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Liebe Leserinnen und Leser,
in Berlin sind in dieser Woche Schulferien – und alle sind unterwegs. Meine Chefs fahren Ski, der Bundespräsident besucht die Mongolei und der Kanzler freut sich auf ein Wiedersehen mit einem guten Freund jenseits des Atlantiks. Doch bevor wir dazu kommen, erlauben Sie mir einen schnellen Gruß in die rheinische Heimat: Alaaf und Helau, ihr Jecken!
Sollten sich unter den Beamtinnen im Kanzleramt einige Diaspora-Rheinländerinnen befinden, müssen sie morgen schnell sein. Wer Olaf Scholz zu Altweiber in guter Tradition die Krawatte kürzen will, dem bleibt nur der Vormittag. Denn pünktlich um zwölf Uhr mittags hebt ein A321-Airbus der Luftwaffe vom Regierungsflughafen in Schönefeld ab. Reiseziel: Washington, District of Columbia. An Bord: der Bundeskanzler.
Vorher, unmittelbar vor Abflug, will Scholz noch ein kurzes Statement fürs Fernsehen abgeben. Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, sich diesen Teil der „Tagesschau“ morgen Abend sparen können, hier schon einmal alle Hintergründe der Kanzler-Reise zusammengefasst:
Warum das Ganze? Scholz und US-Präsident Joe Biden telefonieren regelmäßig, würden aber gerne mal wieder persönlich sprechen. Dafür soll am Freitagnachmittag (Ortszeit) Gelegenheit sein. Dazu wird es nette Fotos der beiden aus dem Oval Office geben, eine anschließende Pressekonferenz allerdings nicht.
Worüber sprechen Scholz und Biden? Drei Themen sollen im Mittelpunkt stehen: Die Unterstützung für die Ukraine. Der Krieg in Gaza. Und der Nato-Gipfel im Sommer. Scholz kommt in einer kritischen Zeit. Gerade ist im US-Kongress ein Kompromiss gescheitert, der neue Milliardenhilfen für Israel und die Ukraine sichern sollte.

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Sonst noch was? Schon am Donnerstagabend trifft Scholz Senatoren und Kongressabgeordnete beider Parteien zum Abendessen, darunter sicherlich auch Trump-Anhänger, die die Ukraine-Hilfen kritisch sehen. Am Morgen darauf frühstückt der Kanzler mit Geschäftsführern von US-Unternehmen. Die sind für ein Branchentreffen ohnehin in der Stadt. Scholz hat ihnen eine Botschaft mitgebracht: „Germany is open for business!“
Na hoffentlich. Die wirtschaftlichen Kennzahlen sehen hierzulande schließlich nicht besonders gut aus. Die Umfragewerte des Kanzlers und seiner Partei auch nicht. Warum man Scholz trotzdem niemals nie zu früh abschreiben sollte, hat unser SPD-Experte Florian Schillat kommentiert.
Bei den Genossen sind längst nicht mehr alle so optimistisch wie der geschätzte Kollege. In der SPD-Bundestagsfraktion beobachten sie genau, wie sich einer verhält, der inzwischen als Scholz-Alternative gehandelt wird: Boris Pistorius, der Kanzler der Reserve. Auch er war diese Woche auf Reisen, hat drei Tage auf dem Balkan verbracht und sich bemüht, in keine der diplomatischen Fallen zu tappen, die in der Region schnell eine mittelschwere Krise auslösen können. Wie der Verteidigungsminister mit den Kanzler-Gerüchten umgeht? Meine Kollegin Miriam Hollstein hat Pistorius begleitet.
UNSER DUO DER WOCHE
…sind Robert Habeck und Christian Linder. Es ist nämlich etwas passiert, womit ich ehrlich gesagt in diesem Ampelleben nicht mehr gerechnet hatte. Der grüne Vizekanzler und der liberale Vizevizekanzler sind sich einig. Ja, tatsächlich. Beide finden, dass Unternehmen in Deutschland zu viel Steuern zahlen – und dass man das ändern sollte. Wie es zu dieser Einigkeit in der Problemanalyse kam und warum daraus mitnichten ein gemeinsamer Lösungsvorschlag folgt, hat meine Kollegin Lisa Becke aufgeschrieben.
Immerhin: Auch ein grün-gelbes Power-Selfie bei Instagram gibt es jetzt wieder.
UND SONST SO?
