Mitte 2016 übernahm Rodrigo Duterte das Präsidentenamt auf den Philippinen. Sein größtes Wahlversprechen erinnerte an eine Kampagne von US-Präsident Richard Nixon aus dem Jahr 1972: Beide Präsidenten verkündeten den "Krieg gegen die Drogen". Doch während Nixon in den 1970er-Jahren vor allem die staatlichen Institutionen stärkte, um den Verkauf illegaler Substanzen zu stoppen und Folgen wie Geldwäsche zu unterbinden, ging Duterte mit erbarmungsloser Härte gegen die Konsumenten von Drogen vor. Seit Donnerstag ist Duterte nun nicht mehr im Amt. Was bleibt von ihm?
Vom Bürgermeister zum "Punisher"
Duterte war von 1988 bis 1998, von 2001 bis 2010 und ab 2013 Bürgermeister der Stadt Davao City. Bei seinem ersten Wahlkampf warb er für die Eindämmung von Kriminalität und den Ausbau von sozialer Ordnung in der Stadt. Dafür kündigte er an, die Hinrichtungen verdoppeln zu wollen. Seine Anhänger sehen seine Agenda bis heute als großen Erfolg Dutertes. Er führte in der Metropole die allgemeine Notrufnummer "911" ein, sorgte für ein sauberes Stadtbild, Tempolimits und die Gurtpflicht für Autos wurden strikt befolgt. Zudem hatten Jugendliche nachts Ausgangssperre.
Schnell wurde jedoch deutlich: Dutertes Vorhaben drohten, an staatlichen Mitteln zu scheitern – ihm fehlten schlichtweg Polizisten. Um seine Art der Justiz durchzusetzen, soll er bereits kurz nach seiner Amtsübernahme begonnen haben, gezielt Jugendliche aus armen Vierteln anzuwerben. In der Folge soll er sie als paramilitärische Trupps durch die Stadt geschickt haben, um seine Art einer "sauberen Stadt" umzusetzen. Der Mythos der "Todesschwadrone" war geboren. Insgesamt sollen diese Gruppen über 1000 extralegale Hinrichtungen vorgenommen haben. Laut Amnesty International sollen unter den Opfern größtenteils Jugendliche aus Armutsviertel und kleinkriminelle Kinder gewesen sein. Duterte tolerierte diese Art der Justiz und äußerte sich öffentlich sogar positiv darüber. Eigenen Angaben zufolge soll er selbst mindestens drei Menschen getötet haben. Was ihm von britischen Magazin "Time" den Beinamen "The Punisher" (der Bestrafer) einbrachte.
Rodrigo Duterte und der "Krieg gegen die Drogen"
2015 bewarb sich Duterte offiziell für die Präsidentschaftswahl. Er räumte eine direkte Verbindung zu den "Todesschwadronen" ein und kündigte an – sollte er gewählt werden – die Todesstrafe wieder einzuführen und 100.000 Kriminelle hinrichten zu lassen. Ihr Leichen wollte er in die Bucht von Manila werfen, "auf dass die Fische dick und fett werden".
Zentraler Bestandteil seines Wahlkampfes war sein ausgerufener "War on Drugs". Nur wenige Tage nach seiner Amtseinführung im Juni 2016 forderte er die Bevölkerung auf, Drogenabhängige zu töten: "Wenn ihr einen Junkie seht, geht los und tötet ihn! Für die Eltern ist es zu schmerzhaft, es zu tun!"
Auffällig war, dass es bei Razzien von Sicherheitskräften anschließend deutlich mehr Todesopfer zu beklagen gab als vorher. Allein im Juli 2016 soll es bei Polizeieinsätzen 402 Todesopfer und 5.500 Verhaftungen gegeben haben. Etwa 600.000 Menschen stellten sich freiwillig, in der Hoffnung nicht getötet zu werden.
