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Staatssekretärin in Berlin "Wir haben verlernt, andere Meinungen zu ertragen": Sawsan Cheblis mühsamer Kampf für Integration

Staatssekretärin in Berlin: "Wir haben verlernt, andere Meinungen zu ertragen": Sawsan Cheblis mühsamer Kampf für Integration
"Wir haben eine Islam-Obsession", sagt Sawsan Chebli und meint damit: "Wir Deutsche". Die Geschichte eines Abnutzungskampfes um das Selbstverständnis einer Nation.

"London hat einen muslimischen Bürgermeister. Wäre das nicht auch was für Berlin, Frau Chebli?"

Sawsan Chebli, Muslimin, bis zu ihrem 15. Lebensjahr staatenlos, seitdem Deutsche, seit 2016 Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement im rotrot-grünen Berliner Senat, hatte amüsiert geschaut, aber auch ein klein bisschen erschrocken. Vision? Oder Provokation? Eine kurze Pause war beim Interview mit dem stern entstanden. Bis ihr Sprecher schließlich sagte: "Ich glaube nicht, dass Michael Müller konvertiert."

Für alle, die das gerade nicht parat haben: Müller ist derzeit Regierender Bürgermeister von Berlin. Ein Sozialdemokrat. Cheblis Chef.

Staatssekretärin Sawsan Chebli: Streitbar, deutsch und hochtalentiert
Dezente Eleganz: Sawsan Chebli 2017 auf dem Weg zur Totenmesse für Helmut Kohl in der Berliner Hedwigs-Kathedrale
© Michael Kappeler/DPA

Sawsan Chebli: Reizfigur und gern genommener Talkshow-Gast

Und Chebli selbst? Staatssekretärin, wie gesagt. Sozialdemokratin. Dem Boulevard aufgefallen mit einer Rolex am Arm. Vor allem aber: Reizfigur einer auseinanderdriftenden Gesellschaft, gern genommener Talkshow-Gast, wenn der Kampf der Kulturen mal wieder Konjunktur hat.

Sie hatte gelacht, damals. Erleichtert über die Schlagfertigkeit ihres Mitarbeiters; von seiner Bemerkung, die sie sich als Antwort auf die knifflige Journalistenfrage zu eigen machte: "Das ist doch gut so, das können wir nehmen."

Aber so gut war es dann doch nicht. Oder andersherum: Es war eher zu gut.

In weiter Ferne so nah: Chebli 2014 bei einem Besuch des damaligen Außenministers Steinmeier in Doha, sie war seine Stellvertretende Sprecherin
In weiter Ferne so nah: Chebli 2014 bei einem Besuch des damaligen Außenministers Steinmeier in Doha, sie war seine Stellvertretende Sprecherin
© Bernd von Jutrczenka/DPA

Das Interview ist nie erschienen. Es ist üblich bei Gesprächen mit Politikern in Deutschland, dass die endgültige Textfassung vor der Veröffentlichung freigegeben wird. In der autorisierten Fassung des Chebli-Interviews waren Frage und Antwort komplett gestrichen – was absolut unüblich ist. Andere, zuvor eigentlich lebendige Passagen lasen sich plötzlich so dröge wie ein Text zur Datenschutzgrundverordnung. Kurz: Der Apparat hatte gesiegt, unter Zuhilfenahme einer Überdosis Sedativum, ganz ähnlich wie damals bei Randle McMurphy in "Einer flog über das Kuckucksnest". Dem hatte man die Persönlichkeit auch aus dem Leib operiert.

Chebli war heruntergedimmt worden auf das Niveau eines Sprechautomaten.

"Es tut mir leid", hatte sie danach gesimst, was man ihr glauben darf, denn das ist ganz und gar nicht die Rolle, die sie für sich vorgesehen hat.

Das war im April 2018. Ungefähr zu jener Zeit, als der damals recht frische Bundesinnenminister Horst Seehofer in einem "Bild"-Interview zu Protokoll gab, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, was Chebli explizit auch auf sich bezog, Seehofer aber so nicht verstanden wissen wollte. Es gibt Fotos von den beiden. Chebli ganz nah bei Seehofer. Es scheint, als flüsterte sie ihm ins Ohr: "So läuft das nicht."

