Angela Merkel wollte unbedingt nach Marokko, um dabei zu sein, wenn der UN-Migrationspakt angenommen wird. Sie warnt vor all jenen, die Ängste mit Falschmeldungen geschürt hätten. Und sie sagt auch: "Wir werden auf legale Migration angewiesen sein".
Der frühe Morgen war noch beißend kühl. Doch hinter den weißen Gipfeln des Hohen Atlas erleuchtete die aufgehende Sonne bereits die Kulisse: Eine Zeltstadt am Rande der rotsandigen Königsstadt Marrakesch. Hier finde der UN-Gipfel "für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" statt. Ein Vertrag, der kein Vertrag ist. Ein Pakt ohne gesetzliche Bindung. Eine Absichtserklärung von 164 Staaten. Von der Islamischen Republik Afghanistan bis zur Sozialistischen Republik Vietnam. Von Finnland, Jamaika, Nepal bis Uganda. Frankreich, England, Schweden. Von Königreich Swasiland und der Plurinationalen Republik Bolivien.
Sie alle wollten sich auf Regeln für die Migration und auf den Umgang mit Migranten einigen. Und es gehe nicht darum, Menschen aus armen Ländern in wohlhabendere Länder zu transferieren, betonte UN-Generalsekretär Antonio Guterres zur Eröffnung. Das klang eigentlich alles wie eine begrüßenswerte Initiative der Staatengemeinschaft. Und als Fortschritt. So jedenfalls hat Angela Merkel das immer gesehen. Aber im Vorfeld hatte es um die Erklärung von Marrakesch viel Wirbel, viel Ärger, viele Lügen bei uns zu dem gegeben, was sich UN-Beamte und Entsandte in New York ausgedacht hatten.
Migrationspakt: "Pakt" - ein unglückliches Wort
Es gab Lügen und "Teufel-an-die-Wand"-Malereien der AfD, Unruhe im Bundestag und Diskussionen in der CDU. Es gab Ärger in Europa, in Belgien brach sogar die Regierungskoalition darüber auseinander. Viel zu euphemistisch im Ton sei der Entwurf, warfen Kritiker ein. Er tue gerade so, als sei Migration etwas Anstrebenswertes, etwas Positives. In der AfD, in Polen, Ungarn und in Österreich sahen sie das nicht so. Sie fürchteten schlicht mehr "Flüchtlinge". Und auch die Amerikaner fürchteten etwas: Eingriffe in ihre staatliche Souveränität, wenn sie sich dem Pakt anschlössen. Auch so ein unglückliches Wort - "Pakt". Sie sollten ein paar sensible Linguisten einstellen bei den Vereinten Nationen. Das würde vielleicht manchen Konflikt entschärfen.
Man muss sagen: Viel Großes, das die Welt veränderte und die Erde zu einem menschlicheren Ort machte, hat in einer bescheidenen Herberge begonnen. Diesmal also in einem Zelt in Marrakesch. Kurz nach elf erscheint die Bundeskanzlerin in Pantone-Blau und sagt, heute sei ein sehr bedeutender Tag, "denn wir treffen eine umfassende Grundlage für Migration" und dass es ein gutes Zeichen sei, "dass wir uns mit den vielen Millionen Migranten beschäftigen", heute ausgerechnet, am 70. Jahrestag der Menschenrechte. Dies sei ein klares Signal dafür, dass die Menschenrechte auch für jeden Migranten gölten.

Merkel sagt auch, dass Migration, wenn sie "legal ist, auch gut ist". Arbeitsmigration beispielsweise innerhalb der Europäischen Union sei notwendig. "Wir werden also im Fachkräftebereich auf solche legale Migration angewiesen sein." Der Pakt sage überdies "der illegalen Migration ganz klar den Kampf an". Er regle "die Rücknahme von Staatsangehörigen". Dann erwähnt die Bundeskanzlerin noch, dass Entwicklung und Migration zwei Seiten einer Medaille seien und gibt schließlich das große Versprechen ab: "Deutschland wird sich einbringen zum Wohle der Menschen auf unserem Planeten."
Merkel: Marokko ist ein sicheres Herkunftsland
Was hatte Wolfgang Kubicki (FDP) auf Anne Wills Frage, wie lange die Bundeskanzlerin wohl noch im Amt sein werde, am Sonntagabend gemeint? Möglicherweise eine volle Legislaturperiode. Und wie es seine Art ist, hatte er spöttisch hinzugefügt, die CDU-Politikerin werde die Zeit nutzen, um in Ruhe "ihre weltpolitische Bedeutung" zu unterstreichen.
Da saß die CDU-Politikerin Angela Merkel bereits im weißen Blazer beim Staatsdinner in Marrakesch und unterstrich durch ihre Anwesenheit, wie wichtig und richtig sie diesen "Globalen Pakt" findet, den die Vereinten Nationen am nächsten Morgen feierlich vorlegen würden. Zwischendurch erklärte sie Marokko noch schnell zu einem sicheren Herkunftsland und verkündete, dass sie bald nach Marokko zurückkommen werde. Was juckt es eine deutsche Kanzlerin, wenn ein Kubicki an ihr kratzt?