An der Uni in Tel Aviv fand vor vielen Jahren, im Frühjahr 2006, eine Diskussion statt, die sich mit der iranischen Bombe beschäftigte. Eingeladen war damals auch ein Iraner mit einem ausländischen Pass, der mit den israelischen Wissenschaftlern diskutieren sollte - und dem ziemlich schnell der Kragen platzte: "Glauben Sie wirklich", fragte er die Israelis, "ein so stolzes Land wie der Iran, der so stolz ist auf seine Geschichte und Kultur, würde jemals eine Bombe zünden und sich damit selbst auslöschen?" Doch die israelischen Experten waren davon überzeugt, und sind es vermutlich noch immer.
Auf israelische Bedenken aber wollte zuletzt niemand hören. In seltener Einmütigkeit haben die fünf Veto-Mächte (USA, EU, China und Russland, Frankreich, Großbritannien) sowie Deutschland mit dem Iran einen Deal ausgehandelt, der verhindern soll, dass sich das Land Atomwaffen beschafft. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu reagierte sofort nach Bekanntwerden und sprach von einem "historischen Fehler". Nach wie vor sieht Israel im Mullahregime "einen großen Teufel" (die Zeitung "Haaretz"), der nicht nur nach der Vorherrschaft in der Region strebt, sondern alles dransetzt, Israel von der Landkarte zu tilgen.
Iran - der klassische Bösewicht
Eine Einschätzung, die nicht ganz so falsch ist. Die Iraner wollten die Bombe vor allem deshalb, um wieder ernst genommen zu werden in der Welt. Aber sie zahlten einen hohen Preis dafür: Dem Land wurde wirtschaftlich die Luft genommen, und es musste immer wieder als Bösewicht herhalten, wenn der Westen mal wieder einen Schurken brauchte - schaurig-unterhaltsam dargestellt in der US-Serie "Homeland". Deren Drehbuchschreiber kamen meist zum Schluss, dass so gut wie alles Böse dieser Welt aus Teheran kommt. Das mag für die Zuseher zwar spannend sein - bei Experten aber lösten diese konstruierten und kruden Zusammenhänge nur Kopfschütteln aus.
Die Wirklichkeit sah eher so aus, dass seit mehr als zehn Jahren in Genf, in Wien und anderen Städten über etwas diskutiert wurde, das es zwar in Israel vermutlich gibt, im Iran aber wohl nie gab: nukleare Waffen. Hat sich das viele Verhandeln gelohnt?
Kaum ein Terrorist kommt aus dem Iran
Gewonnen haben die Dauerkonferenzteilnehmer: Der Iran wird von seinem Paria-Nimbus befreit, gilt womöglich bald auch offiziell als weniger böse und wird eine neue Rolle im Nahen Osten übernehmen: Für den Westen könnte er als neuer Ansprechpartner für die vielen Krisen und Kriege dienen. Terroristen, die uns das freizügige Leben verleiden wollen, stammen meistens aus arabischen Ländern oder mittlerweile auch aus dem Westen selbst, höchst selten aber aus dem Iran. Groß ist die Hoffnung des Westens auch, dass der Iran stärker auf seine zweifelhaften Verbündeten, wie etwa Syriens Machthaber Baschar al Assad oder die Hisbollah im Libanon, einwirken könnte.
Gewinnen werden auch die Iraner selbst. Sie dürfen darauf hoffen, dass die jahrzehntealten Sanktionen bald aufgehoben werden und ihr Land Teil dessen wird, von dem es sehr lange ausgesperrt war: die Globalisierung. Europäische und amerikanische Unternehmen jedenfalls freuen sich schon jetzt über einen neuen Absatzmarkt. Wie auch die Türkei, die nun auch offiziell mit dem Nachbar Geschäfte machen und keine Goldkuriere mehr schicken muss.
Auch ein Sieg der Diplomatie
Und bei allen Skeptikern, die nicht mehr an die Kraft der Diplomatie glauben, gibt es immerhin auch wieder etwas Hoffnung, dass es doch hilft, wenn man sich zusammensitzt und miteinander redet.
Verloren haben Israel und die Golfstaaten. Schon seit Tagen diskutieren arabische Medien ausführlich über den möglichen Deal. Ein Kolumnist der libanesischen Zeitung "An Nahar" schreibt, dass viele Länder der Region den Iran als "größte Bedrohung für die Golfstaaten und sogar für alle Araber" sehen würden. Die iranische Nachrichtenagentur Fars wiederum spricht davon, dass "der Westen eine Hölle im Nahen Osten kreiert" habe und gibt die Schuld den arabischen Machthabern, die mit dem Westen verbündet seien. Unerhoffter Beistand für die arabischen Länder kommt ausgerechnet von Israels Regierungschef, der alles unternehmen wird, um US-Präsident Barack Obama den Deal noch madig zu machen. Fraglich ist dabei, ob der Iran wirklich die größte Bedrohung für das kleine Land ist und nicht vielmehr die vielen zerbrechlichen Nachbarländer.
Persischer Golf oder arabischer Golf?
Schiiten - Sunniten
Wie das Christentum teilt sich auch der Islam in zwei große Glaubensrichtungen: Kurz nach dem Tod des Propheten Mohammed im Jahr 632 spaltete sich die Gemeinschaft der Muslime in Sunniten und Schiiten, wobei die Sunniten mit rund 80 Prozent die größte Gemeinschaft stellen. Der wesentliche Unterschied besteht in der Frage der rechtmäßigen Führung. Die Schiiten erkennen nur Nachkommen aus Mohammeds Familie an, während die Sunniten auch ein Mitglied aus dem Stamm des Propheten akzeptieren. Extremisten, wie etwa der Islamische Staat (Sunniten), bekämpfen Schiiten als Ungläubige. Der Großteil der islamischen Konflikte ist allerdings politisch motiviert. So ringt etwa der schiitische Iran seit Jahren mit dem sunnitischen Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der Golfregion.
Die geografische Verteilung von Sunniten und Schiiten finden Sie hier
Für die Golfstaaten, vor allem Saudi-Arabien, geht es um die Führungsrolle in der Region. Das fängt schon mit dem Streit an, ob die Meerenge zwischen dem Iran und der arabischen Halbinsel offiziell Persischer Golf oder Arabischer Golf heißen soll - über diese Frage gab es bereits unzählige diplomatische Verwicklungen und Geheimdienstmissionen. Vor allem aber geht es um die große Frage, wie es mit der Region weitergeht. Auch wenn die Ursachen für die Kriege in Syrien, im Irak und im Jemen kompliziert sind, so sind sie doch auch Religionskriege: Muslime gegen Muslime, Sunniten gegen Schiiten.
Barack Obama jedenfalls hat genug von der alten Politik, die sunnitische Diktatoren und Könige unterstützt und fördert. Die lassen zwar Israel in Ruhe, doch sind sie sonst alles andere als Friedensstifter. Der US-Präsident will die alten Feindbilder überwinden, und der israelische Regierungschef hat ihn sowieso schon viel zu oft geärgert. Mit den beiden Deals zu Kuba und Iran, zwei Erzfeinden, könnte Obama in die Geschichte eingehen.
Bis dahin aber wird noch einige Zeit vergehen, denn das Ergebnis der Verhandlungen steht bislang nur auf vielen Seiten Papier geschrieben und es wird noch Monate brauchen, bis alle Bedingungen rechtskräftig werden. Für Obama jedenfalls wird es nicht leicht werden, den Deal den Republikanern und seinen Bürgern zu erklären, in einem Land, in dem viele Menschen das über den Iran wissen und denken, was sie in "Homeland" gesehen haben.