Bürgerkrieg "Der Staat Elfenbeinküste existiert nicht mehr"

Nach dem Tod von neun französischen Blauhelmsoldaten versucht die einstige Kolonialmacht Frankreich einen Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste zu verhindern. Französische Truppen schalteten die Luftwaffe des westafrikanischen Staates aus.

Paris entsandte darüber hinaus weitere Truppen. Der UN-Sicherheitsrat stellte sich einmütig hinter das Vorgehen Frankreichs. Bei antifranzösischen Protesten kam es in der Wirtschaftsmetropole Abidjan und der Hauptstadt Yamoussoukro zu Plünderungen und schweren Ausschreitungen mit dutzenden Verletzten.

Die Elfenbeinküste

Die Elfenbeinküste war lange Zeit der wohlhabendste Staat Westafrikas und bis Ende 1999 eines der politisch stabilsten Länder des Kontinents. Dies war der strikten prowestlichen und marktwirtschaftlichen Politik von Präsident Felix Houphouet- Boigny zu verdanken, der die ehemalige französische Kolonie 1960 in die Unabhängigkeit führte.

Im Dezember 1999 stürzte das Militär unter General Robert Guei die Regierung von Präsident Henri Konan Bédié und damit das Land in eine schwere Krise. Nach der Wahl von Präsident Laurent Gbagbo Ende 2000 und folgenden Macht- und Straßenkämpfen kehrte relative Ruhe ein.

Im September 2002 begann ein Soldatenaufstand. Präsident Gbago sagte den Aufständischen den Kampf an. Nach viermonatigen Kämpfen zwischen regierungstreuen und rebellierenden Truppenteilen, bei denen 5000 Menschen starben, unterzeichneten die Konfliktparteien unter Vermittlung Frankreichs einen Friedensplan und vereinbarten die Bildung einer "Regierung der nationalen Versöhnung".

Doch der Waffenstillstand erwies sich als brüchig. Im September 2003 zogen sich die Rebellen aus der Übergangsregierung zurück, die geplante Entwaffnung lehnten sie ab. Der UN-Sicherheitsrat beschloss im Februar 2004 ungeachtet des Widerstandes der Rebellen eine Friedensmission. Die 6300 Blauhelmsoldaten und UN-Beobachter sollen den Waffenstillstand überwachen und die Regierungstruppen im Süden von den Rebellen im Norden trennen.

Das unter anderem an Liberia und Ghana grenzende Land ist mit knapp 322 500 Quadratkilometern fast so groß wie Deutschland, hat aber nur 16,5 Millionen Einwohner. Davon sind ein Viertel Zuwanderer aus den nördlichen Nachbarstaaten. Hauptstadt ist Yamoussoukro. Die Hafenstadt Abidjan, dem wirtschaftlichen Mittelpunkt des französischsprachigen Westafrikas, ist Sitz der Regierung. Die Elfenbeinküste ist weltgrößter Kakaoproduzent und exportiert Kaffee, Ananas, Baumwolle und Holz. Vor der Küste wird Erdöl gefördert.

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"Langer, schwieriger Krieg"

Bei einem Angriff der ivorischen Luftwaffe auf eine Stellung der UN-Blauhelme im Zentrum des Landes waren am Samstag neun Franzosen und ein US-Bürger uns Leben gekommen und etwa 30 Franzosen verwundet worden. Die Regierung der Elfenbeinküste sprach von einem Versehen und rief zur Ruhe auf. Gleichzeitig kündigte Parlamentspräsident Mamadou Coulibaly aber einen "langen, schwierigen Krieg" an. "Vietnam wird nichts sein im Vergleich zu dem, was wir hier tun werden", sagte er im französischen Rundfunk. "Der Staat Elfenbeinküste existiert nicht mehr." Jetzt gebe es nur noch Widerstand gegen die französischen Machtansprüche

Am Freitag hatten UN-Truppen einen Vormarsch von Regierungstruppen nach Norden in das Rebellengebiet des Landes gestoppt. Die Luftwaffe hatte schon seit Donnerstag unter Missachtung des Waffenstillstandes Stellungen der Rebellen bombardiert.

Übergriffe auf französische Einrichtungen

In Abidjan zündeten jugendliche Anhänger des Präsidenten Laurent Gbagbo, die sich "Patrioten" nennen, am Samstagabend französische Schulen an. Viele Franzosen verbrachten die Nacht auf den Dächern ihrer Häuser und mussten zusehen, wie ihr Hab und Gut geplündert wurde. Einige wurden von französischen Hubschraubern vor dem Mob gerettet, nachdem sie über Anrufe in Pariser Zeitungen auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam gemacht hatten. "Die Patrioten haben ganze Viertel geplündert", sagte ein Augenzeuge Radio Monte-Carlo. "Es sind Hunderttausende. Man kann nichts tun." Die europäischen Familien seien froh, wenn sie noch genug zu trinken hätten.

Nach Angaben der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) vom Sonntag wurden nach den Unruhen 78 Verletzte in Krankenhäuser der Stadt eingeliefert. Der Generalstab der französischen Streitkräfte wies die Behauptung von Parlamentspräsident Coulibaly zurück, die Franzosen hätten 30 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt. Die französische UN- Truppe habe in der Nacht lediglich Warnschüsse am Flughafen von Abidjan abgegeben, um Ausschreitungen einzudämmen.

Frankreich verlegt 300 Soldaten nach Abidjan

Am Sonntag wurden 300 zusätzliche französische Soldaten nach Abidjan verlegt. In der Nacht hatten die Streitkräfte in Paris mitgeteilt, zwei ivorische Kampfflugzeuge des Typs Suchoj SU-25 sowie fünf Kampfhubschrauber MI24 und ein Transporthubschrauber MI-8 seien "neutralisiert" worden.

Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in New-York bekräftigten in einer Erklärung, dass die französischen Truppen sowie die UN- Blauhelmsoldaten das Recht hätten, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Kämpfe zwischen der Regierung und Rebellen in dem westafrikanischen Land zu unterbinden.

Die UN haben 6300 Blauhelm- Truppen in der Elfenbeinküste stationiert. Die Franzosen stellten bisher 4000 Blauhelme und 500 weitere Soldaten. Sie sollen den Waffenstillstand überwachen und die Regierungstruppen im Süden von den Rebellen im Norden trennen.

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