Seitdem ist viel passiert. Geändert hat sich nichts.

Vorbild sein. Sichtbar sein.

Dies ist die Annäherung an eine Frau, die es sich und ihrer Umgebung und irgendwie dieser Gesellschaft nicht leicht machen will. Der Satz lässt sich auch umdrehen. Diese Gesellschaft will es jemandem wie Sawsan Chebli nicht leicht machen.

Bisweilen trägt das Rangeln um Status, um Rolle und Position Züge eines Abnutzungskampfes, ziemlich verbissen geführt von verschiedenen Seiten.

Sawsan Chebli, 40, ist entschlossen, diesen Kampf zu führen. In ihrem eigenen Interesse. Sie macht ihn aber auch zum Stellvertreterkrieg für eine ganze Generation von Migrantinnen. Nicht immer ist beides voneinander zu trennen.

Es gibt in der deutschen Politik derzeit kaum jemanden, der so ambitioniert ist wie Sawsan Chebli, von Jens Spahn und Kevin Kühnert vielleicht mal abgesehen. Der eine ist kürzlich zwar bei dem Versuch gescheitert, CDU-Vorsitzender zu werden, hat es aber schon mal zum Gesundheitsminister gebracht, der andere hat als Juso-Chef die SPD an den Rand der Selbstzerstückelung geführt. Immerhin. Chebli aber steckt fest in ihrem Berliner Staatssekretärinnen-Dasein wie in einem zu eng geschnürten Korsett.

In großer Nähe so fern: Chebli 2018 mit Bundesinnenminister Horst Seehofer, nachdem der gesagt hatte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland
In großer Nähe so fern: Chebli 2018 mit Bundesinnenminister Horst Seehofer, nachdem der gesagt hatte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland
© Gordon Welters

Es gibt genug, die finden: Schon das ist zu viel. Chebli sieht das anders. Einmal sagt sie in einem Gespräch: "Ich möchte nicht ständig das Gefühl haben, dankbar sein zu müssen." Sie hält, mit Verlaub, ihr Talent für verschwendet.

Sie könnte, als zweitjüngstes von 13 Kindern eines über Jahre nur geduldeten Palästinensers, an weit wichtigerer Stelle Vorzeigemigrantin einer einwanderungswilligen Gesellschaft sein. Und sie ist sicher – da hätten alle was davon: die deutsche Sozialdemokratie, die Frauen, die Migranten, das ganze Land. Und sie selbst? Natürlich auch.

Vorbild sein. Sichtbar sein. Zeigen, dass Menschen, die Ali mit Vornamen heißen oder Sawsan, erfolgreich sein können. Nicht: auch erfolgreich. Sondern: erfolgreich.

Seele unseres Landes

Stattdessen: ist sie Farbtupfer im Roten-Rathaus-Team des Technokraten Müller mit Ausreißern auf der Aufmerksamkeitsskala. Das ist in etwa so, als ob Mesut Özil bei Türkiyemspor kicken würde, Berlin-Liga. Zu Özil kommen wir später.

Ein Dienstag im Juni. Berlins tiefer Osten, Wuhlheide, FEZ-Berlin, Europas größtes gemeinnütziges Kinder- und Jugendzentrum. Das Bezirksamt von Treptow-Köpenick hält eine "Fachtagung Vielfalt 2018" ab, und Chebli ist eingeteilt für den "Impulsvortrag". Das ist ihr Job. Sie tut das gern. Aber man wird den Eindruck nicht los: So ganz ihre Welt ist das hier nicht.