Bei Erschießungen auf offener Straße wiesen Menschenrechtler mehrmals auf Ungereimtheiten hin. So hätten Erschossene angeblich oftmals Schusswaffen bei sich getragen. Die Polizisten hätten sich dementsprechend nur verteidigt. Auffällig war jedoch, dass diese Waffen in mehreren Fällen die gleiche Seriennummer aufwiesen, was daraufhin deutet, dass die Polizei den Opfern die Waffen untergeschoben hätten, berichtet die "FAZ".
Laut Angaben der philippinischen Polizei seien im Krieg gegen die Drogen insgesamt knapp 7000 Menschen ums Leben gekommen. Menschenrechtsorganisationen beziffern die Todesopfer auf mindestens 30.000.
Dutertes brutale Anti-Drogenpolitik – "Sie schlachten uns ab wie Tiere"
2018 leitete der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Voruntersuchungen gegen Duterte wegen Menschenrechtsverletzungen ein, wo er knapp ein Jahr später die Mitgliedschaft der Philippinen kündigte. Trotz offensichtlicher Verbrechen konnte Duterte noch Ende 2021 auf Zustimmungswerte von knapp 65 Prozent blicken.
Hilflos in der Pandemie
Die Corona-Pandemie legte offen, dass Dutertes Gewaltherrschaft einen rein destruktiven Charakter hatte. Schon bevor Covid-19 die Philippinen traf, waren die sozialpolitischen Umstände auf dem Inselstaat verheerend. Wie die Friedrich-Naumann-Stiftung berichtet, lebten bis zur Pandemie knapp 26 Millionen Philippinos in Armut – etwa ein Viertel der Bevölkerung. Ende 2021 litten etwa 10 Prozent der Einwohner Hunger, 30 Prozent aller Haushalte hatten mit einem Nahrungsmangel zu kämpfen.
Die Corona-Pandemie verschlimmerte die sozioökonomische Lage des Landes noch weiter. Die Arbeitslosigkeit stieg auf 17,5 Prozent. Mehr als 55.000 Menschen fielen Covid-19 zum Opfer – die zweithöchste Sterblichkeitsrate in Südostasien. Das Gesundheitssystem kollabierte reihenweise. Die Philippinen bieten mit nur fünf Krankenhausbetten auf 10.000 Einwohner die geringste Quote in Südostasien.
Duterte reagierte mit einem der härtesten und längsten Lockdowns der Welt. Kinder und ältere Menschen durften für anderthalb Jahre ihre Wohnungen nicht verlassen. Auch öffentliche Verkehrsmittel wurden zeitweise komplett stillgelegt. Medizinisches Personal hatte große Probleme, zu ihren Arbeitsstellen zu kommen, um Kranke zu versorgen.
Hinzu kommen Vorwürfe der Korruption gegenüber Duterte, der zu Beginn einen staatlichen Auftrag in Höhe von 175 Millionen Dollar an ein neu gegründetes Pharmaunternehmen vergab. Das Unternehmen hat bis heute keine nennenswerte Erfolge zu verzeichnen.
Anfang 2021 verkündete Duterte, nicht mehr als Präsident anzutreten und in Ruhestand gehen zu wollen. Was bleibt ist eine katastrophale Bilanz seiner Herrschaft. Etwa 30.000 Todesopfer im "Krieg gegen die Drogen", ein verarmtes und verunsichertes Land, ein desolates Gesundheitssystem. Kann sein Abtritt also ein Wendepunkt in der Geschichte der Philippinen werden? Vieles spricht dagegen. Sein Nachfolger, der Diktatorensohn Ferdinand "Bongbong" Marcos Jr. könnte Dutertes Erbe vielleicht sogar noch radikaler antreten. Marcos Vater regierte die Philippinen bis vor 36 Jahren mit Mord und Folter. 1986 wurde die Diktatorenfamilien von den Philippinen vertrieben.
Quellen: Friedrich Naumann Stiftung, Rappler.com, Amnesty International, FAZ, Der Spiegel, The Guardian, Time Magazine, Philippines Today, Bericht UN-Menschenrechtsrat, Tagesschau,