Sachsen und Brandenburg haben gewählt. Die Landtagswahlen waren ein Tornado, aber kein Volkssturm: Die jeweiligen Regierungsparteien CDU und SPD konnten trotz klarer Verluste als Sieger hervorgehen (lesen Sie hier alle Hintergründe). Und doch hat der Urnengang mit einigen Gewissheiten aus vergangenen Jahren aufgeräumt. Vier wichtige Erkenntnisse aus den Wahlen – und ein Umstand, über den sich alle freuen dürfen.
1. CDU und SPD können noch Wahlen gewinnen, aber ...
Sowohl Michael Kretschmer (CDU) in Sachsen als auch Dietmar Woidke (SPD) in Brandenburg konnten trotz klarer Verluste als Sieger aus den Landtagswahlen hervorgehen. Gemessen an den unheilvollen Umfragen aus vergangener Wochen fuhren die beiden amtierenden Ministerpräsidenten jeweils sogar einen großen Erfolg ein. Beiden ist es gelungen, ihre Parteien – trotz des Unmuts über Berlin – gegen eine erstarkte AfD zu behaupten und die verhaltenen Umfragewerte vor allem im Schlussspurt zu ihren Gunsten zu drehen. Wie sie das gemacht haben, könnte aber auch auf bundespolitischer Ebene für Diskussionen sorgen: Kretschmer suchte im Wahlkampf die Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und spricht sich für eine Lockerung der Sanktionen aus, Woidke sieht eine CO2-Besteuerung durchaus kritisch. Damit vertreten sie konträre Positionen zu ihren Bundesparteien – und waren damit erfolgreich.
2. Klassische Regierungsbündnisse werden seltener
Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg unterstreichen einen Trend, der sich auch schon bei den Bremer Bürgerschaftswahlen gezeigt hat und immer wieder im "Deutschlandtrend" andeutet: Klassische Zweierbündnisse dürften in Zukunft nicht mehr so einfach zustande kommen. Sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg werden drei Parteien nötig sein, um eine solide Regierungsmehrheit (abseits der AfD) zu bilden. Die Zeiten eines starken Wahlsiegers plus einem Mehrheitsbeschaffer könnten bald der Vergangenheit angehören – immer mehr Parteien tummeln sich im Bereich zwischen 15 und 30 Prozent. Das wird neue Diskussionskulturen zur Folge haben und mehr Kompromissbereitschaft erfordern. Die Bildung einer Koalition wird daher nicht unbedingt leichter. Aber worum geht es in einer Demokratie? Nicht zuletzt um den Kompromiss.
3. Nur ein kleines grünes Wunder
Die Grünen hatten bislang keinen guten Stand in den ostdeutschen Bundesländern. In der Vergangenheit mussten sie oft um den Einzug ins Parlament bangen. Nun gehören sie, neben der AfD, zu den Gewinnern dieser Wahl. In beiden Ländern legte die Partei bei den Wählerstimmen zu und dürfte für die Bildung einer Koalition jenseits der AfD unentbehrlich sein. Dennoch: Die Partei blieb hinter den hohen Erwartungen, die aktuell besonders auf bundespolitischer Ebene (laut Sonntagsfrage aktuell zwischen 22 und 23 Prozent) herrschen, deutlich zurück. So lagen die Grünen in Brandenburg zeitweise fast gleichauf mit der SPD. Im Zuge dessen erklärte Spitzenkandidatin Ursula Nonnenmacher ihre Bereitschaft, Ministerpräsidentin zu werden. Dieser Höhenflug blieb den Grünen verwehrt. Der Jubel bei den Bundeschefs Annalena Baerbock und Robert Habeck dürfte daher auch verhalten gewesen sein: Nur auf gute Umfragewerte können sich die Grünen offenbar noch nicht verlassen.
4. Die AfD löst Die Linke als Regionalpartei Ost ab
Die Linke geht als größter Wahlverlierer hervor. In beiden Ländern hat die Partei deutlich verloren, ihr Wahlergebnis aus der letzten Wahl fast halbiert. Es dürfte ein schwacher Trost sein, dass die Linke zumindest in Brandenburg weiter regieren dürfte – derzeit scheint ein Rot-rot-grünes Bündnis realistisch. Die AfD scheint der Linken als Ost- und und Protestpartei den Rang abgelaufen zu haben. Tausende Wähler wechselten in Sachsen und Brandenburg vom linken zum rechten Rand. Aber auch zu den Wahlsiegern von CDU und SPD – womöglich eine taktische Wahl, um eine noch stärkere AfD zu verhindern. Auch das dürfte ein schwacher Trost sein, konnte Die Linke selbst offenbar nicht genug überzeugen.
5. Ein Grund zur Freude
All das, in Summe, zeigt: Die Demokratie ist vital. In beiden Bundesländern lag die Wahlbeteiligung nach Auszählung aller Wahlkreise deutlich über den Ergebnissen der vergangenen Jahre – in Sachsen bei 66,6 Prozent (2014: 49,1 Prozent) und in Brandenburg bei 61,3 Prozent (47,9 Prozent). "Der Osten ist so politisiert wie seit der Wendezeit nicht mehr", meint Peter Dausend von "Zeit Online". Die extreme Polarisierung mobilisierte besonders bisherige Nichtwähler, die vor allem für die AfD stimmten. Für die anderen Parteien keine gute Nachricht – aber: In beiden Ländern sprachen sich immer noch rund drei Viertel gegen die Rechtspopulisten aus. Und was die Nichtwähler-Wanderung zur AfD auch zeigt: Die Partei scheint es geschafft zu haben, die bisher schweigende Mehrheit zum Urnengang zu bewegen. Diese Erkenntnis kann auch eine Chance sein.
Quellen:"Tagesschau", "evangelisch.de", RBB, "wahlrecht.de", Wählerwanderung (Sachsen / Brandenburg), "Zeit Online"