Streit um Sanktionen "Russland will allen Angst machen": Litauen wehrt sich gegen Drohungen wegen Kaliningrad

Die litauische Regierungschefin Ingrida Simonyte sagt: "Es gibt keine Blockade von Kaliningrad"
Die litauische Regierungschefin Ingrida Simonyte sagt: "Es gibt keine Blockade von Kaliningrad"
© Philip Davali/Ritzau Scanpix/AP / DPA
Litauen lässt bestimmte Güter nicht mehr in die russische Exklave Kaliningrad. Russland antwortet mit Drohungen gegen das Nato-Mitglied. Litauischer Politikerinnen erklären, was aus ihrer Sicht dahinter steckt.

"Schwerwiegende negative Folgen für die Bevölkerung in Litauen" – darunter machte es Russlands Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, nicht. Mit dieser Drohung reagiert Russland auf die Ankündigung Litauens, den Bahnverkehr zwischen Russland und Kaliningrad zu beschränken. Güter, die unter die EU-Sanktionen gegen Russland fallen, können nicht mehr mit der Bahn über Litauen nach Kaliningrad gebracht werden. Dazu gehören vor allem Metalle, Baumaterial, Technologiegüter und Kohle.

Laut dem Gouverneur von Kaliningrad, Anton Alichanow, könnten 40 bis 50 Prozent der Importe von der "Blockade" betroffen sein. "Russland wird auf solche feindseligen Aktionen natürlich reagieren", sagte Patruschew am Dienstag bei einem Besuch in Kaliningrad. "Entsprechende Maßnahmen werden auf interministerieller Ebene ausgearbeitet und bald verabschiedet. Sie werden schwerwiegende negative Folgen für die Bevölkerung in Litauen haben.

Russische Hardliner fordern Angriff

Kremltreue Hardliner hingegen forderten in Talkshows des Staatsfernsehens gleich mehrfach die Schaffung eines "Korridors" zwischen Kernrussland und Kaliningrad. Das würde einen Angriff auf die dazwischen liegenden Länder Lettland und Litauen bedeuten - oder von Russlands Verbündetem Belarus aus auf den Grenzbereich zwischen Litauen und Polen.

"Es gibt keine Blockade von Kaliningrad", sagte Regierungschefin Ingrida Simonyte der Agentur BNS zufolge am Dienstag in Vilnius. "Es ist nur so, dass seit dem vergangenen Wochenende Sanktionen für einige der im sogenannten Sanktionspaket enthaltenen Güter, nämlich Stahl und Eisenmetalle, in Kraft sind." Darüber seien Bahnkunden oder Vertragspartner informiert worden. 

Litauen setzt EU-Sanktionen für Kaliningrad um

Litauen hat seit Samstag den Bahntransit von einigen Waren über sein Territorium in das Gebiet um das frühere Königsberg verboten,. Dabei handelt es sich um Güter, die auf westlichen Sanktionslisten stehen. "Der Transport aller anderen Waren, die entweder nicht sanktioniert sind oder noch keinen Sanktionen unterliegen, findet ebenso statt wie der Transit von Passagieren im Rahmen eines Sonderabkommens zwischen der Europäischen Union, Russland und Litauen", betonte Simonyte.

Die litauische EVP-Europaabgeordnete Rasa Jukneviciene sagte dazu im "ARD Morgenmagazin": "Das ist eigentlich mehr eine Medien-Attacke des Kreml. Sie lügen häufig, und das gilt auch jetzt." Es würde lediglich das im März beschlossene vierte Sanktionspaket der EU gegen Russland umgesetzt und das beträfe Stahl und Eisen. "Natürlich wird es weitere Sanktionen geben. Und wenn die andere Güter betreffen, senden wir die nicht mehr durch", sagte Jukneviciene der ARD. Sie erklärt auch, warum russische Politiker Drohungen aussprechen, obwohl die beschlossenen Sanktionen seit Monaten bekannt sind: "Sie möchten uns allen Angst machen, nicht nur Litauen." Aber da Litauen sowohl zur EU als auch zur Nato gehöre, wäre ein Angriff auf das Land auch ein Angriff auf die Nato.

"Russland führt Krieg gegen die demokratische Welt"

Eine militärische Konfrontation erwartet sie nach Rücksprache mit litauischen Militärs nicht. "Aber wir haben einen Krieg, und dazu gehört auch ein Informationskrieg", sagt die EU-Abgeordnete. Und es sei kein Krieg Russlands, der sich allein gegen die Ukraine richte, sondern auch "gegen die demokratische Welt, die EU, die Nato." Der Kreml versuche, allen Angst zu machen und uns so lange wie möglich im Krisenmodus zu halten.

Wegen Sanktionen: Konflikt zwischen Russland und EU um Kaliningrad eskaliert
Konflikt zwischen Russland und EU um Kaliningrad eskaliert

Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat Russland vor einer Eskalation des Konflikts mit dem Nato- und EU-Land Litauen gewarnt. "Ich kann nur hoffen, dass die russische Seite genug Respekt hat, auch vor dem Abschreckungspotenzial, das es dort durch die Nato unter Beteiligung auch deutscher Streitkräfte gibt", sagte der CDU-Chef am Dienstag vor einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Die Moskauer Führung hatte Litauen mit schweren Folgen gedroht, sollte das Land die Transitbeschränkungen gegenüber der zu Russland gehörenden Ostsee-Exklave Kaliningrad nicht einstellen.

USA sagen Litauen Schutz zu

Die Lage in Litauen spitze sich auf doppelte Weise zu, sagte Merz. Dass Litauen den Zugang über den Landweg für russische Transporte, die unter das Sanktionsregime fallen, nicht weiter erlaube, sei richtig. "Das ist innerhalb des bestehenden Sanktionsregimes eine zulässige, richtige, zutreffende, notwendige Maßnahme von Litauen."

Auch die USA haben sich schützend vor Litauen gestellt. Nach Moskaus Drohung, dass Russland "auf solche feindseligen Aktionen reagieren" werde, erklärte der Sprecher im US-Außenministerium, Ned Price, am Dienstag, Washington stehe zu seinen "Nato-Verbündeten" und damit auch zu Litauen. 

Ausdrücklich verwies Price auf Artikel 5 des Nato-Vertrags, wonach ein Angriff auf ein verbündetes Land als ein Angriff gegen alle angesehen wird. Er betonte, das Bekenntnis der USA zu diesem Artikel sei "unumstößlich".