Herabstufung der US-Bonität Countdown zum Börsenkrimi

Die Herabstufung der USA könnte die Talfahrt der Finanzmärkte weiter beschleunigen. Per Telefon versucht die Politik den großen Crash zu verhindern. Merkel und Sarkozy demonstrieren Einigkeit.

Die Situation ist beispiellos: In Europa gärt eine bedrohliche Schuldenkrise und zugleich verlieren die hoch verschuldeten USA ihre Top-Bonität. Ein gefährlicher Cocktail für die Finanzmärkte, die bereits in der vergangenen Woche deutlich abgestürzt sind. Bevor am Montag Märkte für Aktien, Anleihen und Devisen eröffnen, ringt die Politik deshalb um eine gemeinsame Haltung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy bekräftigten am Sonntag zur Beruhigung der Finanzmärkte die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom Juli. Der Fonds solle im Oktober Anleihen angeschlagener Staaten kaufen, teilten die beiden Regierungschefs mit. Zugleich ermahnten Merkel und Sarokozy Italien und Spanien, ihren angekündigten Konsolidierungskurs zügig und vollständig umzusetzen.

Der Erklärung zufolge wollen Deutschland und Frankreich die im Juli vereinbarte Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF bis Ende September durch ihre Parlamente bringen.

Kommt nun auch Italien unter den Rettungsschirm?

Im Windschatten des US-Schuldendebakels streitet die EU weiter über die Instrumente gegen die eigene Schuldenkrise. Umstritten ist vor allem eine Ausweitung des bestehenden Rettungsschirms auf weitere Länder. Der deutsch-französische Schulterschluss sei auch als Signal an die Europäische Zentralbank (EZB) gedacht, ab Montag auch italienische und spanische Anleihen aufzukaufen, berichtete das ZDF-Hauptstadtstudio unter Berufung auf Regierungskreise.

Zeitgleich zu der Erklärung von Merkel und Sarkozy setzte EZB-Chef Jean-Claude Trichet nach Informationen aus dem Umfeld der Notenbank eine Telefonkonferenz des obersten Gremiums der Bank an. "Trichet will, dass der Rat eine Entscheidung über den Kauf italienischer Bonds trifft", sagte ein Vertreter der Bank. Der Aufkauf von Staatsanleihen aus Italien würde Anlegern das Signal geben, dass die Euro-Zone ihre Investitionen absichert, so die Hoffnung

Heftigen Gegenwind spürte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der eine Überprüfung des Euro-Rettungsschirms einschließlich dessen finanzieller Ausstattung verlangt hatte. Der Vorstoß des Portugiesen provozierte heftige Kritik. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Barroso vor, er habe mit seinen Äußerungen zu einer Aufstockung des Rettungsschirms die Märkte verunsichert. "Die Krise, die man eigentlich verhindern will, wird durch das, was Barroso getan hat, eher beschleunigt", sagte Gabriel im ZDF-Sommerinterview am Sonntag.

US-Finanzminister bleibt im Amt

In zahlreichen Telefonkonferenzen versuchten die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen (G7) am Wochenende einen gemeinsamen Fahrplan zu erarbeiten, um die Märkte wieder zu beruhigen. Die Zeit läuft davon: Als erstes öffnen am Montag die Börsen in Asien, dann folgen die europäischen Finanzmärkte - anschließend öffnet die Wall Street in New York. Diplomatie soll nun den befürchteten schwarzen Montag doch noch abwenden.

US-Finanzminister Timothy Geithner will trotz der Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit und ungeachtet der Rücktrittsforderungen der Republikaner im Amt bleiben. Das Finanzministerium in Washington teilte am Sonntag mit, Geithner habe Präsident Barack Obama darüber informiert, den Posten auch weiter ausfüllen zu wollen.

Wegen der massiven Staatsverschuldung hatte die Ratingagentur Standard & Poor's den USA am Freitag erstmals in der Geschichte die Bestnote AAA entzogen und die Bonität auf "AA+" abgestuft. Die Agentur begründete dies mit dem jüngsten Kompromiss zur Erhöhung der US-Schuldengrenze. Die beiden anderen wichtigen US-Ratingagenturen Moody's und Fitch hielten an der Bestnote fest.

Sommergewitter oder Tornado?

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Tom Mayer, rechnet mit weiteren Kurseinbrüchen an den Börsen. "Schlechte Nachrichten sind immer unangenehm für Märkte", sagte Mayer im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Er rechne zwar nicht mit einem weltweiten Börsencrash, aber: "Es könnte Verluste geben." Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte er: "Ob sich solche Entwicklungen zu einem Sommergewitter oder einem Tornado zusammenbrauen ist schwer vorherzusehen."

Die weltweite Verunsicherung der Anleger führte bereits am Sonntag an den Aktienmärkten auf der Arabischen Halbinsel zu deutlichen Verlusten. Der Leitindex von Katar gab zu Handelsbeginn mehr als fünf Prozent nach. Am Samstag waren die Börsen in Saudi-Arabien deutlich ins Minus gerutscht.

DPA · Reuters
pen/fw/DPA/AFP/Reuters