In Paris zahlen Fahrer von schweren Autos in der Innenstadt künftig für eine Stunde Parken 18 Euro statt 6 Euro, in den Außenbezirken 12 statt 4. Wer seinen SUV sechs Stunden innerhalb des Zentrums abstellen möchte, muss gleich mit 225 Euro statt 75 Euro rechnen. Das ist das Ergebnis einer Bürgerbefragung vom vergangenen Sonntag. Mal ganz abgesehen vom Fahrzeugtyp, finde ich: Auch in Deutschland muss Parken in Innenstädten teurer werden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass einige von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, das anders sehen. Schreiben Sie mir! (Mailadresse am Ende dieses Newsletters)
In Berlin ist am Wochenende Bundestagswahl. Nein, kein Testlauf, damit die Verwaltung nicht aus der Übung kommt. Eine echte Wahl. Genauer gesagt: eine Wiederholungswahl. Weil es 2021 in etlichen Wahllokalen nicht ausreichend Stimmzettel gab, weil der Nachschub wegen eines Marathons nicht rechtzeitig durch die gesperrte Stadt kam, und weil mancherorts deshalb bis weit nach 18 Uhr gewählt wurde, dürfen 550.000 Berlinerinnen und Berliner jetzt nochmal ran. Ein bisschen verrückt – und ziemlich gefährlich für die Stimmung in der Ampel. Warum? Das habe ich mir für Sie mal genauer angeschaut.
Untergehen soll auch nicht, dass die Bundesregierung seit dieser Woche eine Kraftwerksstrategie hat. Endlich. Sie soll sicherstellen, dass im klimaneutralen Deutschland der Zukunft das Licht nicht ausgeht, wenn es windstill und nachts dunkel ist. Unser Pulheimer Kraftwerkskorrespondent Rolf-Herbert Peters findet: Das ist eine gute Sache – und unsere letzte Chance.
LAUTER LIEBLINGE
Ihr Highlight der Woche
…ist ein Text zum Bundeshaushalt. Ja, kein Scherz. Auch nach etlichen Artikeln zum Haushaltschaos in der Ampel konnten wir Sie offenbar noch einmal für das Thema begeistern. Das mag daran liegen, dass es in dem Text nicht um schnöde Zahlen geht, sondern um das kurioseste Ritual des Parlaments: Codewort Zirkuspädagoge. Warum man vor der Abstimmung über den Haushalt im Bundestag ganz genau hinhören sollte, erkläre ich Ihnen hier.
Mein Highlight der Woche
…ist mal wieder die Kolumne unseres Chefkorrespondenten Nico Fried. Er beschäftigt sich in dieser Woche mit Künstlicher Intelligenz (KI). Das klingt langweiliger als es ist. Normalerweise lese ich viel über KI im „Handelsblatt“ – und verstehe wenig bis gar nichts. Beim Kollegen Fried aber musste ich lachen. Er hat sich gefragt, wie KI die politische Kommunikation verändert – und Antworten in Indien gefunden. Nach der Lektüre wissen Sie, warum die Freien Wähler nur die richtige Software bräuchten, dann hätte Hubert Aiwanger auch in Schleswig-Holstein eine Chance. Diese KI-Zukunft kann einem schon Angst machen.
Zum Schluss muss ich noch meiner Pflicht nachkommen und mich im Namen von Jan Rosenkranz entschuldigen, der vergangene Woche an dieser Stelle newsletterte. Er schrieb, die Liberalen hätten Strack-Zimmermann „aufs“ Schild gehoben. Inzwischen weiß er wieder, dass es selbstredend DER Schild heißen muss, wie nicht nur Römer, sondern auch Germanen wissen sollten. Unsere klugen Leser Lothar Hillmann aus Buchholz in der Nordheide und Burkhard Brätsch aus Recklinghausen haben den Kollegen netterweise daran erinnert.
Wir wollten auch von Ihnen wissen, auf welchen Streik Sie sich besonders freuen. Leser Günter Jagodzinska aus Aachen antwortete folgendermaßen:
"Ich freue mich auf die Ankündigung der nächsten Gegner des 1. FC Köln (Eintracht Frankfurt / TSG 1899 Hoffenheim / Werder Bremen / VfB Stuttgart / Bayer Leverkusen / Borussia Mönchengladbach) in einen absoluten Torstreik zu treten 🙂“
Ich stelle fest: In Frankfurt hat dieser Streik schon einmal wunderbar geklappt.
Herzliche Grüße und bleiben Sie uns gewogen!
Benedikt Becker
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