Große Oper: Chebli 2017 mit ihrem Mann Nizar Maarouf bei einer Gala für die Deutsche Aids-Stiftung
Große Oper: Chebli 2017 mit ihrem Mann Nizar Maarouf bei einer Gala für die Deutsche Aids-Stiftung
© S. Brauer/Brauer Photos

Das FEZ stammt aus Zeiten, als man beim Beton noch nicht gespart hat. 13.000 Quadratmeter, ein Klotz. Es wirkt wie eine überdimensionierte Raumstation, auf die man an diesem Tag 70 Wohlmeinende geschossen hat, fernab von jenem Berlin-Mitte-Kosmos, in dem der Kampf der Kulturen längst wieder auf vollen Touren läuft. Es ist, bei aller Wertschätzung, ein Nebenschauplatz. Das Publikum – gutwillig. Ganz auf ihrer Seite.

Oh Gott, sagt Chebli, als sie hört, dass der Vortragssaal eigentlich 500 Leute fasst, man aber die Anwesenden gebeten hat, sich in der Mitte zu versammeln.

Dann legt sie los. Mit unverdrossener Routine. Karteikarte für Karteikarte, mitten hinein in ihr Lebensthema, das Zusammensein der Kulturen: "Wir sind an einem neuralgischen Punkt unseres Selbstverständnisses als Nation angekommen. Es geht um die Seele unseres Landes."

Wir. Uns.

Als der Boxer Muhammad Ali, "The Greatest of All Times", von Studenten einmal um ein Gedicht gebeten wurde, da antwortete er: "Me. We."

Kampf um Integration

Sawsan Chebli will dieses "Wir" auf keinen Fall denen überlassen, die gern aussortieren würden nach Hautfarbe, Herkunft, Glauben, Wurzeln. Es ist der Kampf um die Definitionshoheit in dieser Gesellschaft. Es ist ihr "Me. We.".

Chebli fightet darum, wer genau zu diesem "Wir" dazugehören darf. Es ist der Kampf um Integration, ohne dabei die eigenen Wurzeln aufgeben zu müssen. Doch, das geht, ist Chebli überzeugt. Sie ist gläubig. Sie betet. Sie fastet. Sie isst kein Schweinefleisch. Sie trinkt keinen Alkohol. Sie ist eine deutsche Muslimin, sogar eine "sehr deutsche", wie sie selbst findet. Beten während der Dienstzeit kommt nicht infrage. Das verlegt sie in den Feierabend, was auch so ein deutsches Wort ist, an dieser Stelle aber nicht recht passen will.

Verdammt noch mal. Das könnte doch genügen.

Tut es nicht. Der Kampf um die Definitionshoheit der Gesellschaft ist rational nicht zu gewinnen. Chebli weiß das. Und manchmal hat man den Eindruck, je aussichtsloser er ihr erscheint, desto hingebungsvoller verbeißt sie sich. Es fühle sich für sie an, sagt sie einmal, als müsste sie sich "das Deutschsein ständig neu erkämpfen". Sie ist da sensibel geworden. Sie ist der Fragen müde, wo denn die Eltern geboren seien. Sie kann die Situationen nicht mehr zählen, in denen sie auf Englisch angesprochen worden ist. Sie würde gern "in einer Gesellschaft leben, in der es nicht auf Herkunft ankommt", in der der Einzelne verschiedene Identitäten in sich tragen kann. Für manche ist das eine Zumutung.

In einem gemeinsamen "FAZ"-Interview mit ihrem Chef Michael Müller fällt der Satz, der sie wohl auf immer stigmatisieren wird. Sie erklärt die Scharia mit dem Grundgesetz für absolut kompatibel. Jedenfalls ist es das, was hängen bleibt – und man fragt sich, wo der Apparat eigentlich damals war, als dieses Interview autorisiert wurde. Schon im Feierabend?

Die vollständige Passage lautet: "Warum wird das immer als Widerspruch konstruiert? Alle reden über die Scharia, aber kaum jemand weiß, was Scharia bedeutet. Scharia heißt auf Deutsch: Weg zur Quelle, also der Weg zu Gott. Sie regelt zum größten Teil das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen. Es geht um Dinge wie das Gebet, um Fasten, um Almosen. Das stellt mich als Demokratin doch vor kein Problem im Alltag, sondern ist absolut kompatibel, wie es für Christen, Juden und andere auch der Fall ist."

