Der am Samstag gewählte Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, verfolgt schon länger als Abgeordneter den national-völkischen Kurs der AfD im Europaparlament. Statt wie noch vor ein paar Jahren die EU bloß skeptisch von der Seite zu beäugen und einen baldigen "Dexit" zu fordern, will sich die AfD jetzt in der EU-Partei "Identität und Demokratie" mit anderen Rechten verbünden, um die Institution von Innen zu bekämpfen. Für den rechtsextremen Teil der AfD ist das Ziel dieses Kampfes klar: "Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann", sagte Björn Höcke am Rande des Parteiwochenendes. Maximilian Krah gilt als Anhänger Höckes. Seine Aussagen der letzten Jahre geben einen Einblick in Krahs rechtsextreme Ansichten.
Krah vertritt eine völkische Definition Europas
"Das Europa, das uns vorschwebt: Das sind die Germanen, die Romanen und die Slawen, die nicht von Konstantinopel aus christianisiert wurden." (in einem Gespräch mit Björn Höcke im Februar)
Krah definiert Europa also nicht über Staaten, sondern "Völker" – typisch für völkisches Denken, welches im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand und später von den Nationalsozialisten aufgegriffen wurde. Nicht nur spricht Krah damit Migranten aus anderen "Kulturräumen" ab, jemals Europäer werden zu können – er schließt auch etliche Völker aus, die seit Jahrhunderten im europäischen Raum leben: Zum Beispiel Juden, Sinti oder Roma. Auch das taten bereits die Nationalsozialisten.
Die EU als Institution, die sich eben nicht über Abstammung definiert, sondern als Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft freiwilliger Mitgliedsstaaten funktioniert, empfindet Krah als Angriff auf die Souveränität dieser Völker in ihren "Vaterländern". Er will grob vereinfacht ein Europa wie vor hundert Jahren: Nationalstaaten, die nur noch bilateral miteinander Verträge schließen. Das ist per se noch keine rechtsextreme Position – aber es ist die Position des rechtsextremen Teils der AfD. Die konservativen Kreise, die die EU bloß reformieren wollen, werden in der Partei immer leiser.
Besonders bizarr: Nach Krahs völkischer Definition wären auch EU-Mitglieder wie Bulgarien (nicht von Konstantinopel aus christianisiert) oder Ungarn (mehrheitlich nicht slawisch, sondern finno-ugrisch) keine europäischen Nationen. Ob dem Hobby-Ethnologen das bewusst ist? Schließlich zählt die AfD die Rechten in diesen Ländern zu ihren engsten Verbündeten. In seiner Bewerbungsrede zur Spitzenkandidatur lobte Krah beispielsweise "den Mut" seines Kollegen aus Bulgarien. Der hatte einen Tag zuvor auf dem Parteitag der AfD verkündet, es sei höchste Zeit, dass Deutschland wieder seine Rolle als Großmacht in Europa wahrnehme. Auch Krah äußerte bereits, dass Deutschland wieder "führen" solle, und begründet das wieder mit einem völkischen Narrativ: "Das deutsche, das germanische Element ist politisch wirkmächtig. (…) Wir sind nicht so korruptionsanfällig."
Er distanziert sich von der Ukraine und verbreitet russische Propaganda
"Der Krieg in der Ukraine ist nicht dein Krieg. (…) Dann musst du an die Ostfront. Da, wo schon dein Großvater seine Brüder und seine Cousins verloren hat." (In einem seiner Videos auf TikTok)
Passend zu seiner völkischen Definition, die orthodox-christianisierte Staaten wie die Ukraine gar nicht zu Europa zählt, betont Krah immer wieder, dass die EU nicht in der Verantwortung sei, der Ukraine nach dem Angriff Russlands zu helfen. Er warnt, dass die deutsche Unterstützung der Ukraine das Land in Kampfhandlungen verwickle und baut das Drohszenario eines "großen Krieges" auf.

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Krah bezeichnet die russischen Angriffslinie als "Ostfront". Das passt quasi seitenverkehrt an Putins propagandistische Verklärung des russischen Angriffes zu einer "Operation zur Entnazifizierung der Ukraine" – wie im zweiten Weltkrieg.
Krah ist bereits durch seine engen Verbindungen nach Russland aufgefallen. Er gab dem russischen Propagandakanal Russia Today Interviews. DasEuropäische Amt für Betrugsbekämpfung untersucht zurzeit unter anderem Krahs Kontakte zu russischen Oligarchen.
