Was tun gegen die hohen Spritpreise? Angesichts immer stärkerer Belastungen für Bevölkerung und Wirtschaft will die Ampel-Koalition jetzt gegensteuern. Im Gespräch ist unter anderem ein von Finanzminister Christian Lindner (FDP) entwickelter sogenannter Tankrabatt von 20 bis 40 Cent je Liter, den der Staat – also wir alle – finanzieren soll. Auch eine Erhöhung der Pendlerpauschale wird diskutiert.
Einen ganz anderen Vorschlag präsentierte jüngst unter anderem Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation stellte einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem der Ölverbrauch kurzfristig gesenkt werden könne. Die Logik dahinter: weniger Verbrauch führt zu weniger Nachfrage führt zu sinkenden Preisen – und schützt gleichzeitig die Umwelt.
Hohe Spritpreise: Greenpeace fordert Tempolimit
Zu den aufgeführten Maßnahmen gehört unter anderem ein bis zum Ende des Krieges befristetes Tempolimit in Deutschland: 100 Stundenkilometer auf der Autobahn, 80 auf Landstraßen und 30 innerorts.
43,5 Liter auf 100 Kilometer - die schlimmsten Spritschleudern der Autogeschichte

Nach Greenpeace-Berechnungen würden damit aufs Jahr gerechnet allein mindestens 2,4 Millionen Tonnen Diesel und Benzin eingespart werden, was einem Anteil fast fünf Prozent am jährlichen Kraftstoffabsatz entspräche.
Die Gründe sind dieselben, die auch in den vergangenen Diskussionen um ein allgemeines Tempolimit immer wieder auf dem Tisch lagen: Der Verkehrsfluss würde verbessert, es gäbe weniger verbrauchsintensive Geschwindigkeitswechsel und die Effizienz der Motoren würde sich erhöhen. Ein weiterer Pluspunkt: Die Einführung von Tempolimits auf unseren Straßen wäre quasi kostenlos zu haben.
Hinter der Forderung von Greenpeace versammelten sich weitere Organisationen. Auch die Deutsche Umwelthilfe begrüßte Idee. "Jeder eingesparte Liter Kraftstoff hilft die Abhängigkeit von russischem Öl- und Gasimporten zu reduzieren", erklärte sie, auch wenn es ihr in erster Linie um den Klimaschutz und nicht um geringere Spritpreise geht.
Dass geringere Geschwindigkeiten Potenzial zur Kraftstoffeinsparung (und zum Klimaschutz) haben, darin sind sich Expertinnen und Experten einig. Doch ob ein Tempolimit reicht, die Nachfrage nach Benzin und Diesel derart zu senken, dass es spürbare Entlastungen an der Zapfsäule gibt, daran bestehen Zweifel. "Es gibt ja aktuell keine reale Einschränkung. Das hängt einfach damit zusammen, dass wir viele andere erdölexportierende Länder auf der Welt haben, von denen wir Rohöl beziehen", sagte Martin Randloff, Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität Dortmund, im Radiosender Deutschlandfunk Nova.
Keine Öl-Knappheit durch Ukraine-Krieg
Denn im Gegensatz zur Ölkrise in den 1970er Jahren, als auf Autobahnen und Landstraßen in Deutschland schon einmal ein Tempolimit von 100 bzw. 80 Stundenkilometern galt, gibt es heute keine Verknappung von Erdöl und damit auch keine steigenden Rohölpreise. Im Gegenteil: "Seit vergangener Woche ist der Ölpreis deutlich gesunken, doch das spiegelt sich nicht in den Kraftstoffpreise wider", erklärte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel im Berliner "Tagesspiegel". Beim derzeitigen Rohölpreis wäre ein Liter Super E10 demnach für unter zwei Euro zu erwarten. "Ganz offensichtlich gibt es aber kriegsbedingte Sonderfaktoren, die den Spritpreis so sehr in die Höhe treiben."
Hierbei kann es sich unter anderem um eine steigende Nachfrage nach Heizöl oder um Hamsterkäufe aus Angst vor einer Öl-Knappheit oder weiter steigenden Preise handeln – und auch die Mineralölkonzerne wollen noch Geld verdienen. Außerdem hat laut "Tagesschau" bereits eine Reihe von Importeuren die Öl-Importe aus Russland zurückgefahren.
Die Gründe für die hohen Spritpreise sind also vielfältig. Ein Tempolimit allein dürfte gegen sie nicht helfen. Das sieht sogar Greenpeace so und empfiehlt etliche weitere Maßnahmen, die mit einem Tempolimit einhergehen sollten, zum Beispiel autofreie Sonntage, Verzicht auf Autofahrten, ein Verbot von Inlandsflügen oder das Absenken von Raumtemperaturen um ein oder zwei Grad.
Regierung will kein Tempolimit
Und ohnehin: Die Politik hat einem temporären Tempolimit schon eine klare Absage erteilt. Dies sei zurzeit nicht geplant, sagte ein der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Und selbst der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar vermied im Gespräch mit der Nachrichtenagentur, von einem "Tempolimit" zu sprechen und empfahl eine (freiwillige) "Temporeduzierung" als "logische Antwort" auf die steigenden Spritpreise. "Wer langsamer mit dem Auto fährt, verbraucht auch weniger Sprit." Deshalb mache eine Temporeduzierung auf allen Straßen innerorts wie außerorts Sinn.
Finanzminister Lindner arbeitet derweil weiter an seinem "Tankrabatt", die Tempolimit-Debatte hält er für unangebracht: "Wir haben gegenwärtig keine physische Knappheit an Kraftstoff, die Kontingentierung erforderlich machen würde. Wir sehen aufgrund einer Marktentwicklung einen Preiseffekt." Jede und jeder könne dagegen auch von sich aus den Fuß vom Gaspedal nehmen.
Quellen: Greenpeace, Deutsche Umwelthilfe, Deutschladnfunk Nova, "Tagesspiegel", "Tagesschau", Nachrichtenagenturen DPA und AFP