Ausgegrenztsein

Weiter vorn im Interview sagt sie: "Auch Muslime hungern nach mehr Demokratie." Aber das geht irgendwie unter. Passt nicht ins Bild. "Wir haben eine Islam-Obsession", sagt sie einmal auf dem Rücksitz ihres Dienstmercedes.

Im WM-Sommer ist sie auf Özils Seite. Okay, sein Trikot-Foto mit dem Potentaten Erdogan war ein Fehler, der Abgang fragwürdig, der Mangel an Selbstkritik schade. Özils Rückzug aus der Nationalmannschaft aber erklärt sie zum "Armutszeugnis" für Deutschland. Chebli macht daraus eine Frage der Identität. "Werden wir jemals dazugehören? Meine Zweifel werden täglich größer", twittert sie. "Darf ich das als Staatssekretärin sagen? Ist jedenfalls das, was ich fühle. Und das tut weh."

Da ist es wieder – das "Wir".

Aber diesmal ist es ein ganz anderes "Wir". Es ist ein Distinktionsmerkmal. Sawsan Chebli fühlt sich in diesem Moment dem Staat nicht (mehr) zugehörig, den sie repräsentieren soll.

Darf man das so sagen?

Noch Wochen später postet Chebli ein Video von einem gelungenen Özil-Dribbling im Arsenal-Trikot. Man glaubt ihr den Weltschmerz, die Wut. Wenn man mit ihr in diesen Wochen redet, dauert es nicht lange, und ihre Neffen kommen dazu, nicht in persona, als Argumentationsfiguren – sie sind die blutsverwandten Zeitzeugen für dieses ewig identitätsbestimmende Gefühl des Ausgegrenztseins. "Die haben schon fast abgeschlossen."

Sie führt gern Familienmitglieder an für sie passender Stelle in die politische Debatte ein: den inzwischen verstorbenen Vater, dem sie trotz fehlender Deutschkenntnisse eine größere Integrationsleistung attestiert "als vielen Funktionären der AfD", was man zumindest als unglückliche, vor allem aber als polemische Wortwahl werten kann. Die kopftuchtragende Mutter, die besorgt die zunehmenden Anfeindungen einer immer islamkritischeren Gesellschaft registriert.

Chebli wehrt sich Chebli-typisch

Vater. Mutter. Viele Kinder. Oft nicht einfach, manchmal hart. Immer ungerecht. Das ist die Erzählung, die Chebli präsentiert. Ein bisschen genauer? Lieber nicht. Es langt doch auch so, für das Bild, das man sich von ihr machen soll.

Es ist die Kulisse einer Aufsteigerbiografie, wie sie sich sozialdemokratischer nicht erträumen ließe, die Sawsan Chebli da für die Öffentlichkeit aufgestellt hat. Wo immer sie auftaucht, schwingt diese Biografie mit: die Enge der Dreizimmerwohnung im einstigen Berliner Arbeiterviertel Moabit, die Zuflucht in die Religion ("Bis zu meinem elften Lebensjahr wusste ich nicht einmal, dass ich Sunnitin bin"); sodann: ihr Aufstieg, das Abitur, das Studium der Politikwissenschaften, der Eintritt in die SPD, irgendwann der erste große Karrieresprung, als sie Stellvertretende Sprecherin des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier wird.

Gegen AfD-Politiker wie Jörg Meuthen richtet sich #esreicht. Auf Twitter machen unter diesem Hashtag viele ihrem Unmut über Rassismus und Hetze Luft

Das alles hat die Anlage zur Rocky-Balboa-Geschichte. Die Frage ist: Ist für Chebli schon nach der ersten Folge Schluss?

Es gibt einen Haufen unappetitliches Zeug im Netz, das man über Sawsan Chebli lesen kann, man muss nicht besonders lange danach suchen. Sie ist die ideale Projektionsfläche für alle Islamophoben. Wer immer seinen Hass auf Chebli online auskotzen will, kann sicher sein: Andere kotzen auf der Stelle bereitwillig mit.

