Ukraine-Krise Waffenruhe steht vor dem Zusammenbruch

UN und OSZE befürchten erneute schwere Kämpfe in der Ostukraine. Die Nato wirft Russland vor, einen Krieg anzuheizen. Moskau weist die Vorwürfe zurück und spricht von propagandistischer Fälschung.

Die UNO hat sich besorgt angesichts der Gewalt in der Ostukraine gezeigt und fürchtet einen kompletten Rückfall in einen bewaffneten Militärkonflikt. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Anfang September vereinbarte Waffenruhe "unaufhörlich gefährdet" sei, sagte UN-Vizegeneralsekretär Jens Anders Toyberg-Frandzen am Mittwoch bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Er warnte vor einer Rückkehr zu "ausgewachsenen" Kämpfen.

Als zweites Szenario benannte Toyberg-Frandzen einen "eingefrorenen Konflikt", der den Status Quo in der Krisenregion in der Ostukraine auf Jahre oder gar Jahrzehnte zementiere. Für ebenfalls denkbar hält er drittens die Variante eines über Monate hinweg schwelenden Konflikts "mit sporadischen Kämpfen geringerer Intensität", die sich mit heftigeren Gefechten abwechseln.

Es fehlen Beweise

Das Treffen des Sicherheitsrats hatten die USA anberaumt, nachdem die Nato am Mittwoch über das Vordringen weiterer "russischer Kampftruppen" in die Ukraine binnen der vergangenen zwei Tage berichtet hatte. Russland wies das zurück: Die Berichte entbehrten jeder Grundlage, erklärte das Verteidigungsministerium. Minister Sergej Schoigu warf der Nato eine "antirussische" Stimmungsmache vor.

Danach befragt, was er von dem Treffen des Sicherheitsrats erwarte, sagte Russlands stellvertretender UN-Botschafter Alexander Pankin indes in New York: "Nichts." Dem Gremium warf er anschließend "Propaganda" vor. Es war das 26. Treffen des UN-Sicherheitsrats zur Ukraine-Krise. "Die Technik und das Personal, das die russischen Streitkräfte haben, befinden sich auf dem Gebiet meines Landes und bedrohen Ihr Land nicht", sagte der Diplomat.

Die Ukraine versuche, durch solche Mitteilungen die "Misserfolge" der Regierungsgruppen im Kampf gegen die prorussischen Separatisten zu verdecken, meinte der Diplomat. Auch Behauptungen der Nato über eine russische Invasion seien nicht durch Fakten belegt, betonte Pankin. "Deshalb ist das alles leeres Gerede, eine gewöhnliche propagandistische Fälschung", sagte er.

Der Diplomat warf der Ukraine auf, kein Interesse an einer friedlichen Lösung des Konflikts zu haben. Pankin kritisierte, dass die prowestliche Regierung in Kiew verstärkt Truppen und Militärtechnik in die Ostukraine verlege. Moskau sei verwundert, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nicht reagiere auf diesen Truppenvorstoß.

Russische Schiffe manövrieren vor Australien

Die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, warf Russland hingegen vor, "vom Frieden zu reden" und gleichzeitig "einen Krieg anzuheizen". Die US-Außenamtssprecherin Jen Psaki erklärte die Bereitschaft der USA, bestehende Sanktionen gegen Russland auszuweiten. Moskau wird insbesondere vorgeworfen, die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Waffen und Kämpfern zu versorgen. Trotz der Anfang September beschlossenen Waffenruhe kommt es in dem Gebiet immer wieder zu schweren Kämpfen mit Regierungstruppen.

Unterdessen sichtete das australische Militär vier Schiffe der russischen Marine vor der Nordküste Australiens. Die Armee beobachte die Lage, teilte das Militär mit. Außenministerin Julie Bishop sagte dazu, Russland sei wie andere Länder auch dazu berechtigt und bewege sich wie vorgeschrieben in internationalen Gewässern. Nach ihrer Einschätzung befragt, ob es sich um eine Machtdemonstration Russlands handle, sagte sie, Russland sei ein "bedeutendes Land mit einer bedeutenden Marine". Das käme der Überlegung gleich, ob auch die USA "Macht demonstrieren, wenn sie im Pazifik sind".

Russland unterhält derzeit wegen des Abschusses einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine auch mit Australien schwierige Beziehungen. Unter den 298 Todesopfern waren 38 Australier. Nach ersten Erkenntnissen war die Passagiermaschine von einer Rakete getroffen worden. Die prorussischen Separatisten und Kiew machen sich gegenseitig für das Unglück verantwortlich. Russlands Präsident Wladimir Putin wird beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer erwartet, das am Wochenende im australischen Brisbane stattfindet.

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ivi/AFP/DPA