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Korruptionsvorwürfe gegen EU-Parlamentarierin Die Katar-Methode: aggressives Staats-Branding mit Geldsack-Weitwurf

Fifa-Boss Infantino mit Emir Tamim Bin Hamad Al Thani
Katar 2022: Fifa-Boss Infantino mit Emir Tamim Bin Hamad Al Thani bei der WM-Eröffnungszeremonie
© ATP images
Hat sich Katar mit Eva Kaili und "Säcken voller Geld" Einfluss auf das EU-Parlament gekauft?  Das Land bestreitet den Vorwurf. Doch seit Jahren schon betreibt das Emirat einen aggressiven Lobbyismus in eigener Sache. 

Manche gehen durchaus in Deckung, wenn Katar mit Geldsäcken um sich wirft. Rod Stewart etwa schlug ein Millionenangebot für einen WM-Auftritt aus, Musikerin Dua Lipa hatte ebenfalls keine Lust. Anders Schauspielerlegende Morgan Freeman: Er moderierte die Eröffnungsfeier des Turniers. Und David Beckham stellt sein Gesicht dem Golfstaat gleich für zehn Jahre zur Verfügung. Sold: angeblich 180 Millionen Euro. Gegen solche Summen waren die Geldsäcke, die bei der griechischen EU-Abgeordneten Eva Kaili gefunden sein sollen, Leichtgewichte: rund 600.000 Euro soll die Pasok-Politikerin aus Katar erhalten haben. "Nur".

"Säcke voller Banknoten"

Noch sind etliche Details des möglichen Korruptionsskandals unbekannt. Die Brüsseler Staatsanwaltschaft wirft der Ex-Parlamentsvizepräsidentin sowie fünf weiteren Beschuldigten "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption" vor. Das Emirat Katar soll versucht haben, mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken Entscheidungen des Europaparlaments zu beeinflussen.  Von "Säcken voller Banknoten" ist die Rede. Eva Kaili selbst weist die Anschuldigungen zurück, am Mittwoch finden die ersten Anhörungen statt. Doch sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre es eine Katastrophe für Europas höchste Parlamentskammer – und eine weitere Dimension in Katars zahllosen Bemühungen, international auf sich aufmerksam zu machen.

Eva Kaili, die 44-jährige Sozialdemokratin aus Thessaloniki, sei innerhalb ihrer Fraktion immer wieder mit untypischen Positionen aufgefallen, sagten die Parlamentskollegen nach ihrer Festnahme. So hielt sie am 21. November in Straßburg eine Rede, in der sie die Entwicklung der Menschenrechte im WM-Gastgeberland lobte und Katar einen "Vorreiter bei Arbeitsrechten" nannte. Applaus für ihre Worte gab es kaum, und "in der Fraktion der Sozialdemokraten und Sozialisten wunderten sich einige Kollegen über den Beitrag der Griechin", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung".

Eine WM, so unbeliebt wie nie

Wohl kaum ein Wort kitzelt derzeit die Gemüter wie der Name des winzigen Emirats am Persischen Golf. Allerdings nur selten positiv. Fußball-Puristen vor allem aus Deutschland und England lehnen die Weltmeisterschaft rundum ab. Nicht nur, weil es Hinweise gibt, dass das Turnier gekauft sein soll. Bei den Bauarbeiten an Stadien und anderer Infrastruktur sind möglicherweise Tausende von Arbeitern ums Leben gekommen. Dazu kommt die schlechte Lage für Frauen und Homosexuelle. Und, um für Stimmung bei den Spielen zu sorgen, sollen unzählige Besucher dafür bezahlt worden sein, als "Fans" in den Stadien zu jubeln. Gleichzeitig wurde der Verkauf von Alkohol stark eingeschränkt, was für ein muslimisches Land nicht ungewöhnlich ist, aber nicht so recht zu einem Fußballspiel passen will.

