Europaparteitag Grüne wollen gerechte Reformen

Die Grünen wollen bei den anstehenden schmerzhaften Sozialreformen für mehr Gerechtigkeit kämpfen und sich dabei als Reformmotor der Bundesregierung beweisen.

"Wir treiben die Reformen voran", sagte Parteichefin Angelika Beer am Freitag zum Auftakt des dreitägigen Grünen-Parteitags in Dresden. Das Treffen der mehr als 650 Delegierten war belastet von einer Kontroverse um die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die Parteispitze bemühte sich, den Konflikt mit dem linken Flügel zu entschärfen.

Beer warnte vor "Entsolidarisierung"

Im Mittelpunkt des Europa-Parteitags steht am Samstag die Aufstellung der Kandidatenliste zur Europawahl am 13. Juni 2004. Mit Spannung wird das Abschneiden der intern umstrittenen Beer erwartet. Für ihre kämpferische Eröffnungsrede erhielt sie langen Applaus. Den USA warf die langjährige Wehrexpertin vor, mit dem Irak-Krieg den Terrorismus in der Region befördert zu haben. Beer warnte vor einer "Entsolidarisierung" in der Gesellschaft. "Wir müssen uns dem Teufelskreis aus sinkenden Investitionen, steigender Arbeitslosigkeit, hohen Lohnnebenkosten und steigender Staatsverschuldung stellen." Der Union warf Beer vor, eine Politik "einseitig auf Kosten der sozial Schwachen" zu betreiben. "Das ist der Unterschied zwischen Sozialumbau und Sozialabbau."

Zuwanderungsgesetz verteidigt

Im Streit um das rot-grüne Zuwanderungsgesetz warf Beer der Union Rechtspopulismus vor. Die "empörende Dauerblockade" durch CDU/CSU im Bundesrat unterstreiche "die rechtspopulistischen Züge der Union". Angesichts der Antisemitismus-Affäre um den CDU-Politiker Martin Hohmann forderte Beer die Union auf, sie müsse sich auf dem CDU-Parteitag Anfang kommender Woche in Leipzig "klar und eindeutig vom rechten Rand absetzen".

Fischer dementiere Sehnsucht nach Brüssel

Parallel zum Parteitag kam erneut eine Debatte über die mögliche Zukunft von Außenminister Joschka Fischer als EU-Chefdiplomat auf. Fischers langjähriger Weggefährte Daniel Cohn-Bendit sagte der Zeitung "Die Welt" (Freitag): "Joschka wechselt nach Brüssel, wenn wir die Bundestagswahl 2006 gewonnen haben. 2007 oder 2008 ist es soweit." Fischer, der wegen der EU-Regierungskonferenz in Italien nicht an dem Parteitag teilnahm, sagte dazu in Neapel: "Ich weiß nicht, wie er dazu kommt. Meine Position ist das nicht."

Neuauflage von "Ran an die Reichen"

Zahlreiche Redner forderten die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Die Parteilinke um Umweltminister Jürgen Trittin, die frühere Parteichefin Claudia Roth und Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele will Privatvermögen sowie Betriebsvermögen ab bestimmten Freibeträgen mit einer einprozentigen "Millionärssteuer" belegen. Der Bundesvorstand will dagegen Betriebsvermögen schonen, um eine Substanzbesteuerung und eine übermäßige Belastung des Mittelstandes zu vermeiden. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer setzte auf einen Kompromiss. "Wir werden uns nicht an diesem entscheidenden Punkt auseinander dividieren." Ströbele sagte, es gebe "sicher nicht den großen Streit".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Beer soll ins Europaparlament

Optimistisch zeigte sich Bütikofer über die Aussichten von Beer, einen vorderen Listenplatz für die Europawahl zu erringen. Die Chancen stünden "über 50 Prozent". Die 46-Jährige hatte im Sommer angekündigt, dass sie zu Gunsten eines Mandates im Europaparlament auf eine erneute Kandidatur für die Parteispitze Ende 2004 verzichten will. Beer gilt an der Parteibasis nach mehreren als ungeschickt gewerteten Auftritten als umstritten. Für Platz eins und zwei der Liste gelten die niedersächsische Fraktionschefin Rebecca Harms und der Europa-Parlamentarier Cohn-Bendit als gesetzt. Die Grünen wollen 25 Kandidaten aufstellen und erhoffen sich mindestens zehn bis zwölf Mandate.

DPA