Weg von russischem Gas! Das ist momentan die Parole in Europa nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Man will sich unabhängig von dem Riesenreich machen und kein Geld mehr nach Moskau schicken, das den Krieg von Präsident Wladimir Putin mitfinanziert. Doch so einfach von heute auf morgen vom russischen Gas unabhängig zu werden, das gestaltet sich als schwierig.
Ein neues Abkommen mit zwei Nahost-Staaten soll da helfen: Israel soll über Ägypten künftig verflüssigtes Gas nach Europa liefern. Während eines Besuchs von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kairo am Mittwoch unterzeichneten Minister der beiden Länder eine entsprechende Absichtserklärung. Die Einigung komme zu einer "sehr schwierigen Zeit" für die EU – während eines Kriegs auf europäischem Boden, sagte von der Leyen. Ziel seien fossile Brennstoffe von "vertrauenswürdigen Lieferanten".
Von der Leyen spricht von "besonderem Moment"
Der Erklärung zufolge soll Israel Gas ins benachbarte Ägypten liefern, das dort verflüssigt und mit Tankern nach Europa exportiert werden soll. Die Vereinbarung gilt zunächst für drei Jahre. Für Ägypten wie auch für Nachbar Jordanien ist Israel dank einer bestehenden Leitung schon zu einem der wichtigsten Gaslieferanten geworden. "Was für ein besonderer Moment", sagte von der Leyen.
Der Moment dürfte auch zur rechten Zeit kommen, denn der russische Gazprom-Konzern hat seine Gaslieferungen auch nach Frankreich, Italien und Österreich heruntergefahren. Zuvor hatte Gazprom bereits die Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland um 60 Prozent verringert. Begründet wurde dies mit technischen Problemen bei Wartungsarbeiten in Verbindung mit westlichen Sanktionen gegen Russland. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete dies als "vorgeschoben" und sprach von "einer politischen Aktion" der Führung in Moskau.
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Ist die Gasversorgung in Deutschland gesichert?
Ja und nein. Es kommt darauf an, welchen Zeitraum man betrachtet. "Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist derzeit gewährleistet", sagt die Bundesnetzagentur. "Die Einstellung von russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien hat bislang keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland."
In einem Bericht des Wirtschaftsministeriums an den Bundestag vom Mittwoch ist allerdings die Rede von einer "akuten Gefahr, dass die Situation weiter eskaliert und russische Gaslieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur eingeschränkt erfüllen". Dies wäre für die Gasversorgungslage in Deutschland kurz- bis mittelfristig kritisch. Hintergrund sei die Forderung Russlands, Zahlungen in Rubel abzuwickeln, dem sich die G7-Staaten widersetzen.
Große Erdgasvorkommen vor Israel und Ägypten
Im östlichen Mittelmeer wurden große Gasvorkommen entdeckt, darunter die israelischen Felder Tamar und Leviathan und das ägyptische Zohr-Feld. Um diese konkurrieren Energiekonzerne wie Eni, BP und Total, die sich mit ihren Gas-Portfolios breiter aufstellen und sich unabhängiger machen wollen vom Öl.
Im Levante-Becken, in denen sich die Gasfelder befinden, wurde das Gasvorkommen 2010 auf rund 3,5 Billionen Kubikmeter geschätzt. Nach Angaben von BP hatte Israel Ende 2020 Gasreserven in Höhe von rund 600 Milliarden Kubikmetern, was rund 0,3 Prozent der weltweiten Reserven entsprach. In Russland waren es rund 20 Prozent.
Israel liefert bereits seit 2020 Gas aus seinen Vorkommen über Ägypten nach Europa, nachdem beide Staaten ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen hatten. Um die Exporte nach Europa zu steigern, sind aber erhebliche Investitionen erforderlich. Von der Leyen sagte in Kairo zudem die Einrichtung eines Ernährungsfonds im Umfang von 100 Millionen Euro für Ägypten zu - sowie die Bereitstellung von insgesamt drei Milliarden Euro für Programme zur Förderung von Wasserversorgung, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit für die Region in den nächsten Jahren.

Israelische Gaslieferungen nur Bruchteil der russischen
Seit der russischen Invasion in der Ukraine sucht die EU zunehmend nach anderen Energiequellen. So war Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) bereits in Katar. Der Krieg habe bei "unseren Freunden in Europa die schwerste Energiekrise der vergangenen Jahre" ausgelöst, sagte die israelische Energieministerin Karine Elharrar vor der Unterzeichnung.
Im Vergleich zu den russischen Importen dürften die erwarteten Mengen aus Israel aber eher klein ausfallen: Die EU-Kommission rechnet für 2023 mit Lieferungen von rund 10 Milliarden Kubikmetern Gas. Aus Russland führte die EU vergangenes Jahr dagegen mehr als das 15-Fache ein. Die Kommission hält es aber für möglich, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland bis zum Jahresende um zwei Drittel zu verringern.
Israel verspricht sich dennoch viel von der Kooperation, wie man in einer Mitteilung des israelischen Energieministeriums lesen kann. Die Unterzeichnung des Abkommens sei "ein weiterer Schritt zur Positionierung Israels als Erdgas-Supermacht". Der Erdgas-Export diene als diplomatischer Hebel und leiste einen geopolitischen Beitrag für Israel.
EU größter Importeur von Erdgas weltweit
"Dieser Schritt hat enorme wirtschaftliche Bedeutung für den lokalen Energiemarkt und die israelische Wirtschaft und fügt sich in viele weitere Prozesse ein, die vom Energieministerium gefördert werden, um Israel und Ländern wie Ägypten dabei zu helfen, den Einsatz umweltschädlicher Brennstoffe wie Kohle und Öl drastisch zu reduzieren und die Luftverschmutzung in der Region zu verringern."
Im Mittelmeer ist seit Jahren eine 1900 Kilometer lange Pipeline in Planung, um Gas von Israel über Zypern nach Griechenland und damit in die EU zu leiten. Dieser Weg wäre billiger als die Umwandlung in Flüssiggas. Die EU ist schon jetzt der größte Importeur von Erdgas weltweit. Erdgas macht derzeit rund ein Viertel des Energieverbrauchs der EU aus. Ein Großteil davon wird eingesetzt, um Gebäude zu heizen.