Internationale Pressestimmen Ukraine-Hilfspaket: "In der Hitze des Gefechts überwiegt auch in Trumps Partei der gesunde Menschenverstand"

Für die Ukraine: Der Republikaner Mike Johnson widersetzte sich den radikalen Kräften in seiner Partei
Der Republikaner Mike Johnson, Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses, widersetzte sich den radikalen Kräften in seiner Partei, um das Hilfspaket für die Ukraine durch den Kongress zu bekommen
© Alex Brandon / DPA
Der US-Kongress hat in seltener Einigkeit ein 61-Milliarden-Dollar-Paket für die Ukraine geschnürt. In den internationalen Medien überwiegt die Zustimmung, aber es gibt auch kritische Stimmen.

Russland

"Iswestija": "Der jetzige Sumpf in Washington geht zweifellos als der am meisten stinkende weltweit in die Geschichte des Planeten ein. Seinerzeit wurden die Abgeordneten der Werchowna Rada wegen ihrer Käuflichkeit in der Ukraine "Kadaver" genannt. Die amerikanischen Kongressabgeordneten sind "Kadaver auf Steroiden". Beim Thema Käuflichkeit sind die gewählten US-Vertreter selbst den Parlamentariern des korruptesten Landes in Europa voraus. Was denken Sie, worüber sich die mit gelb-blauen Flaggen schwenkenden Kongressabgeordneten so freuen? Über die Rettung der ukrainischen "Demokratie"? Sie pfeifen darauf. (...) Unabhängig davon, welche Art von Demokraten oder Republikanern formell an der Macht sind, die amerikanische Kriegspartei regiert weiter. (...) Der Westen hat sich fest in die unglückliche Ukraine verbissen und ist eher bereit, sie in verbrannte Erde zu verwandeln, als seine Niederlage gegen Russland einzugestehen."

Dänemark

"Politiken": "Die USA haben am Freitag ihre einzigartige Verantwortung gezeigt, als es dem Repräsentantenhaus endlich gelang, ein gigantisches militärisches Hilfspaket für die Ukraine – und Israel und Taiwan – zu verabschieden. Mit ihrer Unterstützung zeigen die USA abermals, dass sie der entscheidende Beschützer der liberalen, freien Welt sind, obwohl das Land noch immer selbst in einer tiefen politischen Krise steckt. (...) Gerade deshalb sollte sich Europa nicht auf der amerikanischen Hilfe ausruhen, sondern sie im Gegenteil als Chance dafür begreifen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Es ist traurig, dass Europa im dritten Kriegsjahr nicht in der Lage ist, die Ukraine selbst mit Waffen und Munition zu versorgen. Nächstes Jahr könnte Trump wieder Präsident werden und die USA somit aus der Gleichung verschwinden."

Belgien

"De Standaard": "Dass der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses des US-Kongresses dank Briefings über die instabile Lage in der Ukraine und die möglichen nächsten Schritte Putins dann doch noch nachgab, nährt die Zuversicht, dass in der Hitze des Gefechts auch in Trumps Partei der gesunde Menschenverstand überwiegt. Die Ukraine atmet auf. In letzter Minute kommt ein Strom von Waffenlieferungen in Gang, der ihr erneut ermöglicht, sich gegen das russische Übergewicht zu wehren. Europa teilt diese Erleichterung. Aber das sichere Gefühl von Geborgenheit durch amerikanischen Schutz kehrt nicht zurück. Im Gegenteil, das alles fühlt sich an wie eine Generalprobe für das, was Trump im November bringen könnte."

Niederlande

"de Volkskrant": "Für die Ukraine ist dieser Beschluss von enormer Bedeutung. In den letzten Wochen war das Land kaum noch in der Lage, sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. Es gab zu wenig Flugabwehrraketen, um die Drohnen und Raketen zu stoppen, mit denen die Russen ukrainische Wohnungen und Kraftwerke zerstörten, und zu wenig Artilleriegeschosse, um der russischen Panzerarmee auf dem Schlachtfeld standzuhalten. Die Ukraine verteidigt sich mit dem Rücken zur Wand. (...) Gegner der Militärhilfe – neue Rechtsradikale in den USA und alt-linke Pazifisten in den Niederlanden – sagen, dass die westliche Waffenhilfe den Krieg verlängert und das Leiden der Ukraine vergrößert. Das sagte auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in einer Reaktion auf die Abstimmung im Repräsentantenhaus. Doch in den vergangenen Wochen hat sich dieses Argument als unhaltbar erwiesen. Gerade der Mangel an Waffen hat das Leiden der Ukraine in den Städten und auf dem Schlachtfeld vergrößert."

