Vor jeder Halbserie in der Bundesliga wagen wir uns an eine Vorhersage der Tabelle am Ende der Saison. Anders als manche Konkurrenzmedien, die sich in vagen Andeutungen ergehen, waren wir uns nie zu schade, bis auf den genauen Tabellenplatz hin zu tippen, was offensichtlich nicht immer zu präzisen Einschätzungen führt.
Da wir aber Orakel à la "für den FC Augsburg wird es nicht leicht, die Klasse zu halten", als mittagsschlafinduzierend verschmähen, haben wir auch in diesem Jahr wieder den apodiktischen Weg gewählt und jedem Club einen Rang zugewiesen. Und hier kommt unsere Tabelle in der Übersicht.
Platz 18: SC Freiburg
Einfacher geht es kaum. Schon jetzt ist der Sportclub Tabellenletzter mit fünf Punkten Rückstand auf Platz 15. Papiss Demba Cissé ist weg, Heiko Butscher ist weg, Felix Bastians ist in Ungnade gefallen, Trainer Marcus Sorg ist weg. Sein Nachfolger Christian Streich hat bisher wenig vorzuweisen, was ihn als erfolgreichen Bundesligatrainer qualifizieren würde. Ein Verbleiben auf Platz 18 ist so gesehen wahrscheinlicher als eine klare Verbesserung.
Platz 17: FC Augsburg
Positiv: Der FCA war gegen Ende der Hinserie lange nicht mehr so chancenlos, wie man vor der Saison noch hätte glauben können. Für Trainer Jos Luhukay und seine Arbeit spricht zudem, dass sich das Team immer mehr gesteigert hat, und selbst gegen die Bayern dicht vor einem Punktgewinn standen. So weit, so gut. Fakt bleibt aber auch, dass die wenigsten Aufsteiger in der Rückrunde noch zuzulegen haben, und wir sehen nicht, dass Augsburg bessere Karten hätte als die direkte Konkurrenz.
Platz 16: Mainz 05
Man kann im Pokal ausscheiden und froh sein, dass man sich ganz auf die Bundesliga konzentrieren kann. Oder man kann in Kiel ausscheiden. Das Gaz Metan-Déjà-vu-Erlebnis vor Weihnachten zeigte deutlich, wie fragil die Mannschaft von Thomas Tuchel ist, die zudem so viele späte entscheidende Gegentore bekam (Schalke, Dortmund, Nürnberg, Augsburg, Köln), dass der FSV auf Platz sieben stünde, wenn alle Spiele nach 85 Minuten abgepfiffen worden wären. Auch, wenn Adam Szalai nun wieder fit ist: Das wird eine schwere Rückrunde.
Platz 15: Hertha BSC
Eine der umstritteneren Prognosen unter unseren Lesern. Vermeintlich taten wir Hertha mit der kritischen Bilanz des Debakels um Michael Preetz und Marcus Babbel Unrecht. Tatsächlich kann es natürlich sein, dass Michael Skibbe als neuer Coach die Berliner weiter sicher durch die Saison führt. Auch stimmt es, dass die Mannschaft auch unter Babbel zuletzt nicht immer brillierte. Doch Skibbe müsste schon einiges an neuem Schwung bringen, um den Aufsteiger noch in die obere Tabellenhälfte zu bringen, in der sich so manches bessere Team als die Hertha tummelt.
Platz 14: FC Kaiserslautern
13 Tore in dieser Saison. Wie weit muss man in die Tiefe gehen, um eine andere deutsche Mannschaft zu finden, die noch harmloser in der Offensive ist? Antwort: In die Abstiegszonen der Oberligen NRW und NOFV-Süd. Westfalia Herne und der 1. FC Gera 03 sind die einzigen Clubs in den obersten 17 Staffeln der deutschen Ligapyramide, die es noch nicht auf 13 Tore gebracht haben. Und warum steigt der FCK dann nicht ab? Weil das Mannschaftsgefüge stimmt und es im Zweifel auf die Defensive ankommt.
Platz 13: FC Nürnberg
Der Glubb scheint vom Verletzungspech verfolgt, was der Kreuzbandriss von Neuzugang Omar Gonzalez im ersten Training nahelegt. Doch die Qualität im Kader der Franken könnte unter der besonnenen Anleitung von Trainer Dieter Hecking auch in diesem Jahr zu einer befreienden Rückrunde reichen, wofür die Anlagen von Tomas Pekhart im Sturm, die neu verpflichtete Routine von Hanno Balitsch und eine mögliche Leistungssteigerung von Markus Feulner ebenso sprechen wie die Weiterentwicklung, die mit Daniel Didavi ein weiterer Hecking-Profi gerade andeutet.
