Aussagen von Habeck und Scholz Die Gaspipeline Nord Stream 2 könnte das erste große Zoff-Thema der Ampel werden

Bei Olaf Scholz (l.) und Robert Habeck droht erster Ampel-Krach
Bei Olaf Scholz (l.) und Robert Habeck droht erster Ampel-Krach
©  Ina Fassbender / AFP
Mit dem zuspitzenden Konflikt in der Ukraine rückt auch die Gaspipeline Nord Stream 2 wieder in den Fokus. Kanzler Scholz will das "privatwirtschaftliche Projekt" nicht mit Politik verknüpfen – sehr zum Unmut der Grünen. Es droht erster richtiger Ampel-Zoff.

Olaf Scholz wird geahnt haben, wie seine Worte aufgefasst werden. "Ganz unpolitisch" werde eine Behörde in Deutschland über die Betriebserlaubnis für Nord Stream 2 entscheiden. Die Gaspipeline sei "ein privatwirtschaftliches Vorhaben", sagte der neue Bundeskanzler am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Dort hatten zuvor Vertreter von Ländern wie Polen, Lettland und Litauen deutlich gemacht, dass sie sich eine Verknüpfung von Nord Stream 2 und dem neu aufflammenden Konflikt in der Ukraine sehr wohl wünschen würden. Russland hat an der Grenze zum Nachbarland Soldaten aufgefahren, eine neue Eskalation droht. Die auch für Moskau sehr wichtige Gaspipeline könnte ein Druckmittel des Westens sein.

Zwar mag SPD-Mann Scholz formal recht haben: Die Bundesnetzagentur entscheidet über die Zulassung. Auch seine Formulierungen sind dicht an denen seiner Vorgängerin Angela Merkel. Dennoch: Die Gaspipeline ist das wohl umstrittenste Projekt in Europa der vergangenen Jahrzehnte. Vor allem die USA, die gerne ihr eigenes Flüssiggas nach Europa liefern wollen, aber auch mehrere EU-Staaten befürchten eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas in Europa. Im Konfliktfall wäre man erpressbar, so die Befürchtung.

Nord Stream 2 und der erste große Zoff

Dass Scholz also die Hoffnungen der kleinen Länder im Osten derart klar abwiegelte, sorgt für den ersten größeren Unmut in der noch jungen Regierung. Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gegensätzlich zu Scholz. Zwar werde nach Recht und Gesetz entschieden, aber: "Eine andere Frage ist, was passiert, wenn Russland die territoriale Integrität der Ukraine weiter verletzt und die Lage eskaliert." Jede weitere militärische Aggression könne nicht ohne scharfe Konsequenzen bleiben. "Da kann es keine Denkverbote geben." 

Während der Kanzler eine Verknüpfung der Ukraine-Krise mit der Pipeline ausschließt, droht der Wirtschaftsminister mehr oder minder offen mit einer Stilllegung des Projektes, sollte Russland sich noch aggressiver Verhalten. Es ist das erste große Thema, bei dem Grüne und SPD derart offen ihre Meinungsverschiedenheiten ausleben. 

Noch deutlicher wurde der grüne Europa-Politiker Reinhard Bütikofer. "Es ist belämmernd, dass immer noch das Ammenmärchen von Nord Stream 2 als einem ’privatwirtschaftlichen’ Vorhaben verbreitet wird", sagte er dem "Tagesspiegel". Wenn es in Europa in den letzten zehn Jahren "ein geostrategisch hoch heikles Projekt" gegeben habe, dann sei das die Doppelröhre durch die Ostsee.

Konfliktlinien zwischen SPD und Grünen waren klar

Nun ist nicht neu, dass Grüne und SPD hier uneins sind. Bereits während der Regierungsbildung war die Pipeline als eines der Konfliktthemen in der Ampel ausgemacht worden. Immer wieder haben sich Grünenpolitiker kritisch über das Projekt geäußert. Man begebe sich in eine zu enge Abhängigkeit zum zunehmend aggressiven Russland. Die SPD verwies auf der anderen Seite gern darauf, dass selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges stets verlässlich Gas aus Russland in Deutschland ankam. 

Die Ausgangslage war also klar. Doch dass das Thema so schnell in den Fokus rücken würde, konnte keiner voraussehen. Erst kam das deutliche Urteil im sogenannten Tiergartenmord-Prozess unter der Woche. Der Richter hatte dort von russischem "Staatsterrorismus" gesprochen, Außenministerin Annalena Baerbock fand im Anschluss sehr scharfe Worte in Richtung Russland und wies faktisch zwei Diplomaten aus. Dazu die massiv gestiegenen Spannungen im Ukraine-Konflikt. 

Die EU hatte Russland auf ihrem Gipfel für den Fall eines Angriffs auf die Ukraine geschlossen mit Vergeltung gedroht. In einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs heißt es, Russland müsse dringend die Spannungen entschärfen, die durch den Aufmarsch von Truppen an der Grenze zur Ukraine und aggressive Rhetorik entstanden seien. Jede weitere militärische Aggression werde "massive Konsequenzen und hohe Kosten" zur Folge haben.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Immer wieder wird auch über eine mögliche Stilllegung der Pipeline für solche Konsequenzen spekuliert. Das wird trotz der für seine Verhältnisse sehr deutlichen Aussagen von Scholz auch nicht ganz vom Tisch sein, zumindest, wenn Russland in der Ukraine weiter an der Eskalationsschraube dreht. Zumal mit dem Wirtschafts- und dem Außenministerium zwei relevante Ministerien ja neuerdings in grüner Hand sind.

Quellen: Nachrichtenagentur DPA, "Tagesspiegel"