Nach Anti-Israel-Protesten Merkel und Gauck versichern jüdischer Gemeinde Solidarität

Nach pro-palästinensischen Demonstrationen haben Joachim Gauck und Angela Merkel der jüdischen Gemeinde ihre Solidarität versichert. Doch nicht jeder sieht in den Protesten einen neuen Antisemitismus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die antisemitischen Parolen bei Kundgebungen in deutschen Städten gegen Israels Gaza-Offensive verurteilt. Solche Äußerungen seien ein "Angriff auf Freiheit und Toleranz und der Versuch, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu erschüttern", zitierte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch die Kanzlerin. "Dies können und wollen wir nicht hinnehmen."

Bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin, Frankfurt und anderen Städten waren Parolen wie "Jude, Jude, feiges Schwein - komm heraus und kämpf allein" gerufen worden. Befürchtet wird, dass es in den nächsten Tagen auf bereits genehmigten Kundgebungen zu weiteren Schmähungen kommt. Die Polizei kündigte ein härteres Vorgehen an.

Merkel ließ zugleich versichern: "Wir werden weiter für die Sicherheit jüdischer Bürger eintreten." Die gesamte Bundesregierung freue sich über das "wiedererstarkte lebendige jüdische Leben" in Deutschland. Weiter sagte Streiter: "Die Sicherheitsbehörden nehmen jeden Übergriff auf jüdische Einrichtungen und gegen Personen sehr ernst. Antisemitische Straftaten werden konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt." Zu Details wollte die Bundesregierung keine Stellung nehmen.

Gauck versichert Solidarität

Bundespräsident Joachim Gauck hat dem Zentralrat der Juden nach den jüngsten antisemitischen Parolen bei verschiedenen Kundgebungen Deutschlands Solidarität versichert. Dies teilte der Zentralrat nach einem Telefonat zwischen dem Staatsoberhaupt und Zentralrats-Präsident Dieter Graumann am Mittwoch mit. Gauck habe der jüdischen Gemeinschaft "mit sehr klaren Worten versichert, dass er in diesen Zeiten sehr nahe bei ihr ist und ihre Sorgen sehr ernst nimmt", sagte Graumann. "Für dieses Engagement haben wir von Herzen zu danken."

Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat nach den jüngsten Vorfällen den in der Bundesrepublik lebenden Juden ihre Solidarität bekundet. "Es beschämt mich, dass Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land auf offener Straße angegriffen werden und um ihre Gesundheit und auch um ihr Leben fürchten müssen", schrieb der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, in einem am Mittwoch veröffentlichten Brief an den Zentralrat der Juden in Deutschland.

"Mein Erschrecken, mein Mitgefühl und meine Solidarität möchte ich Ihnen persönlich und allen Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land gegenüber zum Ausdruck bringen", heißt es in dem Brief. Die EKD verurteile jede Form von Antisemitismus und Rassismus aufs schärfste.

Kein neuer deutscher Antisemitismus

Der Historiker und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz sieht angesichts der jüngsten Demonstrationen gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen keinen wachsenden Antisemitismus in Deutschland. "Ich sehe überhaupt keine neue Qualität", sagte der frühere Direktor des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Am Rande einer Demonstration in Berlin seien antisemitische Parolen skandiert worden. "Seltsame Leute" hätten "blödsinnige Parolen" gerufen. Deshalb von judenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland zu sprechen, "halte ich für übertrieben", so Benz.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Die israelische Regierung habe Interesse daran, "dass jede Kritik an ihren Handlungen als Antisemitismus verstanden wird", sagte er. "Aber nicht jeder, der den Gaza-Krieg missbilligt und Mitleid mit getöteten oder verletzten palästinensischen Zivilisten hat, ist deshalb ein Antisemit." Natürlich gebe es in Deutschland Antisemitismus. "Das ist beklagenswert. Aber es ist ein konstanter Bodensatz in der Gesellschaft und keineswegs eine Lawine, die größer und größer wird."

DPA
amt/DPA/AFP