Lage in der Ukraine Moskau wirft offenbar Reserven in den Kampf um Sewerodonezk – die Nacht im Rückblick

Ukraine: Der Garnisonskommandeur der separatistischen prorussischen Volksmiliz Alexander Nikischin
Ukraine: Der Garnisonskommandeur der separatistischen prorussischen Volksmiliz, Alexander Nikischin, steht mit einem erbeuteten NLAW-Panzerabwehrraketensystem auf einer der Straßen in der umkämpften Stadt Sewerodonezk
© Alexander Reka/ / Picture Alliance
Der Kampf um Sewerodonezk dauert an. Die russischen Truppen können offenbar stellenweise vorrücken, doch die Stadt leistet weiter erbitterten Widerstand. Die Geschehnisse der Nacht im Überblick. 

In dem erbitterten Kampf um die ostukrainische Stadt Sewerodonezk haben die Truppen Wladimir Putins offenbar Geländegewinne erzielt und sind in einen Vorort eingedrungen. "Durch Beschuss und die Erstürmung hat der Feind in der Ortschaft Metjolkine einen Teilerfolg erzielt und versucht sich dort festzusetzen", teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit.

Das Dorf Metjolkine liegt südöstlich von Sewerodonezk. Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hatte zuvor erklärt, russische Kräfte hätten die Ortschaft vollständig eingenommen. Die russischen Streitkräfte setzen in der Ukraine mehrere Einheiten aus Tschetschenien mit Tausenden Bewaffneten ein. 

Die russische Truppen haben jedoch das weitgehend zerstörte Sewerodonezk immer noch nicht unter Kontrolle. Die Lage für ukrainische Zivilisten, die Zuflucht im örtlichen Chemiewerk Azot gesucht haben, wird unterdessen kritischer. Sie wollten aber nicht evakuiert werden, sagte der Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj.

Russland schickt wohl Reserven in den Kampf

Russland werfe alle seine Reserven in den Kampf, um Sewerodonezk und die Stadt Bachmut zu erobern, sagte Hajdaj zur militärischen Lage im Donbass. Auch nach Angaben des Generalstabs gehen die Kämpfe um Sewerodonezk unvermindert weiter. Demnach beschossen russische Truppen das Verwaltungszentrum des Gebiets Luhansk mit schwerer Artillerie. Ein versuchter Sturm der ukrainischen Stellungen im Industriegebiet der Stadt sei aber gescheitert. Auch in Syrotyne, einem Dorf westlich von Metjolkine, blieben die russischen Sturmversuche erfolglos.

Russische Truppen setzten auch im Gebiet Charkiw gegen eine Reihe von Ortschaften Artillerie ein. In Richtung Slowjansk versuche der Feind durch den Einsatz schwerer Waffen günstige Voraussetzungen für eine Offensive zu schaffen, heißt es in dem Lagebericht. Gleichzeitig betonte die ukrainische Militärführung, dass russische Versuche, gewaltsame Aufklärung im Gebiet Krasnopillja zu betreiben, mit hohen Verlusten für die Angreifer endeten. Der russische Vormarsch auf den Raum Slowjansk-Kramatorsk, in dem das Hauptquartier der ukrainischen Streitkräfte im Donbass liegt, stockt damit weiterhin.

Russische Raketen zerstören Öltanks

Mit einem Raketenangriff zerstörten russische Truppen am Samstag Öltanks nahe der zentralukrainischen Stadt Dnipro. Die regionale Verwaltung berichtete von drei Raketen, die das Depot im Kreis Nowomoskowsk getroffen hätten. "Es gibt ein starkes Feuer", teilte der Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, mit. Elf Menschen seien verletzt worden. In der Nähe der Stadt Isjum trafen russische Raketen eine Fabrik, die Gas verarbeitet. Auch dort gab es einen großen Brand.

Nach einer Reihe internationaler Treffen in Kiew besuchte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag wieder die Front. Er war im Süden zunächst in Mykolajiw, später in Odessa. Der ukrainische Präsident war zuvor bereits an der Front im Osten mit Stationen in Charkiw, Saporischschja und im Donbass gewesen.

Nach seiner Rückkehr erklärte Selenskyj die russischen Gebietsansprüche im Süden der Ukraine für nichtig. "Wir werden niemandem den Süden abgeben." Die Ukraine werde sich ihr Territorium zurückholen und auch den sicheren Zugang zum Meer wiederherstellen, sagte er. Russland hat in den ersten Kriegstagen die gesamte ukrainische Küste am Asowschen Meer und Teile der ukrainischen Schwarzmeerküste im Gebiet Cherson erobert.

Nato-Chef rechnet mit langem Krieg in der Ukraine

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechnet mit einem jahrelangen Krieg in der Ukraine. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte", sagte er der "Bild am Sonntag". Deshalb dürfe man nicht nachlassen in der Unterstützung der Ukraine gegen Russland.

Die Kosten dafür seien hoch, weil die Militärhilfe teuer sei und die Preise für Energie und Lebensmittel steigen. Aber das sei kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukraine jeden Tag mit vielen Menschenleben zahle, sagte Stoltenberg. Wenn man dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht entschieden entgegentrete, "dann bezahlen wir einen viel höheren Preis".

Der Nato-Chef erwartete, dass die Ukraine mit Hilfe weiterer Waffenlieferungen aus dem Westen die russischen Truppen wieder aus dem Donbass vertreiben kann. "Die Ukrainerinnen und Ukrainer wehren sich mutig gegen die russischen Invasoren", sagte er. Das westliche Verteidigungsbündnis werde nicht selbst in die Kämpfe eingreifen. Man habe als klares Signal an Moskau mit 40.000 Soldaten unter Nato-Kommando die eigene Verteidigung gestärkt.

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DPA
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