Großbritannien

"Telegraph": "Es ist eine Sache, politische Machenschaften zu beenden, und eine andere, die schnelle Lieferung neuer Waffen in die Ukraine sicherzustellen. Zwar gibt es keinen Grund, warum damit nicht sofort begonnen werden kann, wenn der politische Wille vorhanden ist. Doch noch ist unklar, wann die Hilfe tatsächlich eintreffen wird. (…) Einige Analysten befürchten, dass die zusätzliche militärische Unterstützung der Ukraine zwar hilft, die Frontlinie zu halten, aber nicht ausreicht, die Russen zurückzudrängen, sodass lediglich die bereits bestehende Pattsituation aufrechterhalten wird. Zudem nehmen die Amerikaner erneut eine unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastung zum Schutz eines europäischen Landes auf sich. Dessen nähere Nachbarn müssten weitaus mehr tun. Die Auseinandersetzungen in Washington darüber, wie viel Hilfe geleistet werden sollte und für wie lange, sind nicht beigelegt."

Schweiz

"Neue Zürcher Zeitung": "Ohne Trump geht weiterhin nichts bei den Republikanern. Und Trumps Unberechenbarkeit und sein rein transaktionales politisches Denken zum eigenen Vorteil können für die Ukraine nur eines bedeuten: Es gibt keine Garantien für die Zukunft. Dass Trump sich diesmal zu den Hilfen überreden ließ, hat mutmaßlich damit zu tun, dass er eine rasche Niederlage vor dem Wahltag im November verhindern wollte, um sein eigenes Wahlversprechen eines von ihm verhandelten Friedens­deals "innert 24 Stunden" aufrechtzuerhalten. Das sagt nichts darüber aus, wie er sich beim nächsten Mal entscheiden wird. (…) Beide Faktoren, die innenpolitische Volatilität in den USA und die strategische Überlegenheit Russlands, können für die europäischen Verbündeten der Ukraine nur eines bedeuten: Sie dürfen nicht nachlassen. Das Land steht wegen des Mangels an Munition und modernen Waffensystemen am Rande der Niederlage. Die 60 Milliarden Dollar aus den USA sind eine große Erleichterung, aber sie werden nicht reichen."

Scharfe Kritik aus Ungarn am Ukraine-Hilfspaket

Ungarn

"Magyar Nemzet": "Was kommt nun? Mehr Leichenberge anstatt Frieden. Der Großteil der unter Applaus und Fahnenschwenken auf den Weg gebrachten 61 Milliarden Dollar wird weder auf die geheimen Bankkonten des ukrainischen Klavierspielers (Präsident Wolodymyr Selenskyj) fließen, noch werden sie für die Zahlung ukrainischer Renten verwendet (...). Glaubt man der früheren Enthüllung des amerikanischen Präsidenten und seines Außenministers, Herrn Blinken, dann landen neunzig Prozent der "Hilfe" in der amerikanischen Militärindustrie, die damit allerlei Mordinstrumente herstellt. Aus den Lagerhallen werden sie dies und jenes verstaubte Gerät mit abgelaufener Garantie, mit Sternenbannern umschnallt nach Kiew schicken. (...) Auf der einen Seite steht Russland, das aufgrund einer existenziellen Bedrohung einen Krieg begonnen hat, auf der anderen Seite steht der endlose Profithunger des amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes, mit Brüssel im Schlepptau. Je mehr die Amerikaner den Krieg verlängern, desto größer ist die Chance, dass die Ukraine schlussendlich von der Landkarte verschwindet."

Italien

"Corriere della Sera": "Die US-Republikaner – und wir alle – haben Glück, dass sie einen Mann wie Mike Johnson an ihrer parlamentarischen Spitze haben. Andere wären wie Kegel gefallen und es wäre zweifelhaft, dass die 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für die Ukraine durchgekommen wären. (...) Sollte Trump die Wahl im November gewinnen, ist es nicht sicher, dass die Dinge für Johnson gut ausgehen werden. Es ist sogar möglich, dass er noch vor diesem Termin abgewählt wird. Trotzdem hat er seine Karriere aufs Spiel gesetzt und am Ende eines komplexen parlamentarischen Manövers Erfolg gehabt."

USA

"Washington Post": "Fürs Erste können die Verbündeten der USA aufatmen, allen voran dank des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, (dem Republikaner) Mike Johnson, und seiner - wenn auch viel zu späten – Bereitschaft, sich den radikalen Kräften in seiner eigenen Partei zu widersetzen (...). Dies ist ein historischer Moment. Eine de facto überparteiliche Koalitionsregierung hat die globale Glaubwürdigkeit der USA gewahrt. (...) Die US-Bündnisse haben Bestand, aber die Weichen für eine Neuausrichtung ihrer Bedingungen sind gestellt. (...) US-Verbündete in Europa und Asien können in der Tat mehr zu ihrer eigenen Verteidigung beitragen; Israel kann die Sorgen über die menschlichen Kosten des Krieges in Gaza besser berücksichtigen. (...) Was auch immer geschieht, die Führungsrolle der USA kann ohne die Qualität, die Johnson gerade bewiesen hat, keinen Erfolg haben: politischen Mut."

DPA
tis