Auweia, jetzt blecken sie ihre Zähne wohl schon vor Berlin. Am 25. April war das Rudel russischer "Nachtwölfe" in Moskau aufgebrochen, wollte über Weißrussland nach Polen ziehen, von dort über Tschechien nach Österreich und dann schließlich in Deutschland einfallen - nach München, Torgau, in die Hauptstadt. Von den ursprünglich mal 20 "Wölfen" machten sich am vergangenen Sonntag gerade noch zehn über die deutsch-österreichische Grenze bei Bad Reichenhall auf.
Hier geht es aber nicht um angsteinjagende Raubtiere der Art canis lupus, sondern um Mitglieder des russischen Motorrad- und Rockerclubs "Nachtwölfe MC". Die Biker gelten als nationalistisch und homophob, ihr "Präsident" ist Alexander Saldostanow, der früher mal Türsteher im "Sexton" am Berliner Winterfeldtplatz war und heute mit Russlands Präsident Putin befreundet sein soll. Der hatte im Sommer 2012 für eine Fahrt mit den "Nachtwölfen" über die Krim sogar mal den damaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch versetzt und war erst vier Stunden später zum Termin gekommen.
Einreise nicht gestattet
20 dieser "Nachtwölfe" also wollten vom 25. April bis zum 9. Mai mit einer Motorradtour quer durch Europa an den Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland vor 70 Jahren erinnern und der Opfer dieses Krieges gedenken. Solche Fahrten macht der Club im Übrigen schon seit Jahren, ohne dass es zu internationalen Aufregungen gekommen wäre. Jetzt aber wird dieser Rocker-Ausflug zu einer Affäre hochgejazzt, die nicht nur diverse Grenzkontrollstellen beschäftigt, sondern auch Regierungen verschiedener europäischer Staaten, die deutschen Ministerien für Inneres und Äußeres und offenbar sogar das Bundeskanzleramt.
Schon Polen hatte den "Wölfen" die Einreise verweigert, weil sie nicht ausreichend ihre geplante Reiseroute darlegen konnten (oder wollten). Auch ein paar Dutzend slowakischer Intellektueller forderten ihre Regierung auf, den russischen Bikern ebenfalls die Einreise zu verweigern. Andere "Nachtwölfe" reisten daraufhin mit Autos oder Flugzeugen in Polen ein und besuchten mit einheimischen Rockern die Gedenkstätte des ehemaligen KZs Auschwitz. Und am 1. Mai, als drei "Wölfe" mit gültigen Visa am Berliner Flughafen Schönefeld landeten, wurden ihre Papier annulliert - Einreise nicht gestattet, die Biker mussten wieder die Heimreise antreten.
Haben wir keine anderen Sorgen?
Das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt hatten vorher in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, die Fahrt nach Berlin fördere nicht die deutsch-russischen Beziehungen - das Einreiseverbot für führende Mitglieder des Rocker-Clubs wurde mit "Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Deutschland" begründet. Diese Entscheidung des Bundeskanzleramts, kündigte der in Moskau verbliebene "Nachtwölfe"-Anführer Saldostanow daraufhin an, werde man selbstverständlich juristisch anfechten und Schadenersatz verlangen. Inzwischen hat das Verwaltungsgericht im Eilverfahren zwei Rockern die Einreise erlaubt - die geltend gemachten Verweigerungsgründe seien "nicht tragfähig". Der dritte Fall wird noch geprüft - dabei soll es sich um Alexander Saldostanow handeln.
Wie bitte? Haben wir keine anderen Sorgen, als uns mit ein paar Rockern aus Russland zu befassen, die bislang weder durch gewalttätige Rüpeleien noch durch exzessiven Alkoholkonsum aufgefallen sind? Wenn sie sich bislang an die Straßenverkehrsordnungen der bereits durchreisten Länder gehalten haben, werden sie das mit Sicherheit auch bei uns tun, denn die deutsche Regierung droht schließlich damit, notfalls "geeignete polizeiliche Maßnahmen" zu ergreifen.
Der Ausritt der russischen Biker hat jetzt eine Aufmerksamkeit bekommen, die ihm gar nicht zusteht. Darüber werden sich die "Wölfe" am meisten freuen, vielleicht sogar ein wenig ihr großer Freund im Kreml.
Es hätte keine Sau interessiert
Amerikanische Motorrad-Clubs zelebrieren regelmäßig Erinnerungsfahrten für gefallene Kameraden, ohne dass sich gleich höchste Stellen in Washington einschalten. Und selbst die Sozialistische Republik Vietnam hatte nichts dagegen einzuwenden, dass US-Biker ihre Grenze passierten. Dann lasst die russischen "Nachtwölfe" doch auch bei uns in Ruhe. Sollen sie doch den Einmarsch der Sowjet-Streitkräfte im Frühjahr 1945 feiern.
Eine erste Vorhut hat schon in Zeuthen vor Berlin Quartier genommen. Heute Nachmittag wollen sie ihre Maschinen im sächsischen Torgau röhren lassen, wo sich US-amerikanische mit Stalins Truppen an der Elbe trafen. Und wir werden es sogar aushalten, wenn sie mit ihren rot beflaggten Zweirädern in Berlin eintreffen - und am Wochenende am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park einen Kranz niederlegen. Auch wenn es deutlich mehr werden als 20. Na und? Sie sollen ohnehin nur in Kleingruppen bis zu maximal fünf Personen durch die Stadt kutschieren dürfen. Hätte es den ganzen Wirbel vorher nicht gegeben, würde es vermutlich keine Sau mitbekommen.
Die "Nachtwölfe" rütteln nicht an dieser Republik. Sie trollen sich auch wieder. Keine Angst.
Werner Mathes fährt selbst Zweirad, allerdings nicht Harley Davidson, sondern Vespa - in frühen Zeiten sogar mal mit roter Fahne. Sie können ihm auf Twitter folgen: @wernermathes