Erinnern Sie sich noch? Damals, im Februar 2005, eine Ewigkeit ist es her. Da reiste der kurz zuvor durchaus demokratisch wiedergewählte US-Präsident George W. Bush nach Europa. Machte brav Aufwartung in Brüssel. Traf sich im weiträumig von Normalbürgern abgesperrten grau-kalten Mainz sogar mit dem von ihm so verachteten Kanzler Schröder und beschwor Gemeinsamkeiten. Gemeinsame Werte, gemeinsame Herausforderungen, na ja, Sie wissen schon...
Für die US-Regierung grenzte diese Reise an eine Sensation. "Der Präsident kam mit dem Olivenzweig", sagte neulich ein sehr hoher Beamter des US-Außenministeriums, so hoch gestellt, dass man ihn nicht mit Namen zitieren darf. Und dann wurde der Schröder abgewählt, machte Angie Merkel auf neue Freundschaft - und offenbar glaubte man in Washington eine Weile wirklich, nun könne eigentlich Alles wieder gut werden im transatlantischen Verhältnis.
Kinder zur WM einladen reicht nicht
Sträflich hatten die PR-Strategen der Bush-Regierung dabei vernachlässigt, wie groß die Angst wirklich ist vor dem allmächtigen Amerika. Dem Amerika des George W. Bush, dem angeblich alles zuzutrauen ist. Dass mit ebenso falschen wie fadenscheinigen Begründungen den Krieg im Irak von Zaun brach und in Guantanamo und Abu Ghraib seine eigenen Ideale verriet.
Da hatte das Weiße Haus ausgerechnet Karen Hughes als leitende Image-Instanz installiert. Karen Hughes, die bärbeißige engste Vertraute von Präsident Bush, ist verantwortlich für "public diplomacy", und das weltweit. Karen Hughes glaubte offenbar ernsthaft, sie könne das Bild Amerikas bei den Deutschen verbessern, in dem sie nette Kinder aus der Dritten Welt auf US-Kosten zur Fußball-WM nach Deutschland einlud.
Weit gefehlt. Schon wieder eine Umfrage, die das Gegenteil zeigt. Der Mann im Weißen Haus angeblich gefährlicher als die Mullahs in Teheran. Weltkriegstreiber USA. Massiver Vertrauensverlust vor allem bei den jungen Deutschen.
Ja, die Zahlen sind erschreckend. Aber sie sind nicht überraschend. Und sie werden sich nicht mehr ändern, solange Bush im Amt ist. Heimlich hoffen die Regierenden in Europa auf eine Wende mit einer/m möglicherweise demokratischen Präsidentin/en. Den Bush muss man jetzt noch aussitzen. Oder für unverbindlich gute Ziele gewinnen - so wie es etwa Angela Merkel macht mit dem Klimaschutz.
Und noch etwas sollte man nicht übersehen: Das Misstrauen, es beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Denn Europa ist nicht mehr das "Epizentrum" der amerikanischen Außenpolitik, so wie es jahrzehntelang war, den Kalten Krieg eingeschlossen. Heute gilt Europa als Funktion der globalen Politik der Weltmacht USA.
Afghanistan als Test
Dabei soll Europa sein eigenes Haus bestellen. Soll sich am besten selber herumärgern mit Diktatoren in Belarus und Petro-Präsidenten in Russland. Auch die Nato muss nunmehr globalisiert werden, heißt es in Washington. Und der erste Test für das geforderte globale Dauer-Engagement Europas ist Afghanistan. Hinter verschlossenen Türen klagen US-Diplomaten bitter über Worthülsen, angebliche nationale Beschränkungen über Truppeneinsätze, und Finanz-Versprechen, die nicht gehalten werden. Europa, und auch die Deutschen, bestünden den Test globaler Verantwortung nicht, meint man. Und die Nato drohe darüber, zu scheitern.
Auch gegenüber dem Iran will man eigentlich schärfere Sanktionen sehen, zusätzliche Maßnahmen wie etwa ein Handels-Boykott. Auch da, findet man in Washington, drücken sich Europäer wie Deutsche um die entscheidende Frage: Was passiert, wenn sich der Iran die Bombe beschafft? Auf wen wolle man sich in Deutschland denn dann verlassen? Auf UN-Blauhelme etwa oder auf die Macht der Diplomatie? Oder etwa doch mal wieder auf Amerika?
Und jetzt auch noch die Diskussion um die Raketenabwehr. Ganz überrascht ist man in der Bush-Regierung über die heftige Reaktion der Deutschen, gibt sich beleidigt über die innenpolitische Instrumentalisierung des komplizierten Themas (die SPD, der Beck, Goslar II). Die erstaunten Reaktionen grenzen an politische Naivität - oder sind zynisches Kalkül. Man wolle doch nur die Europäer unter einen Schutzschirm nehmen, heißt es. Doch wahr ist auch: im Zweifel entscheidet Amerika allein. Man informiert die Nato, die Verbündeten, Russland - aber man konsultiert sie nicht wirklich. Es war übrigens der von den Deutschen so angehimmelte Präsident Bill Clinton, der die Raketenabwehr anschob.
Grund zum Jammern aber hat niemand. Die Deutschen nicht, die sich eigentlich ordentlich schämen müssten über solche Umfrage-Ergebnisse und endlich aufhören sollten mit ihren scheinheiligen Grundsatzdebatten über das "gute" Wesen deutscher Außenpolitik. Schamesröte müsste es vor allem den Regierenden in Washington ins Gesicht treiben: Denn sie haben Vertrauen und ihre Rolle als weltweites Vorbild in eiskalter Berechnung verspielt. Endgültig.
Tröstlich war da am vergangenen Montag ein Empfang im US-Außenministerium. Man feierte 50 Jahre Europa. Ein ziemlich geeintes Europa, das es ohne die USA nicht gäbe. Da erinnerte sich der stellvertretende Außenminister John Negroponte an seine Studienzeit in Paris. Da freute sich EU-Energie-Kommissar Andris Piebalgs aus Lettland wie ein Schneekönig, dass sein Land jetzt zu Europa gehört. Auch der deutsche Botschafter Klaus Scharioth sagte Nettes über die Freundschaft und die Dankbarkeit der Deutschen. Man trank ein Glas Wein, dann ging man auseinander, in aller Freundschaft. Irgendwie mag man einander doch.