Die hoch ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich in Europa atemberaubend schnell aus. Die EU-Kommission erwartet, dass Omikron schon im Januar auf dem ganzen Kontinent die dominierende Variante sein wird.
Während in Deutschland noch über zusätzliche Maßnahmen diskutiert wird, um die Infektionswelle zu bremsen, verhängten die Nachbarländer Dänemark und die Niederlande kurz vor Weihnachten nun eilends einen strengen Lockdown. Auch in Großbritannien spitzt sich die Debatte um schärfere Corona-Regeln zu, wo Omikron in den Landesteilen England und Schottland schon dominiert. Die Lage im Einzelnen.
Niederlande: Lockdown vor Weihnachten
Die Regierung in Den Haag hat wenige Tage vor Weihnachten einen neuen strengen Lockdown verhängt. Seit Sonntag müssen fast alle Geschäfte, Gaststätten, Kultur- und Sporteinrichtungen, Schulen und Friseure schließen. Ausgenommen sind nur Läden wie Supermärkte und Apotheken, die für die Versorgung wichtig sind. Die extrem schnelle Verbreitung der Omikron-Variante erzwinge die harten Maßnahmen, sagte Ministerpräsident Mark Rutte.
Jeder Haushalt darf nun in der Regel nur noch zwei Gäste empfangen. Nur über Weihnachten und zum Jahreswechsel sind bis zu vier Besucher erlaubt. Der Lockdown soll zunächst bis zum 14. Januar gelten. Eine Ausgangssperre soll es vorerst nicht geben.
Die Omikron-Variante breitet sich nach Angaben von Experten viel schneller aus als erwartet. In Amsterdam verdoppelt sich die Zahl der Infektionen alle zwei bis drei Tage. Bereits vor Weihnachten werde diese Variante in der Hauptstadt dominant sein, hieß es. Zurzeit sinkt die Zahl der Neuinfektionen zwar. Doch die Krankenhäuser stehen unter hohem Druck, so dass sie nach Befürchtung der Experten einen weiteren Zustrom von Patienten nicht auffangen könnten.
Dänemark: Schließungen in großen Teilen des öffentlichen Lebens
Auch Dänemark fährt große Teile des öffentlichen Lebens wieder herunter: Theater, Kinos, Zoos, Vergnügungsparks und Sportstätten müssen nun wieder geschlossen bleiben. Restaurants dürfen nur noch bis 23 Uhr öffnen. In dem Nachbarland mit knapp sechs Millionen Einwohnern steigen die Corona-Zahlen seit einigen Wochen wieder stark an. Am Freitag erreichte die Zahl der täglichen Neuinfektionen einen Rekordwert von mehr als 11.000. In mehr als einem Fünftel der Fälle handele es sich um die Omikron-Variante. Die strengeren Regeln gelten zunächst bis Mitte Januar.
Großbritannien: Wellenbrecher nach den Feiertagen?
Die Omikron-Mutante ist in England schon dominierend: Sie mache nun 60 Prozent aller Fälle aus, sagte der britische Gesundheitsminister Sajid Javid im Sky News-Interview. Allein am Sonntag waren im Vereinigten Königreich 12.133 neue Omikron-Fälle gemeldet worden – am Freitag waren es noch gut 3200.
Um die Ausbreitung von Omikron in Deutschland zu verlangsamen, hat die Bundesregierung Großbritannien zum Virusvariantengebiet erklärt. Dies bedeutet, dass Einreisende 14 Tage in Corona-Quarantäne müssen – auch, wer geimpft ist oder eine Erkrankung überstanden hat. Diese Frist kann auch nicht durch einen Test verkürzt werden. Zudem dürfen nur noch Bundesbürger und Menschen mit deutschem Wohnsitz ins Land. Bislang waren keine europäischen Länder Virusvariantengebiete.
Gleichzeitig spitzt sich in Großbritannien, wo bislang noch weitreichende Freiheiten gelten, die Debatte um schärfere Corona-Maßnahmen zu. London hat schon den Katastrophenfall ausgerufen. Medienberichten zufolge laufen Diskussionen über eine Art Wellenbrecher-Lockdown nach den Weihnachtstagen.
Wissenschaftliche Berater fordern eine möglichst schnelle Verschärfung der Beschränkungen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Man sei "fast sicher, dass es aktuell Hunderttausende neue Omikron-Infektionen pro Tag" in England gebe – also eine hohe Dunkelziffer. Einige Modellierer warnten dem "Guardian" zufolge, ohne schärfere Maßnahmen drohten bis zum Jahreswechsel bis zu zwei Millionen Neuinfektionen täglich.
Frankreich: Impfen, impfen, impfen
Die Regierung in Paris greift im Kampf gegen die fünfte Welle auf strengere Impfregeln zurück. Im Januar kann eine Auffrischungsimpfung nach bereits vier statt fünf Monaten erfolgen. Gesundheitsminister Olivier Véran kündigte an, dass eine dritte Injektion für Pflegekräfte und Feuerwehrleute Pflicht wird. Vor wenigen Tagen begannen die Schutzimpfungen für Kinder zwischen fünf und elf Jahre. Das zu Silvester geplante Feuerwerk und Konzert auf den Champs-Élysées fällt wegen der vielen Neuinfektionen aus.
Zudem gelten die Nachbarländer Dänemark und Frankreich wegen steigender Fallzahlen und Omikron in Deutschland seit Mitternacht nun als Hochrisikogebiete. Dies hatte das RKI bereits am Freitag bekanntgegeben. Mit Ausnahme von Luxemburg sind nun alle deutschen Nachbarländer Hochrisikogebiete. Wer aus einem solchen Gebiet einreist und nicht vollständig geimpft oder genesen ist, muss zehn Tage in Quarantäne. Frühestens fünf Tage nach der Einreise kann man sich mit einem Test davon befreien.
Deutschland: Beratungen über Einschränkungen
Zur Eindämmung der vorhergesagten massiven fünften Corona-Welle beraten Bund und Länder schärfere Einschränkungen von privaten Treffen. Thema von Beratungen von Bund und Ländern auf Spitzenebene sollen auch eine Schließung von Clubs und Diskotheken sein. Die Politik will mit ihren Maßnahmen auf einen eindringlichen Aufruf des neuen Corona-Expertenrats der Regierung zum Handeln reagieren. Deutschland droht laut den Experten durch Omikron eine "neue Dimension" des Pandemiegeschehens.
Der Expertenrat hatte in seiner ersten Stellungnahme vor einer Ansteckung von zweifach Geimpften sowie Genesenen durch Omikron gewarnt. "Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen." Eine erhebliche Überlastung der Krankenhäuser sei zu erwarten. "Sollte sich die Ausbreitung der Omikron-Variante in Deutschland so fortsetzen, wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne". Einen Lockdown vor Weihnachten hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Sonntag ausgeschlossen.
Im Fokus der Ministerpräsidentenkonferenz sollen privaten Treffen und der Freizeitbereich stehen. "Zum Thema, welche weiteren Beschränkungen denkbar sind, werden sich Bund und Länder jetzt austauschen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Es gehe da insbesondere um private Zusammenkünfte, für die heute vielerorts noch eine Obergrenze von 50 Personen indoor und 200 Personen outdoor gelte, um Großveranstaltungen und Clubs. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte im Deutschlandfunk: "Ich bin mir sicher, dass Clubs und Diskotheken schließen werden, dass wir die Kontakte auch für Geimpfte in Innenräumen reduzieren werden." Das werde für den Januar verabredet.