Ukraine-Krieg Entsetzen über Luftangriffe, Enttäuschung über Verhandlungen – der Überblick am Abend

Ukrainische Rettungskräfte gehen an einer durch einen Angriff beschädigten Geburtsklinik in Mariupol vorbei
Ukraine, Mariupol: Ukrainische Rettungskräfte gehen an einer durch einen Angriff beschädigten Geburtsklinik in Mariupol vorbei
© Evgeniy Maloletka/AP / DPA
Keine Waffenruhe, keine Annäherung: Im Ukraine-Krieg ist auch nach einem Schlichtungsversuch auf hochrangiger Ebene kein Weg zum Frieden in Sicht. Die Lage am Donnerstagabend.

Moskau spricht von Falschmeldungen, die Europäische Union von einem "schrecklichen Kriegsverbrechen": Bei einem russischen Angriff auf das Gebäude einer Geburtsklinik in Mariupol am Mittwoch hat es laut ukrainischen Angaben drei Tote gegeben, darunter ein Kind – das hat international besonders großes Entsetzen ausgelöst.

Der Kreml weist die ukrainische Darstellung entschieden zurück. So auch am Donnerstagmittag, als erstmals die Außenminister der Ukraine und Russlands zu Gesprächen zusammengekommen sind – die nach ihrem Treffen in der Türkei wenig positives zu berichten hatten.

Die wichtigsten Meldungen im Überblick:

Ukraine entsetzt über Angriff auf Geburtsklinik – Russland dementiert

Ukrainische Berichte über einen angeblich gezielten Angriff russischer Truppen auf eine Geburtsklinik in Mariupol haben weltweit Entsetzen ausgelöst:

  • "Es gibt wenige Dinge, die verkommener sind, als die Verletzlichen und Hilflosen ins Visier zu nehmen", schrieb etwa der britische Premierminister Boris Johnson.

  • Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, sprach von "barbarischer Anwendung militärischer Gewalt gegen Zivilisten".

  • Die Europäische Union hat den russischen Angriff als "schreckliches Kriegsverbrechen" verurteilt.

Das Gebäude wurde offenbar am Mittwoch beschossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berichtete von drei getöteten Zivilisten und 17 Verletzten. Die Ukraine macht Russland verantwortlich. Moskau wies das zurück und sprach von "Falschnachrichten". Selenskyj nannte russische Angaben eine Lüge, wonach dort ultraradikale Kämpfer stationiert gewesen seien. Angaben beider Seiten ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Auf Mariupol gab es auch am Donnerstag nach Angaben der Stadt neue Luftangriffe: In der Nähe eines Wohnhauses seien Bomben abgeworfen worden, die Technische Universität nahe des Zentrums sei getroffen worden.

Ukraine-Krieg: Angriff auf Kinderkrankenhaus: Selenkij wirft Russland Völkermord vor
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Ministertreffen ohne Erfolg

Auch nach einem Schlichtungsversuch auf hochrangiger Ebene ist kein Weg zum Frieden in Sicht. Ein Treffen des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in der Türkei brachte keine wesentlichen Fortschritte. Zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland gelang es nicht, eine zumindest zeitweilige Waffenruhe oder auch nur weitere Fluchtkorridore zu vereinbaren. Das betrifft auch die seit Tagen von russischen Truppen eingeschlossene Hafenstadt Mariupol, wo die Lage nach Angaben der Stadtverwaltung immer dramatischer wird.

Selenskyj soll nächste Woche per Videoschalte vor dem Bundestag sprechen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj soll sich nächste Woche per Videoschalte in einer Sitzung des Bundestags zu Wort melden. Ein solcher Termin sei "in Vorbereitung", erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus Parlamentskreisen. Wie der "Spiegel" unter Berufung auf Angaben aus der Bundestagsverwaltung berichtete, soll die Zuschaltung voraussichtlich am Donnerstag erfolgen.

Evakuierungen, nur nicht in Mariupol

In der Ukraine ist die Evakuierung von Zivilisten aus umlagerten Städten fortgesetzt worden. Aus der Stadt Isjum im Osten des Landes seien etwa 2000 Menschen gerettet worden, sagte der Leiter des Gebiets Charkiw, Oleh Synjehubow, auf Facebook. Im Fokus der Evakuierungen sollte einmal mehr die Stadt Sumy im Nordosten liegen. Bewohner seien bereits in bereitgestellte Kleinbusse gestiegen, teilten Regierungsvertreter mit. Zahlen wurden zunächst nicht genannt.

Abermals gescheitert sind dagegen Rettungsaktionen in der Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. "Mariupol bleibt sowohl für die Evakuierung von Menschen als auch für humanitäre Hilfe vollständig blockiert", sagte die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk der Agentur Ukrinform zufolge. "Es ist der vierte Tag, an dem wir kein Wasser, keine Medikamente und keine Lebensmittel liefern können." Schon mehrere Anläufe zur Rettung der Bewohner mussten abgebrochen werden. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld.

UN-Menschenrechtsbüro dokumentiert Tod von 549 Zivilisten in Ukraine

Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat in der Ukraine seit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar und bis Mittwoch, 0 Uhr, den Tod von 549 Zivilisten dokumentiert. Am Vortag waren es 516. Darunter waren 41 Minderjährige, wie das Büro in Genf berichtete. Dem Büro lagen zudem verifizierte Informationen über 957 Verletzte vor. Am Vortag waren es 908.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, betont stets, dass die tatsächlichen Zahlen mit Sicherheit deutlich höher lägen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bräuchten oft Tage, um Opferzahlen zu überprüfen. Das Hochkommissariat gibt nur Todes- und Verletztenzahlen bekannt, die es selbst unabhängig überprüft hat.

USA warnen vor russischem Einsatz von Massenvernichtungswaffen

Die US-Regierung hat vor einem möglichen russischen Einsatz chemischer oder biologischer Waffen in der Ukraine gewarnt. Moskau wolle mit der Verbreitung von Falschinformationen den Weg dafür bereiten, den ungerechtfertigten Angriffskrieg in der Ukraine weiter zu eskalieren, warnte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki. Russland folge dabei einem klaren Verhaltensmuster – entweder um selbst Massenvernichtungswaffen einzusetzen, oder um einen Angriff durch die Ukrainer vorzutäuschen, um eine Rechtfertigung für die Fortsetzung des Kriegs zu konstruieren, schrieb Psaki. Psakis Äußerung kam nach Vorwürfen Russlands, denen zufolge die Ukraine nukleare oder biologische Waffen entwickeln soll.

... und weitere Hintergründe zum Ukraine-Krieg

DPA · AFP
fs