Platz 12: TSG Hoffenheim
Vor der Saison auf Platz 15 getippt, jetzt auf Platz 12: Sehen wir die TSG inzwischen positiver als im Sommer? Nein, an der grundsätzlichen Einschätzung der Badener hat sich wenig geändert. Zudem verließen noch Chinedu Obasi und Gylfi Thor Sigurdsson den Club. Das kann man als Umbau der Mannschaft begreifen. Oder als weiteren Qualitätsverlust. Man kann aber auch sagen: Es gibt wohl sechs Bundesligisten, die noch schlechter sind als die Elf von Holger Stanislawski.
Platz 11: VfL Wolfsburg
Dass an jedem realen und virtuellen Stammtisch Sprüche über die vermeintlich 50 Neuzugänge gerissen werden, die Felix Magath in der Winterpause in die Autostadt geholt hat: geschenkt. Aber dass die Urheber dieser Witze sich noch für originell halten, verwundert schon eher. Fakt ist: Zu Hause lief das Spiel des VfL in der Hinrunde mehr oder minder erwartungsgemäß. In der Auswärtstabelle steht Wolfsburg aber auf Platz 18. Da Magath und sein Kader die Probleme bisher nicht in den Griff bekamen, versucht der Trainer es nun eben mit maximaler Veränderung. Warum denn nicht? Zumindest Ricardo Rodriguez und Petr Jiracek scheinen das Potenzial zu klaren Verstärkungen zu haben, was eine zwar nicht sensationelle, aber doch leicht verbesserte Rückrunde erhoffen lässt.
Platz 10: FC Köln
Stale Solbakken wurde zu Beginn der Saison schnell verunglimpft. Volker Finke wurde in der vergangenen Saison schnell verunglimpft. Man verunglimpft in der Domstadt ebenso gerne wie man vergöttert. Diese Hopp-oder-Top-Mentalität spiegelt sich aber auch in den Resultaten wider. Hier eine Auswahl dieser Saison: 3-0, 0-3, 1-5, 4-1, 0-3, 0-5, 3-0, 0-3, 4-0, 0-3. Systemfußball sieht jedenfalls anders aus, was auch Solbakken freimütig zugibt. Aber zur Rückrunde kommt Milivoje Novakovic zurück, und wenn man die guten Spiele dann immer gleich klar gewinnt, reicht es auch aus, nur jedes zweite oder dritte Match in den Griff zu bekommen, um am Ende Zehnter zu bleiben.
Platz 9: Hannover 96
Die Europa League könnte in der kommenden Rückrunde die Hannoveraner Konzentration ebenso beeinträchtigen wie die Differenzen in der Führungsetage des Clubs. Doch bevor es in die KO-Spiele geht, stehen vier relativ leichte Bundesligaspiele an, in denen die Roten die Basis für eine entspannte Rückserie legen könnten. Gegen Hoffenheim, Nürnberg, Hertha und Mainz sollten mehr Siege drin sein als die null Erfolge, die Hannover in den letzten sieben Punktspielen einfuhr.
Platz 8: VfB Stuttgart
Der Pokalerfolg vor Weihnachten gegen den HSV sorgte für eine bessere Winterpausenstimmung in Stuttgart, als ein Sieg aus den letzten sieben Punktspielen der Hinserie es eigentlich erlauben sollten. Immerhin hatte der VfB aber die beste Hinrunde seit drei Jahren gespielt und den Zyklus von katastrophalen Herbstserien und Aufholjagden im Frühjahr zunächst gestoppt. Das spricht auch für Bruno Labbadia, der dabei ist, in Schwaben die längste Station seiner Trainerkarriere zu erleben. Dazu gehörte bislang nicht viel, aber es spricht wenig dagegen, dass Stuttgart seinen Tabellenplatz in der Rückserie halten kann.
Platz 7: Hamburger SV
Stuttgart hat seine Achterbahnzeit anscheinend hinter sich. In Hamburg gab es in den letzten Jahren durchaus eine ähnliche Entwicklung, wobei den HSV-Fans, wie von uns schon beschrieben, Platz sieben schon als blamables Scheitern galt, weshalb Armin Veh gehen musste - wenige Monate später stand das Team auf Rang 18. Nun aber holte Frank Arnesen Thorsten Fink an die Elbe, und auf einmal besteht echter Anlass zu Optimismus. Wirklich Platz-Sieben-Optimismus? Warum nicht? Keine der Mannschaften in der unteren Tabellenhälfte der Liga hat einen klar besseren Kader als die Rothosen. Europa ist in dieser Saison wohl illusorisch, und ob es am Ende Platz sieben oder neun oder elf wird, kann man nicht sicher sagen. Schlechter aber wohl nicht.
