Wie der "Tagesspiegel" und die "Leipziger Volkszeitung" unter Berufung auf Regierungskreise berichten, haben sich die Spitzen von Union und SPD offenbar bereits über eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr verständigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vize-Kanzler Franz Müntefering, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Verteidigungsminister Franz Josef Jung hätten sich auf ein grundsätzliches "Ja" zu einer deutschen Beteiligung an der vereinbarten Uno-Friedensmission im Nahen Osten verständigt. Der "Leipziger Volkszeitung" zufolge wollen Steinmeier und Merkel am Freitag die deutsche Öffentlichkeit darüber unterrichten.
Grundsätzlich gelte, dass den Vereinten Nationen keine deutschen Kampftruppen für das UN-Mandat angeboten werden sollen. Ein Großteil des deutschen Kontingents soll sich auf den Bereich Pioniere im Zuge des Wiederaufbaus konzentrieren. Dabei könnte es sich "um eine personelle Größenordnung im vierstelligen Bereich mit schwerem Gerät handeln", schrieb die "Leipziger Volkszeitung". Zusätzlich zu diesen Wiederaufbau-Teams mit Blauhelm-Auftrag im Rahmen der offiziellen "Unifil-Truppe" könnte sich nach deutschen Planungen auch ein Einsatz der deutschen Bundespolizei an der libanesisch-syrischen Grenze ergeben. Dabei solle es in erster Linie um Ausbildungshilfe für die Grenzkontrolle gehen. Im Zuge der See-Aufklärung zur Verhinderung von Waffennachschub für die Hisbollah, erwägt die Bundesmarine mit einer Fregatte aktiv zu werden. Aufgrund der Sanitätskräfte der Bundeswehr, die bereits im Ausland engagiert sind, wolle die Bundesregierung hierfür kein besonderes Angebot abgeben, so die "Leipziger Volkszeitung".
Die Entsendung der Wiederaufbau-Teams mit Blauhelm-Auftrag könnte wegen der notwendigen logistischen Vorbereitung einige Wochen dauern. So wäre auch eine vorausgehende ausführliche und reguläre Debatte und Entscheidung im Bundestag gesichert.
Für logistische Unterstützung, gegen Einsatz von Soldaten
Der Vize-Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Wolfgang Schmelzer, setzte sich in den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" dafür ein, nur logistische Unterstützung zu leisten. "Hier käme die Luftaufklärung, eine Fregatte oder ein Schnellboot im Mittelmeer oder auch die zivil-militärische Zusammenarbeit beim Wiederaufbau in Frage." Bei Sanitätern habe die Bundeswehr kaum noch Möglichkeiten.
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, wies in den "Stuttgarter Nachrichten" erneut darauf hin, dass Kanzlerin Angela Merkel die Integrität Israels zum Teil der deutschen Staatsräson erklärt habe. "Dann muss der Schutz Israels zum deutschen Interesse gehören. Das ist wichtiger als Wahlen im Kongo oder ein Land wie Afghanistan militärisch abzusichern." Dagegen kritisierte der Präsident des Reservistenverbandes, Ernst-Reinhard Beck, in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" die Debatte. Im Nahen Osten seien Diplomaten und nicht Soldaten gefragt.
CDU kritisiert Stobers "Nein"
Der CDU-Teil der Bundesregierung kritisierte unterdessen das anhaltende strikte "Nein" von Bayerns Ministerpräsidenten und CSU-Chef Edmund Stoiber zu einem deutschen Soldaten-Einsatz an der israelischen Grenze. Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung", nahm man dies mit "Unverständnis" auf.

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Auch in der SPD geht die Debatte über eine Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Friedenstruppe weiter. "Ein Einsatz der Bundeswehr im Libanon wird in der SPD mit großer Distanz betrachtet", sagte Bundestags-Vizepräsidentin Susanne Kastner der "Financial Times Deutschland". Es sei schwer vorstellbar, dass deutsche Soldaten in ein Kriegsgebiet gingen, wo sie der Gefahr ausgesetzt sein könnten, auf israelische Soldaten zu schießen. Dagegen stellte sich das SPD-Präsidiumsmitglied Christoph Matschie hinter Parteichef Kurt Beck: "Wenn die Vereinten Nationen mit der Bitte auf uns zukommen, dann können wir nicht Nein sagen", sagte er der "Thüringer Allgemeine".
Die Opposition lehnt dagegen eine deutsche Beteiligung weitgehend ab. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte in der "Saarbrücker Zeitung": "Wenn es eine Region in der Welt gibt, wo deutsche Soldaten nichts zu suchen haben, dann im Nahen Osten an der Grenze zu Israel." Seine Fraktion beantragte für Freitag eine Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Thema. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Petra Pau, äußerte im Sender n-tv die Auffassung, "dass sich sowohl aus historischen Gründen, aber auch ganz grundsätzlich der Einsatz der Bundeswehr in diesem Konflikt verbietet". Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn warnte vor Schnellschüssen beim Einsatz der Bundeswehr.
Nur unter bestimmten Bedingungen hält die stellvertretende FDP- Fraktionschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Einsatz der Bundeswehr für vorstellbar. "Es gibt viele Formen von Beteiligung, gerade auch unter humanitären Aspekten", sagte Leutheusser-Schnarrenberger im RBB. FDP-Chef Guido Westerwelle und andere hätten immer schon gesagt, "dass sehr wohl auch die FDP sich vorstellen kann, dass sich die Deutschen beteiligen bei Ausbildung, vielleicht auch an Überwachungsmaßnahmen auf See." Dass Westerwelle eine deutsche Beteiligung an UN-Kampfeinheiten ausgeschlossen habe, dafür gebe es gute und nachvollziehbare Gründe.