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Mecklenburg-Vorpommern AfD freut sich über dubiosen Wahlhelfer

Eine angeblich parteiunabhängige Vereinigung macht in Mecklenburg-Vorpommern ungefragt Werbung für die AfD. Die Partei freut sich über den Wahlhelfer - und stört sich nicht an dessen dubiosem Hintergrund.

"Mehr Schutz für Familie und Eigentum! Jetzt AfD wählen". Oder: "Deutschland wird zerstört! Masseneinwanderung! Terrorismus! Kriminalität! Sagen Sie Stopp!" Oder: "Damit Deutschland nicht zerstört wird! Jetzt AfD wählen". Mit solchen Slogans wird vor der Landtagswahl am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern im Internet und auf Plakaten für die AfD geworben. Auf den ersten Blick sieht die Werbung aus, als stamme sie von der Partei selbst. Tatsächlicher Urheber ist aber die "Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten".

Nicht bestellte Wahlwerbung freut die AfD

Die AfD wusste nach eigenen Angaben bis vor Kurzem noch nichts von diesen Werbeaktionen und kannte auch die Initiatoren nicht. Er habe absolut keine Ahnung, wer dahinter stecke, sagte der Spitzenkandidat der Partei in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, vor zwei Wochen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Plakate seien ihm selbst gerade erst aufgefallen. Es habe vorher keinerlei Absprachen darüber mit ihm gegeben.

Ein Problem hat Holm mit der nicht abgestimmten Propaganda im Namen seiner Partei nicht. Im Gegenteil: "Wir freuen uns darüber", teilte der Spitzenkandidat dem stern auf Anfrage mit. "Offensichtlich hat die AfD bereits eine solche gesellschaftliche Verankerung, dass Bürger sich zusammenschließen, um die Alternative für Deutschland zu unterstützen. Warum sollten immer nur die Kirchen die CDU und die Gewerkschaften und AWO die SPD unterstützen?"

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Verdacht der versteckten Parteienfinanzierung

Um wen es sich bei diesen Bürgern handelt und was diese sonst noch so politisch unternehmen, spielt für Holm offenbar keine Rolle. Dabei ist die "Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" keine Unbekannte. Schon vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Mitte März hatte sie mit ähnlichen Plakaten wie jetzt für die AfD geworben. Zudem gab sie für beide Bundesländer ein "Extra-Blatt" heraus, eine Gratiszeitung, die nach eigenen Angaben das Ziel hatte, "die Bevölkerung sachlich über die negativen Auswirkungen der Euro- und Flüchtlingspolitik zu informieren" und eine explizite Wahlempfehlung für die AfD enthielt. Im Impressum war als Chefredakteur der Bayreuther AfD-Politiker Josef Konrad aufgeführt. Er ist Geschäftsführer der Polifakt Medien GmbH in Leipzig, die AfD-Publikationen herausgibt.

Auch damals erklärten führende AfD-Vertreter, nichts von der Unterstützung gewusst zu haben. Kritiker sprachen dennoch von einer möglichen versteckten Parteienfinanzierung. Denn nach Paragraph 26 des Parteiengesetzes gelten "Maßnahmen durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird", als Einnahmen, die von der Partei offengelegt werden müssen. "Hier liegt der Verdacht einer verschleierten Zuwendung sehr nahe", zitierte der "Spiegel" die Konstanzer Rechtsprofessorin Sophie Lenski. Da die AfD aber ihre Unkenntnis über die kaschierte Spende beteure, sei sie "aus dem Schneider".

Lobeshymne auf AfD-Kandidat Leif-Erik Holm

Ein "Extra-Blatt" wurde auch für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern produziert und an die Bevölkerung verteilt. Statt "sachlicher Informationen" enthält die zehnseitige Postille der nach eigenen Angaben parteiunabhängigen Vereinigung allerdings vor allem plumpe Panikmache ("Millionen-Migrantenstrom, der Deutschland überschwemmt", "Kriminalität außer Kontrolle", "Bürger verbarrikadieren sich in ihren Wohnungen", "Sex-Mob in Schwimmbädern") und unverholene Attacken auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Medien und die EU - sowie eine als Porträt verkleidete Lobeshymne auf Leif-Erik Holm.

Der Name Josef Konrad taucht im Impressum des neuen "Extra-Blatts" nicht mehr auf. Stattdessen ist dort nur noch der "Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" als Herausgeber aufgeführt. Dieser wird auch auf der Internetseite der gleichnamigen Vereinigung als Verantwortlicher für die dortigen Inhalte genannt. Außerdem steht dort als Betreiber ein M. Paulwitz aus Stuttgart, bei dem es sich laut Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen" um Michael Paulwitz handelt, der auch Inhaber der Domain ist. Sein Vorgänger in dieser Position: Josef Konrad.

Betreiber war Mitglied der Republikaner

Paulwitz war nach Angaben der Zeitung unter anderem Pressesprecher der Republikaner und trat bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg als Ersatzbewerber für die rechte Partei an. Zudem sei er zu Lesungen bei Vereinigungen aufgetreten, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft würden, etwa bei der "Bürgerbewegung Pro NRW". Der Journalist und PR-Berater ist außerdem langjähriger Autor der Wochenzeitung "Junge Freiheit", das als Leitmedium der Neuen Rechten gilt.

Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern ficht all das nicht an. Spitzenkandidat Holm hat trotz der jüngsten Berichterstattung über die "Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten" bislang keinen Kontakt mit seinen Wahlhelfern aufgenommen. "Dazu besteht kein akuter Anlass", erklärte er. Auch mit den Slogans, mit denen der Verein für die AfD wirbt, ist Holm absolut einverstanden: "Das entspricht unserer Auffassung der Problemlage."

Der Rostocker Kreisverband der AfD hat nach Auftauchen der Plakate sogar ein "riesengroßes Dankeschön für die Wahlkampfhilfe der unbekannten Plakatspender" auf seiner Facebookseite veröffentlicht.

AfD-Kandidat Leif-Erik Holm will damit lieber noch anderthalb Wochen warten: "Vielleicht sende ich nach der Wahl mal ein Dankschreiben."

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