Irgendwann war das Reizwort Katar derartig aufgeladen, dass selbst schlechte Schlagzeilen noch für PR-Zwecke taugten. So hatte Rewe, die Supermarktkette, kurzerhand seinen Werbedeal mit dem DFB gekündigt, nachdem die Nationalmannschaft auf das Tragen der One-Love-Binde verzichtet hatte. Dass der entsprechende Vertrag ohnehin ausgelaufen wäre, wurde zwar erwähnt, doch das Unternehmen suhlte sich lieber im Glanz des aufrechten Kämpfers gegen Unterdrückung und für Vielfalt. Es heißt, die Katarer würden auch solche Debatten interessiert verfolgen, dabei dreht der Staat längst Räder von ganz anderen Dimensionen. Sie alle aber haben das gleiche Ziel: Sichtbarkeit und Einfluss.

Katars Einfluss auf europäischen Fußball

Der Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) verfügt über ein Anlagevermögen in Höhe von rund 450 Milliarden Dollar, damit ist das Land einer größten staatlichen Investoren der Welt. Über die dazu gehörige Qatar Holding redet das Land bei Unternehmen wie Volkswagen, Siemens, Deutsche Bank, der Reederei Hapag-Lloyd mit, hängt bei Flughäfen wie Heathrow drin und ganz nebenbei hat sich die Herrscherfamilie al Thani in den europäischen Fußball eingekauft. Entweder direkt als Eigentümer wie bei Paris Saint-Germain oder indirekt über Qatar Airways als Sponsor von Bayern München, früher auch mal den Großklub FC Barcelona und AS Rom.

Der Schriftzug auf der Brust der Katalanen hatte mitunter bizarre Nebenwirkungen. So wurden Fotos mit dem markant rot-blauem Trikot in Saudi-Arabien teilweise zensiert, weil Qatar Airways im Nachbarland als Tabu-Unternehmen gilt. Das Verhältnis der Saudis zu Katar ist, gelinde gesagt, angespannt. Zwischen 2017 und 2021 drohte die so genannte Katar-Krise in einen echten Krieg zu eskalieren. Es ist auch die gefühlte Bedrohung durch den übermächtigen Nachbarn, der Katar zu einem der einflussreichsten Lobbyisten in eigener Sache hat werden lassen.

Aggressives Staats-Branding

"Seit Jahren betreibt das Land ein aggressives Staats-Branding. Hauptwerkzeuge der hochgerüsteten PR-Maschine: Sport-Events, der TV-Sender al Jazeera und Qatar Airways. All diese Marken dienen demselben Zweck: Sichtbarkeit", schreibt stern-Reporter Jonas Breng im Sommer über den ungeliebten WM-Gastgeber. "Jeder kleine Staat, der mehr Gewicht in der Welt haben möchte, entwickelt dazu eine Strategie: Katar hat sich neben seiner außenpolitischen Rolle den Sport als Nische ausgesucht." Neben dem Fußball bietet das Land auch andere Veranstaltungen an: zum Beispiel die Leichtathletik-WM und Tennisturniere.

Mutmaßliche Schmiergeldzahlungen an die EU-Parlamentarier sind allerdings eine andere Dimension als harmlose wenn auch extrem teure Sportevents oder den umtriebigen Lobbyismus, für den die Katarer in der US-Hauptstadt Washington berüchtigt sind. Offen ist auch, ob die Geldsäcke für Eva Kaili einem speziellen Ziel galten oder "nur" dazu dienten, sich eine bedeutende Parlamentarierin warmzuhalten. Ein Anlass jedenfalls könnte die derzeitige Debatte in Brüssel über Visa-Erleichterungen für katarische Staatsbürger sein.

Kaili stimmt ohne Rücksprache mit ab

Der zuständige Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt sagte jetzt der der Nachrichtenagentur DPA, Kaili habe zuletzt viel Kontakt zu ihm gesucht. Ihr sei wichtig gewesen, dass die Entscheidung zügig getroffen werde und nicht so viele Bedingungen an Katar gestellt würden. Sie selbst stimmte vor zwei Wochen ohne Absprache mit ihrer Fraktion zu dem Thema ab, obwohl sie kein Mitglied im zuständigen Ausschuss ist. Nun soll die Position zur Visa-Liberalisierung noch einmal überarbeitet werden. Sollte Katar in der Angelegenheit tatsächlich "Landschaftspflege" betrieben haben, dürften die erfolgsverwöhnten Emirate damit das Gegenteil erreicht haben.

Quellen: DPA, AFP, DeutschlandfunkBBCSport1Katar-Information.deCapital, "Spiegel"

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