Neulich war es wieder so weit. Die Debatte, ob eine Sozialdemokratin eine Rolex tragen darf (Natürlich darf sie! Der Verf.), lief gerade auf vollen Touren. Ein vier Jahre altes Foto hatte im Netz die Selbstgerechten in Wallung gebracht, und Chebli hatte sich Chebli-typisch gewehrt: "Wer von Euch Hatern hat mit 12 Geschwistern in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen & gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntstifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist. #Rolex"

Nehmerqualitäten

Der Schriftsteller Akif Pirinçci, ein Eiferer im Kampf gegen vermeintliche Privilegien von Homosexuellen, Migranten und Frauen in der deutschen Gesellschaft, nutzte sein Blog "Der kleine Akif" daraufhin zu einem Frontalangriff auf Chebli: "Sie ist der fleischgewordene Ausländerbonus, der inzwischen zum reinen Moslembonus umgewandelt worden ist, und die Goldmedaille-Trägerin im Kartell der Steuergeldsäufer im King-Size-Format. Eher schafft das Personal der Hartz-IV-Dokus von RTL Wohlstand für dieses Land als die stets perfekt bis grotesk geschminkte Chebli. Im Gegenteil, die Sippe Chebli muss dem deutschen Steuerzahler seit ihrem Willkommen vor Jahrzehnten zig Millionen gekostet haben."

Woher dieser Hass, diese Verachtung? Eine stern-Anfrage, ob man mal mit ihm über seinen Text zu Chebli reden könne, wird von Pirinçci per Mail äußerst knapp abgelehnt: Nein. Gruß! A.P.

16 Anschläge, da sind die Leerstellen schon mitgezählt. Kein Platz zur Differenzierung. Warum? Zur Feindbilderhaltung?

Auf einer Podiumsdiskussion zur "Digitalen Zivilcourage" sagt Chebli: "Demokratie hat auch ganz viel mit Zumutung zu tun." Und: "Wir haben verlernt, andere Meinungen zu ertragen." Sie aber stürzt sich mit Inbrunst aufs digitale Schlachtfeld, als wollte sie dort ihre Nehmerqualitäten beweisen, wie damals Rocky in seinem ersten Kampf gegen Apollo Creed.

Breitseite Richtung rechts

Vor Kurzem war es wieder so weit. Zum Jahrestag der Wannseekonferenz twittert sie: "Vor 77 Jahren treffen sich Nazis, um zu besprechen, wie man noch effizienter Juden töten kann. Erschreckend, dass heute eine Partei im Bundestag sitzt, die offen gegen Juden, Muslime und andere Minderheiten hetzt und Nazis in ihren Reihen duldet. #Wannsee."

Man muss nicht mit der AfD sympathisieren, um das in seiner twitter-typischen Verkürzung für starken Tobak zu halten, ahistorisch obendrein. Eine volle Breitseite Richtung rechts, schwer verträglich auch mit Cheblis Selbstdiagnose, jemand zu sein, der nicht polarisiere.

Weiß das auch die andere Seite?

Sie weiß es nicht. "Sind Sie irre?", twittert der Innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zurück. "Das ist eine ernst gemeinte Frage! Das ist nicht mehr normal und für eine Staatssekretärin eine unfassbare Äußerung. Wo leben wir hier?"

Der Kampf geht weiter. Sie bekommt weiterhin Mails, Hassbriefe. Ist eine bestimmte Grenze überschritten, erstattet sie Anzeige, in manchen Wochen sind es zwei oder drei, in manchen um die 20.

Verhandlungssache

Vieles davon wird eingestellt, manchmal aber kommt es zur Verhandlung, wie Dienstag vergangener Woche vor dem Amtsgericht Hannover, wo gegen einen 67-jährigen Rentner wegen "Störung des öffentlichen Friedens" verhandelt wurde. Der Mann hatte in einem Schreiben an Chebli Muslime pauschal herabwertend als Schwerstkriminelle dargestellt.

Der Richter verhängte in Abwesenheit des Hetzers einen Strafbefehl über 120 Tagessätze à 30 Euro. Deutschland, im Jahr des Herrn 2019. Sawsan Chebli sagt: "Ich hasse es, in einer Gesellschaft zu leben, wo Menschen nicht zusammenfinden."

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