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Haftstrafe für Brittney Griner Deal or no Deal? Russland erhöht den Einsatz – auch für Präsident Biden

Brittney Griner, WNBA-Star und zweifache olympische Goldmedaillengewinnerin
Brittney Griner, WNBA-Star und zweifache olympische Goldmedaillengewinnerin, wurde in Russland zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt
© Evgenia Novozhenina/Pool Reuters/AP / DPA
Wegen Drogenbesitzes ist die US-Basketballerin Brittney Griner in Russland zu einer ungewöhnlich harten Haftstrafe verurteilt worden. Im Geiste der Gerechtigkeit ist der Schuldspruch wohl nicht gefallen.

Brittney Griner soll den Schuldspruch mit gesenktem Haupt und erloschenen Augen vernommen haben, der ihr in einem kleinen Gerichtssaal nahe Moskau übersetzt wurde. Sie hatte sich schon für schuldig bekannt, ihre Verurteilung vor dem russischen Gericht galt als ausgemachte Sache. Die eigentliche Frage lautete daher: Wie fällt das Urteil aus?

Darüber herrscht nun Gewissheit. Griner, 31, eine der erfolgreichsten Basketballerinnen der USA, soll eine neunjährige Haftstrafe in einer Strafkolonie verbüßen. Außerdem wurde sie am Donnerstag zu einer Geldstrafe von einer Million Rubel (rund 16.000 Euro) verurteilt. Die USA halten ihre Verhaftung für unrechtmäßig, das Urteil für "inakzeptabel". Griners Verteidigung spricht von einer "absolut unangemessenen" Strafe.

Vor der Urteilsverkündung hatte sich Griner ans Gericht gewandt, um Entschuldigung und Nachsicht gebeten. Weder habe sie irgendjemanden verletzen oder gefährden, noch russische Gesetze brechen wollen. "Ich habe einen Fehler gemacht", so Griner. "Ich weiß, dass alle immer wieder über Politik sprechen, aber ich hoffe, die ist weit entfernt von diesem Gerichtssaal."  

Daran bestehen erhebliche Zweifel. Im Geiste der Gerechtigkeit dürfte das Urteil nicht gefallen sein.

Worum geht es im Fall Brittney Griner wirklich?

Griner ist wegen illegalen Drogenbesitzes verurteilt worden. Im Februar wurden während ihrer Einreise am Moskauer Flughafen Scheremetjewo sogenannte Vape-Kartstuschen und Haschisch-Öl bei ihr gefunden. Es soll sich um 0,5 Gramm gehandelt haben. Seitdem saß Griner, die sich unter fragwürdigen Umständen schuldig bekannte, in Untersuchungshaft. Das Gericht sah keine mildernden Umstände. Und befand die 31-Jährige nun des Schmuggels und Besitzes einer "erheblichen Menge" an Drogen schuldig, wie Richterin Anna Sotnikowa sagte.  

Ihre Verteidigung erhebt schwere Vorwürfe. "Das Gericht hat alle Beweise der Verteidigung und vor allem das Schuldbekenntnis völlig ignoriert", heißt es in einer schriftlichen Erklärung. "Dies widerspricht der bestehenden Rechtspraxis." Man werde in Berufung gehen.

Vor Gericht argumentierte einer ihrer Verteidiger, dass die durchschnittliche Gefängnisstrafe für diese Art von Verbrechen fünf Jahre betrage und fügte hinzu, dass fast ein Drittel der Verurteilten auf Bewährung entlassen würden.

Worum geht es im Fall Griner also wirklich?

Profisportlerin gegen Waffenhändler – und Tiergartenmörder?

Für US-Präsident Joe Biden sei das Urteil eine "weitere Erinnerung daran, was die Welt bereits wusste: Russland hält Brittney zu Unrecht fest", wie es in einer Stellungnahme aus dem Weißen Haus unmittelbar nach dem Schuldspruch heißt. "Das ist inakzeptabel und ich fordere Russland auf, sie sofort freizulassen".

Sofort dürfte das nicht geschehen, und schon gar nicht ohne Gegenleistung – auch wenn das russische Justizsystem lediglich seiner Arbeit nachgehe, ohne Einflussnahme aus der Politik. So lautet jedenfalls die russische Lesart der Angelegenheit. 

Washington und Moskau verhandeln derzeit über einen Gefangenenaustausch. Die USA fordern ihrerseits die Freilassung von Profisportlerin Griner und des schon Ende 2018 wegen Spionageverdachts verurteilten US-Bürgers Paul Whelan. Laut übereinstimmenden US-Medienberichten ist Washington bereit, dafür den russischen Waffenhändler Wiktor But freizulassen. Spitzname: "Merchant of Death", Kaufmann des Todes. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht.

