"Mode ist dann am schönsten, wenn sie Persönlichkeit widerspiegelt", schwärmt Iris Berben (75) im Rahmen der Laufstegshow Le Défilé für L'Oréal Paris. Die Schauspielerin lief für die Kosmetikmarke bereits zum vierten Mal über den Catwalk in der Modehauptstadt Paris. Die 75-Jährige zeigte sich strahlend sich in einem eleganten Zweiteiler aus schwarzer Hose und weißer Uniform-Jacke mit langer Schleppe.
Neben Berben standen Topmodels wie Kendall Jenner (29), Cara Delevingne (33) und Heidi Klum (52), aber auch Leinwandgrößen wie Jane Fonda (87) und Helen Mirren (80) auf dem Laufsteg. "Wir alle wollen in unserer Unterschiedlichkeit gesehen werden, egal welches Alter, welche Hautfarbe, welche Größe", bringt es Berben im Interview auf den Punkt. Als Vorbild sieht sich die Schauspielerin jedoch nicht.
Sie sind erneut in Paris auf dem Laufsteg zu sehen. Holen Sie sich dort auch persönlich Inspiration in Sachen Mode?
Iris Berben: Paris - und überhaupt Frankreich - ist für mich seit jeher ein Synonym für Mode. Und die Französin selbst gilt ja fast weltweit als Inbegriff von Stil. Natürlich ist es faszinierend, den großen Häusern zuzusehen, welche Ideen sie entwickeln, wie sie Silhouetten, Stoffe, Visionen neu denken. Aber ebenso spannend finde ich den Streetstyle. Diese sehr persönlichen Interpretationen, wie Menschen Mode tragen und daraus etwas Eigenes schaffen, das inspiriert mich. Man muss nicht immer das Allerneueste aufgreifen. Viel interessanter ist doch, wie man Dinge miteinander kombinieren kann - und gerade auf den Straßen von Paris sieht man das in so wunderbarer Weise. Mode ist dann am schönsten, wenn sie Persönlichkeit widerspiegelt.
Wie haben sich Ihr Mode- und Make-up-Geschmack im Laufe der Zeit verändert? Gab es Looks, die Sie im Rückblick bereut haben?
Berben: Bereuen würde ich es nicht nennen - aber ich bin schon froh, dass es aus den Achtzigern nicht allzu viele Fotos von mir gibt (lacht). Da gab es einige Entscheidungen, die ich heute sicher nicht mehr treffen würde. Aber das ist doch ein Teil des Lebens. Wir verändern uns - mit unseren Erfahrungen, mit unserem Körper, mit der Frage: Wie möchte ich wahrgenommen werden? Und so entwickelt sich auch ein Stil. Ich trage heute natürlich nicht mehr die Dinge, die ich mit 18 Jahren getragen habe. Aber darum geht es nicht. Man lebt einen schönen Prozess, als Zusammenspiel zwischen Suchen und Finden. Heute weiß ich viel klarer, was mir guttut, worin ich mich wohlfühle - und das ist ja genau der Kern von "I'm worth it": Sich den Raum zu nehmen, zu definieren, was Schönheit für einen selbst bedeutet. Nicht für andere.
Sie zeigen seit Jahren, dass Ausstrahlung und Erfolg kein Alter kennen. Sehen Sie sich selbst als Vorbild für andere Frauen?
Berben: Dass mir eine Vorbildfunktion zugeschrieben wird, hat mich selbst überrascht. Ich möchte eigentlich gar nicht bewusst in dieser Rolle handeln. Das, was ich entscheide - sei es privat, beruflich oder modisch - entsteht aus meinen eigenen Wertigkeiten heraus, nicht aus einer Strategie. Wenn ich das alles in den Kontext "Rolemodel" setze, würde mich der Gedanke einengen. Natürlich berührt es mich, wenn gerade jüngere Frauen mir sagen, dass sie meine Beständigkeit und meinen Weg bewundern. Das sind große Komplimente. Aber bewusst als Vorbild zu agieren - das möchte ich nicht.
Wie definieren Sie für sich den Begriff "Schönheit"? Und hat sich diese Definition im Laufe der Zeit verändert?
