Wirbel um Euro-Rettung Kohl und Wulff kritisieren Krisenmanagement

Der Bundespräsident schlägt Alarm: Wulff kritisiert scharf die Euro-Feuerwehreinsätze der Europäischen Zentralbank. Altkanzler Kohl fürchtet um sein Europa-Erbe. Und in Berlin fürchten viele Abgeordnete, dass die Regierung den Bundestag umgehen will.

Bundespräsident Christian Wulff hat das Euro-Krisenmanagement von Politik und Europäischer Zentralbank (EZB) scharf kritisiert. "Ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für rechtlich bedenklich", sagte Wulff am Mittwoch. CDU-Altkanzler Helmut Kohl warnte derweil vor einem Zusammenbruch des gemeinsamen Europas und griff damit auch den Kurs seiner Nachfolgerin Angela Merkel an.

Aufregung in Berlin gab es um ein angebliches "Geheimpapier" von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Reform des Euro- Rettungsschirms. Eine Sonderbehandlung Finnlands bei den neuen Griechenland-Hilfen zulasten anderer Euro-Länder lehnte die Bundesregierung klar ab.

Wulff hielt der EZB vor, mit dem Kauf von Anleihen maroder Euro-Länder für über 100 Milliarden Euro sei die Notenbank weit über ihr Mandat hinausgegangen. Dies könne allenfalls übergangsweise toleriert werden, sagte Wulff bei einem Treffen von Wirtschafts- Nobelpreisträgern in Lindau am Bodensee. Normalerweise gilt, dass Politiker die Arbeit der unabhängigen europäischen Währungshüter nicht bewerten.

Das Staatsoberhaupt äußerte auch deutliche Kritik an der Politik vieler Regierungen in der Krise. "Die Versündigung an der jungen Generation muss ein Ende haben." Die Turbulenzen an den Finanzmärkten seien wie ein Domino-Spiel. "Erst haben Banken andere Banken gerettet, und dann haben Staaten Banken gerettet, dann rettet eine Staatengemeinschaft einzelne Staaten. Wer rettet aber am Ende die Retter?"

Viele Bundestagsabgeordnete haben die Sorge, dass die Regierung bei der Erweiterung des Rettungsschirms EFSF die Rechte des Parlamentes aushöhlen könnte. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte im "Handelsblatt", eine Generalermächtigung für den Euro-Rettungsfonds sei ausgeschlossen. Nach seiner Überzeugung müsse der Bundestag "über jede neue Hilfsmaßnahme einzeln und vorher entscheiden, bevor eine Verpflichtung rechtswirksam wird", sagte Lammert der WAZ-Mediengruppe (Donnerstag).

Das Finanzministerium wies die Behauptung zurück, Schäuble betreibe Geheimdiplomatie. Es handele sich um einen ersten Entwurf der Euro-Länder zur vereinbarten Reform des Rettungsschirm EFSF, über den aber noch weiter verhandelt werde. Der Finanzminister sei in besonderer Weise darauf bedacht, den Bundestag frühzeitig zu informieren, betonte ein Sprecher.

In dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Schreiben zum Entwurf sicherte Schäuble den Fraktionen zu, sich bei den Verhandlungen für die "Verankerung weiterer deutscher Anliegen" einzusetzen.

Der Vertrag der 17 Euro-Länder ist auch Grundlage für die deutschen Gesetzespläne zur Umsetzung der Gipfelbeschlüsse vom 21. Juli zur EFSF-Reform. Danach soll der Fonds tatsächlich über ein Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro verfügen. Auch soll er Anleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen können und früher eingreifen. Das Bundeskabinett will am 31. August das Gesetz auf den Weg bringen, Bundestag und Bundesrat sollen bis zum 23. September entscheiden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Im Fall Finnland zog die Regierung eine klare Grenze. Deutschland werde keiner Lösung zustimmen können, die ein einzelnes Land gegenüber allen anderen Ländern bevorteile, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Helsinki hatte mit der griechischen Regierung Extra-Sicherheiten für seine Notkredite ausgehandelt - als einziges Land der Beteiligten am 109 Milliarden Euro umfassenden Rettungspaket für Athen.

Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel muss unterdessen weiter in den eigenen Unionsreihen um Zustimmung für ihren Euro-Kurs kämpfen. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, rechnet aber mit einer Mehrheit von Schwarz-Gelb bei der Abstimmung Ende September: "Es ist zum Ausdruck gekommen, dass niemand zurück zur D-Mark will." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier meinte dagegen, die schwarz-gelbe Koalition biete "ein Bild des Chaos".

Altkanzler Kohl ging mit der Politik seiner Nachfolger im Kanzleramt hart ins Gericht. "Deutschland ist schon seit einigen Jahren keine berechenbare Größe mehr - weder nach innen noch nach außen", beklagte Kohl in einem Interview der Zeitschrift "Internationale Politik". "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen." Deutschland und Europa müssten ihre Verantwortung für die Welt "endlich wieder wahrnehmen".

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Tim Braune und André Stahl, DPA