Platz 6: Werder Bremen
Abgesehen von der Vertragsverlängerung von Thomas Schaaf und Klaus Allofs gab es in der Winterpause für Werder wenige positive Nachrichten. Naldo wollte weg, dann doch bleiben und wurde schließlich von einer Knieverletzung dahingerafft. Die Abhängigkeit von Claudio Pizarro ist eklatant, die Defensive schlechter als die des FC Augsburg und die Leistungen gegen die Topclubs der Liga gemahnten eher an einen Zweitligisten als an einen langjährigen Champions League-Teilnehmer. Andererseits: Vor einem Jahr spielte Werder noch gegen den Abstieg. Aktuell hat das Team sechs Punkte Vorsprung auf Platz sieben. Für die Europa League-Quali sollte es am Ende reichen. Und das ist dann auch das, was man voll im Soll nennt.
Platz 5: Borussia Mönchengladbach
Wenn man sich als Journalist mal auf die Schulter klopfen möchte, dann sollte man es tun. Egal, ob man so wichtig ist, dass der Bundespräsident einem auf die Mailbox spricht oder ob man Borussia Mönchengladbach auf Platz sechs der Bundesliga getippt hatte und sich jetzt noch mal die Kommentare unter dem Sommer-Check "Schlechter Witz", "Da hat doch ein Affe auf die Dartscheibe geworfen" durchliest. Damit unsere Prognose noch als zu optimistisch falsifiziert werden kann, müsste Gladbach in der Rückrunde zehn Punkte Vorsprung verspielen - auf Hannover 96. Sieht ganz gut aus für unseren BMG-Experten Uwe Toebe.
Platz 4: Bayer Leverkusen
In der allgemeinen Wahrnehmung ist Robin Dutt bisher in Leverkusen gescheitert. Für diese Sichtweise spricht, dass Bayer 04 seine schlechteste Bundesligahinrunde seit fünf Jahren hinter sich hat. Andererseits: Die letzten drei Trainer vor Dutt holten in ihrer jeweils ersten Rückrunde alle weniger Punkte als Dutts 26 aus den vergangenen 17 Spielen. Es gibt also noch die Chance, die bilanz aufzubessern. Nebenbei steht Leverkusen im Champions League-Achtelfinale, hat zu Hause gegen Chelsea und Valencia gewonnen und erwartet nun Barcelona. So möchte manch anderer gerne scheitern.
Platz 3: Schalke 04
Dafür, dass Schalke im letzten Kalenderjahr drei verschiedene Cheftrainer gehabt hat, spielte der Club ziemlich gut. Mit Chinedu Obasi wird die Mannschaft in der Rückrunde noch mehr Optionen im ohnehin schon beeindruckenden Offensivspiel erhalten. Zwar schmerzt die lange Sperre gegen Jermaine Jones, und die Leistungen in den Spielen gegen Bayern (noch unter Ralf Rangnick) und Dortmund zeigten dem Team die Grenzen deutkich auf. Aber es gibt nur zwei bessere Mannschaften in der Bundesliga. Schalke kommt in die Champions League.
Platz 2: Bayern München
Im September meinten viele Medien schon, den FC Bayern vorzeitig zum Meister küren zu können, weil die Mannschaft national unschlagbar sei. Vier gute Bundesligaspiele in Folge reichen für dieses Urteil offenbar aus. Tatsächlich liegt München nach der Hinrunde in der Bundesliga genau im Soll, nicht mehr und nicht weniger. Mit diesem Kader muss man um den Titel mitspielen, und das wird Jupp Heynckes mit seinem Team auch in der Rückrunde tun. Beeindruckend war das Auftreten in der Champions League, in der das Viertelfinale zum Greifen nah scheint. Alles Weitere wird die Auslosung weisen, aber die Ablenkung durch die wichtigere Königsklasse könnte in einem engen Titelrennen den Ausschlag zugunsten des BVB geben.
Platz 1: Borussia Dortmund
Ob der BVB, wie unser euphorisierter Kollege Marcus Krämer glaubt, sich als "echter Rivale" des FC Bayern etablieren kann, bleibt abzuwarten. Dass die Bundesliga nur einen Club von internationaler Klasse in die europäischen Wettbewerbe schickt, ist jedenfalls keinem Naturgesetz geschuldet. Sicher ist jedenfalls schon jetzt, dass Dortmund seit eineinhalb Jahren auf Augenhöhe mit den Bayern spielt, und angesichts des Ausscheidens aus der Champions League sollte das auch in der Rückrunde gelten. Zumal der BVB noch zu Hause gegen Bayern spielt, und das eine Woche nach dem Viertelfinalrückspiel und eine Woche vor einem möglichen Halbfinalhinspiel in der Champions League.
Daniel Raecke