Als eine Lehre aus der Weltwirtschaftskrise strebt Russland eine Freihandelszone mit der Europäischen Union an. Vor einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag plädierte Ministerpräsident Wladimir Putin in der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) für eine "harmonische Wirtschaftsgemeinschaft von Lissabon bis Wladiwostok". Putin wurde am Donnerstag in Deutschland erwartet.
"Man soll es offen zugeben: Sowohl Russland als auch die EU erwiesen sich wirtschaftlich als recht anfällig", schrieb Putin in einem Gastbeitrag. "Dies wurde uns mit aller Deutlichkeit durch die Krise vor Augen geführt."
Das rohstoffreiche Russland ist dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) einen Schritt näher gekommen. Die Europäische Union habe mit Moskau die Bedingungen des Beitritts ausgehandelt, teilte die EU-Kommission am Mittwochabend in Brüssel mit.
Die Delegationen erzielten Einigung über strittige Punkte wie Ausfuhrzölle und Eisenbahngebühren. "Beide Seiten sind überzeugt, dass diese Vereinbarung den Beitritt Russlands zu WTO sehr erleichtern wird."
Russlands Unterhändler Maxim Medwedkow plädierte für einen Abschluss der Beitrittsverhandlungen schon im ersten Halbjahr 2011. Russische Unternehmen verlieren nach seinen Angaben rund zwei Milliarden US-Dollar (gut 1,5 Mrd Euro) jährlich, weil das Land nicht von Handelserleichterungen profitierte.
Die EU drängt Moskau seit langem zum Beitritt in die WTO. Allerdings hat der Kreml überhaupt keine Eile, weil vor allem große russische Energiekonzerne den heimischen Markt weiter abschotten wollen.
Neben der Idee einer Freihandelszone schlug Putin eine abgestimmte Industriepolitik mit der EU vor. Sinnvoll seien strategische Allianzen beispielsweise beim Schiffs-, Auto- und Flugzeugbau, bei Weltraumtechnologien sowie in der Medizin- und Pharmaindustrie.
"Es sei hinzugefügt, dass insgesamt der heutige Stand der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU den Herausforderungen, welchen wir gegenüberstehen, eindeutig nicht entspricht", schrieb der Premier. "Wir verfügen über moderne Technologien, Naturressourcen und Investitionskapital. Wir sind gesegnet mit dem einmaligen Leistungsvermögen unserer Menschen."