Er verbreitet die rassistische Erzählung eines "Bevölkerungsaustausches"
"Einwanderung funktioniert nicht. Niemand ersetzt fehlende Kinder eines Volkes. Dieses Volk stirbt aus." (In einem aktuellen Youtube Video)
Krah verbreitet die rechtsextreme Verschwörungstheorie des "großen Austausches": Angeblich existiere ein Plan, die – wahlweise europäische oder deutsche – Bevölkerung durch Geflüchtete aus dem Nahen Osten oder Nordafrika zu ersetzen. Dabei nutzt Krah auch immer wieder den nationalsozialistischen Begriff der "Umvolkung", der ursprünglich die Umsiedlungen von Deutschen in Osteuropa meinte. Schon 2019 beschäftigte sich der Verfassungsschutz wegen solches Vokabulars mit Krah.
Krah ist überzeugt, dass "die Grünen unser Volk durch Masseneinwanderung ersetzen wollen". Grundlegend für seine These ist dabei eine rassistische Definition davon, wer überhaupt deutsch ist: Eben nicht nur jemand, der einen deutschen Pass besitzt, sondern auch deutsche Vorfahren und ein vermeintlich phänotypisches Aussehen: "Wir sind Deutsche. (…) Unsere Vorfahren waren Deutsche. Wir erkennen uns."
Er nutzt antisemitische Chiffren
"Deep State", "Globalisten" und "Heuschrecken" (Facebook 2021, TikTok 2023)
Typisch für Verschwörungsmythen wie die Austauschtheorie ist, dass ihre Verfechter meist nebulös halten, wer diesen Plan denn ausgeheckt haben soll – um dann anzudeuten, dass Juden dahinterstecken. Auch bei anderen Themen nennt Krah den "Deep State", "Globalisten" oder "ein Geflecht internationaler Konzerne" als Hintermänner – alles Begriffe aus antisemitischen Verschwörungserzählungen, die eine angebliche "geheime jüdische Weltherrschaft" behaupten.
Krahs Lieblingsfeind ist die US-amerikanische Vermögensverwaltung Blackrock, für Krah eine "Heuschrecke", die sich durch "die Unternehmen frisst" und die "die ganze Welt kaufen will". Dass Blackrock vom jüdischen Unternehmer Larry Fink geleitet wird, spricht Krah zwar nicht explizit aus – aber seine Follower wissen das: "Ratet mal welche Religion Larry Fink hat", kommentiert einer.
Im Europaparlament beschäftigt Krah einen französischen Mitarbeiter, der einst einen Antisemitismusskandal in Frankreich auslöste: Zu Karneval verkleidete er sich als orthodoxer Jude: Das Gesicht verzerrt, die Finger zu Krallen gekrümmt, posierte er wie in einer Karikatur aus der NS-Zeit für die Kamera. Seine Partei, die rechte "Rassemblement National", schmiss ihn raus – Krah stellte ihn ein. Und verteidigte in der "taz" seinen Mitarbeiter: "Ich kann darin kein Fehlverhalten sehen", sagte er zu dem Foto.
Er will "echte Männer", hetzt gegen Frauen und sexuelle Minderheiten
"Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts." (Video auf seinem Tik-Tok-Kanal vom Juni)
Nach Krahs Wahl zum Spitzenkandidaten ging ein Video viral, in dem er Männern fragwürdige Dating-Tipps gibt. Krah propagiert klar getrennte, traditionelle Geschlechterrollen: Der Mann ist dominant und gefühlskalt, die (deutsche) Frau hat vor allem eine Aufgabe: gebären. Denn, das betont Krah immer wieder, "Wir brauchen keine Einwanderung, sondern Kinder." Außerdem fällt er mit sexistischen Sprüchen auf. Über die Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte Krah "Sie kann überhaupt nicht lieben, sonst würde sie nicht so aussehen."
Krah lehnt die Vorstellung ab, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Und er hetzt gegen Menschen, die nicht heterosexuell sind. Im Podcast des rechtsextremen Publizisten und AfD-Vordenker Götz Kubitschek sagte er: "Das Lustigste, was ich beim Pride Month erlebt habe, war 2021 – da hatte die US-Botschaft in Kabul ganz stolz den Pride Month ausgerufen. Es dauerte keine drei Wochen, bis die Taliban in Kabul eingerückt sind. Ich glaub, dass das die einzig richtige Antwort auf den Pride Month gewesen ist."