Nach der Spaltung der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag nimmt der Streit an der Parteispitze Fahrt auf. Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland kritisierte den Eingriff von Parteichefin Frauke Petry in den Fraktionsstreit in Baden-Württemberg. Es sei nicht "zielführend" gewesen, dass Petry nach Stuttgart gereist und in die Fraktion eingegriffen habe, sagte Gauland am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Von Petrys Reise nach Stuttgart habe er nichts gewusst.
Der Streit um den mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontierten AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon betreffe die ganze Partei, sagte Gauland. Gedeon war am Dienstagabend nach innerparteilichem Druck ausgetreten aus der Fraktion. Petry hatte nach Gesprächen in Stuttgart verkündet, mit dem Austritt Gedeons sei die Spaltung der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg abgewendet.
Das Verhalten von Gedeon habe die AfD beschädigt, sagte allerdings auch Gauland. Die Reißleine hätte aus seiner Sicht früher gezogen werden müssen. "Deswegen ist dieses Chaos entstanden", sagte er.
Gauland: Meuthen hat "konsequente Haltung eingenommen"
Zugleich kritisierte Gauland, dass die Sachfrage des Antisemitismus in der AfD-Fraktion in Stuttgart für Machtspiele in der Partei instrumentalisiert worden sei. "Da hat es einige Leute gegeben, die wollten Jörg Meuthen beschädigen", sagte er. Dieser habe letztlich aber eine "konsequente Haltung" eingenommen, "die wir alle schon früher hätten einnehmen sollen".
Der Fraktionschef und AfD-Bundesvorsitzende Meuthen sowie zwölf weitere Abgeordnete hatten am Dienstag die Fraktion im Stuttgarter Landtag verlassen. Grund war der Konflikt um Gedeon. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf des Abgeordneten aus der Fraktion sei die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen.
Auch Meuthen geht auf Petry los
"Der Fraktionsbruch ist rechtskräftig", sagte Meuthen am Abend nach der Erklärung Gedeons. An diesem Mittwoch sollen die Abgeordneten zusammenkommen, um über eine mögliche Neugründung der AfD-Fraktion zu tagen, kündigte Meuthen an. "Wenn nun mindestens fünf Abgeordnete überlaufen zu uns, dann kann die andere Gruppe nicht als Fraktion existieren. Dann gibt es eine neue AfD-Fraktion frei von Antisemitismus", betonte Meuthen.
Neben Gauland kritisierte auch Meuthen die Einmischung seiner Co-Vorsitzenden auf Bundesebene, Frauke Petry, in die Angelegenheiten der baden-württembergischen Landespartei. "Ich frage mich, wie Frau Petry reagieren würde, wenn ich in Sachsen so agieren würde wie sie hier", sagte Meuthen.
Die AfD hat 23 der 143 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die AfD hatte bei der Landtagswahl im März 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

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Der AfD-Bundesvorstand unterstützte Meuthen, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung der Parteispitze vom Dienstag hieß es: "Der Bundesvorstand distanziert sich von denjenigen Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen." Als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg werde nur die Gruppe um Meuthen anerkannt. Die Co-Vorsitzende der AfD, Petry, nahm an der Besprechung des Bundesvorstandes dem Vernehmen nach nicht teil.
Gedeon: Das Talmud-Judentum ist der innere Feind
AfD-Chef Meuthen sah sich in den letzten Wochen Vorwürfen ausgesetzt, in den eigenen Reihen Antisemitismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Er hatte zuerst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht ausgeschlossen werden aus der Fraktion. Dann blieb er aber zunächst doch. Gedeon hatte vor zwei Wochen erklärt, seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis September ruhen zu lassen.
Eigentlich wollte die AfD die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon zuletzt durch Gutachter klären lassen. Es seien bereits zwei Gutachten angefertigt worden, sagte Meuthen. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass die Äußerungen von Gedeon antisemitisch seien. Gedeon sieht sich Kritik ausgesetzt, Holocaust-Leugner zu unterstützen. Er hatte sie als "Dissidenten" - Gegner in autoritären Regimes - gewürdigt.
Auch Gedeons Satz "Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes" wurde von einigen AfD-Politikern als hinreichender Beleg für antisemitisches Gedankengut gewertet. Gedeon hatte überdies den Holocaust als "gewisse Schandtaten" bezeichnet.
Zudem hält der Politiker die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion, aus denen Antisemiten Theorien über eine angebliche jüdische Verschwörung ableiten, für "eher" keine Fälschung. Nach Einschätzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) sind diese Papiere aus wissenschaftlicher Sicht unhaltbar und dienen der falschen Untermauerung von Ressentiments gegen Juden.