Eurokrise Griechenlands Staatspleite kein Tabu mehr

Ein Bankrott Griechenlands scheint fast unausweichlich. Die Bundesregierung zieht daher drastische Schritte in Erwägung. Von "geordneter Insolvenz" und Ausschluss aus der Eurozone ist die Rede.

Erstmals bringt mit Vizekanzler Philipp Rösler ein Mitglied der Bundesregierung eine Staatspleite Griechenlands ins Gespräch. Der FDP-Vorsitzende nannte in einem Beitrag für "Die Welt" eine geordnete Insolvenz denkbar, wenn dafür die Instrumente zur Verfügung stünden. Medienberichten vom Wochenende zufolge laufen im Bundesfinanzministerium bereits Planspiele, wie ein Bankrott beherrscht werden könnte. Die CSU spricht sich dafür aus, hoch verschuldete EU-Staaten notfalls aus der Eurozone auszuschließen.

Der Parteivorstand will an diesem Montag einen entsprechenden Leitantrag für den CSU-Parteitag Anfang Oktober beschließen. Überschuldete Staaten müssten damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen, heißt es darin. Parteichef Horst Seehofer machte deutlich, dass dies aus seiner Sicht auch für Griechenland gilt: "Wenn es die Griechen trotz aller Anstrengung nicht schaffen, darf man auch diese Überlegung nicht ausschließen", sagte er am am Sonntagabend im ZDF. Unionsfraktionschef Volker Kauder bekräftigte hingegen, dass ein Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion rechtlich nicht möglich sei. "Deshalb sollten wir das diskutieren, was möglich ist", mahnte der CDU-Politiker in der ARD.

"Keine Denkverbote"

Machbar erscheint entgegen früherer Skepsis die "geordnete" Staatspleite der Helenen. Eine zentrale Rolle könnte dabei der Euro-Rettungsschirm EFSF spielen, der mit seinen neuen Instrumenten eine Kettenreaktion in der Euro-Zone verhindern würde. Die griechische Regierung stemmt sich allerdings weiter gegen eine Pleite und warnte vor einem Zusammenbrechen der Euro-Zone.

"Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben", schrieb Wirtschaftsminister Rösler: "Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands." Die unzureichenden Konsolidierungsbemühungen unterspülten das Vertrauen der Menschen und Märkte in die gemeinsame Währung. Er forderte, ein System automatischer Sanktionen zu etablieren, wenn Reformen nicht umgesetzt würden. Auch ein befristeter Entzug des Stimmrechts in der EU dürfe kein Tabu sein. Als letzter Schritt müsse eine Insolvenz möglich sein. Dazu gehöre eine Beteiligung privater Gläubiger.

Schäubles Zweifel

Der "Spiegel" berichtete, Finanzminister Wolfgang Schäuble zweifele daran, dass Athen vor einer Pleite bewahrt werden könne. Solche Signale gibt es seit längerem hinter den Kulissen der Bundesregierung, sie bekommen aber mit der von den Euro-Regierungen vereinbarten Stärkung des EFSF erstmals eine konkrete Dimension. Ab Oktober soll der EFSF Euro-Ländern vorsorglich Kreditlinien gewähren und die Märkte durch den Kauf von Staatsanleihen beruhigen können. Zudem kann er künftig Regierungen Sonderkredite zur Bankenstabilisierung geben.

All dies sind Maßnahmen, die eine Ansteckung vor allem Spaniens und Italiens durch eine Staatspleite Griechenlands verhindern könnten. Die "Welt am Sonntag" berichtete, die Bundesregierung verabschiede sich wegen der neuen Möglichkeiten des EFSF und der wachsenden Zweifel an der Reformfähigkeit der Griechen von ihrer bisherigen Maxime, das Land auf keinen Fall pleitegehen zu lassen. Der Chefhaushälter der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, sagte der Nachrichtenagentur Reuters: "Man kann eine mögliche Restrukturierung Griechenlands nicht mehr ausschließen."

Auflagen müssen erfüllt werden

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsordnung (DIW) schloss sich dem Vorstoß Röslers an. "Im Grundsatz ist das der richtige Weg", sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner am Sonntag zu Reuters. Aufgrund der Höhe der griechischen Schulden sei eine Abzahlung ohnehin nicht realistisch. Es handele sich auch nicht um eine Entscheidung gegen Griechenland, sagte Fichtner. "Es ist die beste Entscheidung für alle" - auch wenn man das Risiko eingehe, dass einige Banken zusammenbrechen könnten.

Faktisch wäre die Staatspleite schon bald Realität, wenn das Land nicht die zur Auszahlung anstehende sechste Tranche von acht Milliarden Euro aus dem 110 Milliarden Euro schweren ersten Hilfspaket seiner Euro-Partner und des IWF erhält. Weil die Regierung in Athen ihre Sparzusagen bisher nicht einhalten kann, liegt die Tranche auf Eis. "Griechenland weiß, dass die Auszahlung der Kredite davon abhängt, dass es seine Auflagen erfüllt", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem "Tagesspiegel am Sonntag." Sie mahnte aber auch zur Geduld: "Was über Jahre versäumt wurde, kann nicht über Nacht behoben werden."

Rezession schlimmer als gedacht

Ob es den Griechen gelingt, das Ruder herumzureißen, wird jedoch immer fraglicher. So trifft die Rezession das Land viel tiefer als gedacht. Nach einer neuen Prognose der Regierung in Athen schrumpft die Wirtschaft dieses Jahr um 5,3 Prozent. Bisher wurden ein Minus von 3,8 Prozent erwartet. Die Folgen sind niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben, was den Spar- und Reformkurs konterkariert.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou versprach in einer von gewaltsamen Protesten begleiteten Rede, die Anstrengungen gegen die weit verbreitete Steuerflucht zu verdoppeln. Er werde mit allen Mitteln für einen Verbleib in der Euro-Zone kämpfen: "Unsere oberste Priorität ist ein sicherer Kurs, um das Land vor dem Bankrott zu retten." Szenarien für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone seien unseriös und führten zu einem Dominoeffekt, der letztlich den Zusammenbruch der Euro-Zone zur Folge hätte.

Planspiele angeblich längst im Gang

Der "Spiegel" berichtete dagegen, die Planspiele für eine Pleite seien im EU-Apparat und im Bundesfinanzministerium längst angelaufen. Durchgespielt würden die beiden Varianten, dass Griechenland danach in der Euro-Zone bleibe oder nicht.

In der Koalition schwindet die Geduld mit den Griechen zusehends. "Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten und dadurch sich und die Währungsunion in Schwierigkeiten bringen, müssen damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen", heißt es in einem Leitantrag für den nächsten CSU-Parteitag, den der CSU-Vorstand am Montag beschließen will.

DPA · Reuters
dho/san/Reuters/DPA