci (l.) und Michael Flynn (r.)

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