Krieg im Kaukasus Russland stoppt den Krieg

Aufatmen im Kriegsgebiet: Russlands Präsident Medwedew hat ein Ende der Kämpfe befohlen und den Rückzug aus Georgien versprochen. In einigen Gebieten kommt es allerdings noch zu vereinzelten Feuergefechten. Jetzt wird auf diplomatischer Ebene darüber verhandelt, wie der Frieden in der Region umgesetzt werden kann.

100.000 Menschen auf der Flucht und ganze Städte zerbombt: Nach fünftägigen blutigen Gefechten im Südkaukasus sollen die Waffen schweigen. Russlands Präsident Dmitri Medwedew ordnete am Dienstag überraschend die Einstellung aller Kampfhandlungen gegen Georgien an. Der EU-Ratsvorsitzende, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, sprach bei einem Besuch in Moskau von einer "guten Nachricht". Gemeinsam mit Medwedew stellte er einen Plan zur Befriedung des Südkaukasus vor, der einen Rückzug auf Positionen vor Beginn des Krieges vorsieht.

Der Nato-Rat in Brüssel nannte den Waffenstillstand "wichtig, aber nicht ausreichend". Das Bündnis bekräftigte seine Solidarität mit Georgien, das gegen den Widerstand Russlands die Nato-Mitgliedschaft anstrebt.

Ungeachtet der politischen Gespräche in Moskau kam es auch am Dienstag noch vereinzelt zu Feuergefechten. Bei den Kämpfen um die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien sind nach russischen Angaben seit Freitag etwa 2000 Menschen ums Leben gekommen. Auch mehrere Journalisten - ein Niederländer, zwei Russen und ein Georgier - wurden getötet. Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) wurden etwa 100.000 Menschen vertrieben.

Die Militäroperation sei erfolgreich abgeschlossen, sagte Kremlchef Medwedew, der "Aggressor" Georgien sei bestraft worden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den prowestlichen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili zum Rücktritt auf. Nach dem Waffengang sei er für Moskau kein Verhandlungspartner mehr. Medwedew erteilte dem Verteidigungsministerium den Befehl, die Kampfhandlungen jederzeit wieder aufzunehmen, sollte in Südossetien wieder Gewalt gegen die Bevölkerung angewandt werden.

Sarkozy und Medwedew riefen in Moskau alle Konfliktparteien zu einem dauerhaften Gewaltverzicht auf. Russland verpflichtet sich nach den Worten Medwedews, seine Truppen hinter jene Grenzen zurückzuziehen, wo sie sich vor Ausbruch des Konflikts befunden hatten. Auch Georgien müsse seine Armee in die Kasernen zurückführen. Medwedew betonte, dass Russland die Souveränität Georgiens respektiere. Der Plan beinhalte auch humanitäre Hilfe für die vielen Flüchtlinge, sagte Sarkozy, der am Abend in der georgischen Hauptstadt Tiflis landete, um mit Saakaschwili die weiteren Fragen der Konfliktlösung zu erörtern.

Einsatz von EU-Friedenstruppe angeboten

Nach seinem Treffen mit Medwedew bot Sarkozy die Entsendung von Friedenstruppen der Europäischen Union nach Georgien an. Die EU sei bereit, Soldaten in die Region des südlichen Kaukasus zu entsenden, wenn alle Konfliktparteien zustimmten, sagte er. Der polnische Außenminister Radek Sikorski hatte die EU bereits am Sonntag zur Entsendung einer Friedenstruppe nach Georgien aufgefordert. Die EU werde von beiden Konfliktparteien akzeptiert und sei daher am besten geeignet, einen Frieden im südlichen Kaukasus zu überwachen, sagte Sikorski. Die Nato sei zu umstritten und eine Truppe der Vereinten Nationen nicht effektiv genug.

Russland hatte die Angriffe immer wieder als die Verteidigung seiner Landsleute im Ausland dargestellt. Dazu sagte Sarkozy in Moskau: "Es ist völlig normal, dass Russland seine Interessen sowie diejenigen der Russen in Russland und der Russischsprachigen außerhalb Russlands verteidigen will." Medwedew ordnete landesweit für diesen Mittwoch eine eintägige Staatstrauer an. Alle Bewohner Russlands sollten an diesem Tag der Opfer in Südossetien gedenken. An Behördengebäuden soll Trauerbeflaggung aufgezogen werden, Unterhaltungsveranstaltungen sind untersagt.

Die 26 Nato-Staaten betonten in Brüssel den Anspruch Georgiens auf Souveränität und territoriale Integrität. Sie bestätigten das Versprechen, das Kaukasusland zu einem späteren Zeitpunkt in die Allianz aufzunehmen. Alle Verbündeten hätten den "unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt" durch Russland verurteilt und ihre "Solidarität" mit Georgien bekundet, sagte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Russland hatte die Nato wiederholt vor einer Aufnahme Georgiens gewarnt.

Scharfe Kritik an Russland

US-Präsident George W. Bush kritisierte Moskaus Vorgehen scharf. Ein solches Vorgehen sei "im 21. Jahrhundert nicht akzeptabel", sagte er nach seiner Rückkehr aus China in Washington.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung forderte eine politische Lösung des Konflikts. "Es ist notwendig und wichtig, dass die Waffen schweigen", sagte er. Momentan seien zwölf Bundeswehrsoldaten in Georgien stationiert. Sie seien jedoch nicht in die Kampfhandlungen verwickelt. In einer erneuten Telefonkonferenz sprach der französische Außenminister Bernard Kouchner mit seinen G7-Amtskollegen.

Georgien tritt aus GUS aus

Die Regierung in Tiflis erklärte, Georgien werde als Konsequenz aus dem Krieg gegen Russland aus der im Dezember 1991 gegründeten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) austreten. "Ich habe alles Nötige dazu veranlasst", sagte Saakaschwili. In der georgischen Hauptstadt demonstrierten Zehntausende gegen die "Aggression aus Moskau".

In Tiflis wuchs die Sorge über den andauernden Zustrom der Vertriebenen. "Die Zahl der Menschen, die Hilfe benötigen, steigt stündlich", sagte die für Georgien zuständige Direktorin des UN-Welternährungsprogramm, Lola Castro. Die am stärksten umkämpfte georgische Stadt Gori sei bald menschenleer, meldete das UNHCR. Fast 80 Prozent der Einwohner hätten die Stadt fluchtartig verlassen.

Die Zahl der Georgier in Russland wird auf rund eine Million geschätzt, in der Heimat leben etwa 4,5 Millionen. Allein in der russischen Hauptstadt haben etwa 400.000 ihr Zuhause. Die starke Gruppe der Rechtsextremen drohte, nun die "illegalen Georgier in ihren russischen Wohnungen anzugreifen".

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz will insgesamt rund fünf Millionen Euro für eine Soforthilfe bereitstellen. Mit dem Geld solle eine angemessene medizinische Versorgung für Verletzte und Flüchtlinge finanziert werden. Das Auswärtige Amt (AA) in Berlin setzte seine Ausreisehilfe für Deutsche und Bürger anderer EU-Länder aus Georgien fort. Drei Busse machten sich in Tiflis auf den Weg in die rund 200 Kilometer entfernte armenische Hauptstadt Eriwan, wie eine AA-Sprecherin auf Anfrage mitteilte. An Bord waren 162 Menschen, die meisten von ihnen Deutsche.

AP · DPA · Reuters
DPA/AP/Reuters/AFP