Berben: Schönheit war für mich als junge Frau stark mit Äußerlichkeiten verbunden. Heute weiß ich: Schönheit ist viel umfassender. Sie hat mit Selbstwert zu tun, mit Neugier, Offenheit, mit Selbstironie. Schönheit ist nicht starr, nicht auf Jugend reduziert. Eine schöne Hülle ohne Tiefe verliert schnell an Bedeutung. Heute feiern wir Vielfalt, Individualität - und das ist ein großer Fortschritt. Schönheit ist für mich auch Freundschaft, ein gutes Gespräch, eine intensive Begegnung, die Fähigkeit, die Welt wahrzunehmen - gerade in Zeiten, die oft dunkel wirken. Wichtig ist: Wir alle wollen in unserer Unterschiedlichkeit gesehen werden, egal welches Alter, welche Hautfarbe, welche Größe. Das ist für mich die schönste Definition von Schönheit.
Sie setzen sich stark für Gleichberechtigung in der Filmwelt ein. Wie unterstützen Sie junge Kolleginnen, und was wünschen Sie sich für die Branche und die Gesellschaft?
Berben: Sichtbarkeit entsteht, wenn Frauen selbstverständlich in allen Rollen vorkommen - in Geschichten, in Figuren, in allen Altersstufen. Und dafür braucht es Frauen in Entscheidungspositionen, dort, wo Budgets verteilt und Stoffe ausgewählt werden. Junge Kolleginnen bestärke ich immer darin, Schauspiel nicht mit Ruhm zu verwechseln. Es ist ein Handwerk - mit Leidenschaft, mit Hingabe, mit der Fähigkeit, auch Niederlagen auszuhalten. Man muss sich immer wieder fragen: Wer möchte ich sein? Welche Haltung will ich zeigen? Wenn man das für sich beantworten kann, dann wächst daraus ein eigener Weg. Wichtig ist die Authentizität, die eigene Stimme, die Klarheit.
Sie haben gesagt, dass es früher auch Wettbewerb unter Frauen gab. Wann haben Sie aufgehört, sich an anderen zu orientieren?
Berben: Wettbewerb gibt es immer, das ist normal - er kann aber auch produktiv sein. Früher war das Umfeld enger, es gab weniger Vorbilder. Heute empfinde ich das natürlicher, weil es viel mehr Vielfalt an Frauenbildern gibt. Den genauen Moment, wann ich aufgehört habe, mich zu vergleichen, kann ich nicht benennen. Sicher hängt es damit zusammen, dass ich angefangen habe, mich selbst zu mögen und mit mir befreundet zu sein. Dann wird Konkurrenz zu einem Miteinander: Es geht nicht darum, gegen andere anzutreten, sondern gemeinsam sichtbar zu sein.
Also auch in Verbindung mit Ihrer Definition von Schönheit - dass man sich nicht einem Diktat unterwirft?
Iris: Ganz genau. Wir definieren Schönheit heute selbst. Wir befreien uns von fremden Vorstellungen und schaffen eine Palette, die so vielfältig ist, dass klassische Konkurrenz überflüssig wird. Stattdessen bestärken wir einander.
Ihre Kollegin Salma Hayek sagt, Neugier hält jung. Wie sehen Sie das?
Berben: Neugierde ist eine Triebfeder, absolut. Sie hält uns wach, fordert Entscheidungen und zwingt uns, uns weiterzuentwickeln. Gerade im Moment, mit Themen wie KI, muss man sich ein Bild machen, Fragen stellen und zuhören. Veränderungen sollte man verstehen, nicht blind mitmachen. Nicht jede Veränderung ist Fortschritt, aber die Freiheit zu wählen, was wir mittragen, ist wertvoll. Und ja - Neugier hält jung. Keine Generation vor uns musste so schnell auf Veränderungen reagieren.
Gibt es neue Herausforderungen oder Hobbys, die Sie entdeckt haben?
Berben: Neue Hobbys nicht direkt, aber eine Erkenntnis ist mir klarer geworden: Zusammenhalt ist entscheidend. Der Austausch mit anderen Frauen, das Miteinander in Communitys, laut zu werden, Haltung zu zeigen - das sind wichtige Aufgaben. Besonders in Zeiten, in denen alte Frauenbilder propagiert werden, ist es wichtig, gemeinsam eine klare, weibliche Stimme zu zeigen. Das ist für mich Haltung, keine Modeerscheinung.