Doch so viel ist sicher: Das Thema hängt hoch. Am Freitag vergangener Woche telefonierte US-Außenminister Antony Blinken mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow – erstmals seit Russland die Ukraine überfallen hat. Es habe ein "offenes und direktes Gespräch" über ein Angebot zur Freilassung der inhaftierten US-Bürger gegeben, sagte Blinken. "Ich habe den Kreml gedrängt, den substanziellen Vorschlag zu akzeptieren, den wir (...) gemacht haben." 

Nur: Moskau scheint der Vorschlag nicht zu reichen.

Russland wollte auch die Auslieferung von Wadim K. zum Gegenstand der Verhandlungen machen, der wegen des sogenannten Tiergartenmords in Deutschland zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, bestätigte dem US-Sender CNN einen entsprechenden Vorstoß russischer Vertreter. Gleichzeitig wies Kirby die Forderung entschieden zurück. "Zwei US-Bürger als Geiseln zu halten im Austausch für einen Mörder in einem Drittstaat, ist kein ernsthaftes Gegenangebot", sagte Kirby. "Es handelt sich um einen arglistigen Versuch, einem sehr ernsthaften Angebot und Vorschlag der USA auszuweichen."

Es liegt daher nahe, dass Moskau den Einsatz mit der ungewöhnlich hohen Haftstrafe für die Profisportlerin Griner in die Höhe zu treiben versucht, um weitreichendere Zugeständnisse der US-Seite zu erreichen. Sie wäre nicht die erste Ausländerin, die Moskau als politischen Pfand festhält, um eigene Interessen durchzusetzen.

William Pomeranz, Russland-Experte und Direktor am Kennan Institut, weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass Griner ihre Strafe in einem Straflager absitzen soll, und nicht in einem Gefängnis. "Sie wird wahrscheinlich in eine Strafkolonie in Russland geschickt, wo sie niemanden kennen wird", sagte Pomeranz zur "New York Times". Es werde praktisch unmöglich sein, sie dort zu besuchen, zumal die Strafkolonien "manchmal sehr streng" seien. "Es wird ein enormer Test für ihren mentalen Zustand sein, wenn sie am Ende in eine Strafkolonie kommt." 

Die USA hätten nur wenige Optionen, sagte er der Zeitung. "Es wird nur von den Russen abhängen und wie schnell sie einen Deal machen wollen."

Biden unter Zugzwang

Wer den Deal zu machen hat, war von Russlands Außenminister Lawrow kurz nach dem Schuldspruch zu erfahren. Moskau sei "bereit, über das Thema" zu sprechen, sagte er während eines Besuchs in Kambodscha. Für die Gespräche müsse aber ein direkter Kommunikationskanal zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Joe Biden eingehalten werden, der zwischen beiden vereinbart worden sei.

Das soll Biden wohl unter Zugzwang setzen. Denn bleibt er bei seinem bisherigen Angebot, das Moskau offenkundig ablehnt, könnte sich der US-Präsident dem Vorwurf ausgesetzt sehen, zu wenig für die Freilassung zu unternehmen.

Schon vor dem Urteil ist der öffentliche Druck auf den US-Präsidenten gewachsen, etwa durch die Profi-Basketball-Liga NBA oder der "Free Brittney"-Kampagne, eine rasche Freilassung zu erreichen. Nicht zuletzt schickte Griner selbst am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, einen handgeschriebenen Brief an den Präsidenten, der viel Beachtung fand. Darin heißt es: "Während ich hier in einem russischen Gefängnis sitze, allein mit meinen Gedanken und ohne den Schutz meiner Frau, Familie, Freunde, des Olympiatrikots oder irgendwelcher Errungenschaften, habe ich Angst, dass ich für immer hier sein könnte."

Haftstrafe für Brittney Griner: Deal or no Deal? Russland erhöht den Einsatz – auch für Präsident Biden

Bidens Regierung könnte Moskau nun ein attraktiveres Angebot für den Gefangenenaustausch unterbreiten. Das Dilemma: Profisportlerin gegen Waffenhändler, womöglich sogar Auftragsmörder – der Deal erscheint mehr als fragwürdig. Darüber hinaus gibt es die Befürchtung, berichtet die "New York Times", dass die mögliche Einigung auch andere ausländische Regierungen, die den USA feindlich gesinnt sind, dazu ermutigen könnten, Amerikaner aufgrund fragwürdiger Umstände festzuhalten und damit die Freilassung eigener Übeltäter zu erzwingen.    

Biden bringt das in eine Zwickmühle. Und Russland hat im anhaltenden Konflikt mit den USA, die der Ukraine mit Waffenlieferungen zur Seite stehen und scharfe Sanktionen gegen Moskau verhangen haben, ein weiteres Druckmittel im Waffenarsenal. 

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