Europäische Wirtschaftsregierung Merkel und Sarkozy setzen sich beim Gipfel durch

Im stern hatte sie es bereits gefordert, in Brüssel machte sie Ernst: Angela Merkel hat ihren Plan einer europäischen Wirtschaftsregierung, also einer gemeinsamen Renten- Lohn- und Steuerpolitik, einen großen Schritt vorangebracht. Unterstützung erhielt sie vom Kollegen Sarkozy.

Als Konsequenz aus ihrer schwersten Krise nimmt die Euro-Zone Kurs auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Damit sollen weitere schlimme Schuldendebakel wie in Griechenland verhindert werden. Doch über den richtigen Weg zur Stärkung des Euro gibt es Streit: Die deutsch-französische Offensive für die Kooperation der 17 Euro-Länder spaltet die Union.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel erhielten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy am Freitag zwar grundsätzlich Rückenwind für ihre Idee. Im Detail mussten sie aber Kritik einstecken. Einigkeit signalisierte die Union dagegen in der aktuellen Ägypten-Krise: Die Staats- und Regierungschefs forderten einen sofortigen Neuanfang in dem krisengeschüttelten Land am Nil.

Der Plan für eine Wirtschaftsregierung, die Merkel bereits im Interview mit dem stern verfochten hatte, sieht vor, dass die Euro-Staaten sich gemeinsamen Zielen bei Renten, Steuern und Löhnen unterwerfen, um künftige Krisen zu verhindern. Kleinere Staaten wie Belgien und Österreich sowie das Europaparlament, das einen Kompetenzverlust fürchtet, reagierten skeptisch.

"Sehr starke Achse"

Berlin und Paris lassen sich davon nicht beirren und fordern eine Einigung bis Ende März und einen Sondergipfel. "Wir werden einen solchen Pakt ausarbeiten", betonte Merkel. Sarkozy sprach von einer "sehr starken Achse von Deutschland und Frankreich." Laut EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy, der die Reformarbeiten leitet, soll der deutsch-französische Plan in die Gesamtlösung zur Euro-Rettung eingearbeitet werden: "Die verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik addiert sich zu dem Finanzpaket".

Es ist ein Geburtsfehler des Euro, den Merkel und Sarkozy beseitigen wollen - die fehlende gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik. Nach ihrem Plan sollen die Staaten die Lohnentwicklung angleichen, das Renteneintrittsalter anpassen, Bildungsabschlüsse gegenseitig anerkennen und die Körperschaftssteuer auf gleicher Basis berechnen. Auch eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild ist im Gespräch.

Der Sinn des Ganzen

Merkel und Sarkozy wollen so verhindern, dass die Wirtschaft in den Euro-Ländern sich so stark auseinander entwickelt wie in den vergangenen Jahren. Dies gilt als eine Hauptursache für die aktuelle Währungskrise. "Deutschland und Frankreich sind fest entschlossen, dass 2011 das Jahr des neuen Vertrauens für den Euro sein wird" sagte Merkel. Es solle deutlich gemacht werden, "dass wir den politischen Willen haben zusammenzuwachsen, insbesondere in der Euro-Zone". Der Pakt solle allen EU-Ländern offen stehen, nicht nur den Euro-Staaten.

Doch einige europäische Partner sind kritisch: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann nannte ein Eingreifen in Lohnverhandlungen falsch. "Ich halte es auch nicht für möglich, dass die EU das Pensionsalter festlegt." Belgien will nicht hinnehmen, "dass unser Modell der Sozialpartnerschaft aufgelöst wird", sagte Premier Yves Leterme. Derzeit werden in Belgien die Löhne nach einem Index angehoben, das würde künftig nicht mehr gehen.

Paket soll im März abgeschickt werden

In den Schlussfolgerungen des Gipfels werden die Euro-Finanzminister aufgefordert, konkrete Vorschläge zu machen. Das Gesamtpaket soll beim nächsten regulären Gipfel am 24. und 25. März unter Dach und Fach gebracht werden, dort geht es auch um dauerhafte Festlegungen zu dem permanenten Krisenmechanismus. Ein Sondergipfel könnte Anfang März stattfinden. Berlin fordert den neuen Pakt als Gegenleistung für die Stärkung des Rettungsfonds EFSF. Die Ausleihkapazität des Fonds von de facto 250 Milliarden Euro soll erweitert werden, um flexibler auf Schuldenkrisen in einzelnen Eurostaaten reagieren zu können.

Der Vorstoß Merkels ist ein Kurswechsel: Berlin hatte sich lange Frankreich widersetzt, das schon seit geraumer Zeit Spitzentreffen der Euro-Länder mit dem Titel Wirtschaftsregierung will.

AFP
ben/AFP