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Saarland-Wahl "Ein Merz im Bund ist nicht mehr als die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht"

Saarland-Wahl: "Ein Merz im Bund ist nicht mehr als die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht"
Sehen Sie im Video: Ministerpräsident Tobias Hans übernimmt Verantwortung für Wahlschlappe der CDU im Saarland




STORY: Lange Gesichter bei den Anhängern der CDU, als die ersten Zahlen zum Ausgang der Landtagswahl im Saarland über die Bildschirme liefen. Demnach muss die Partei massive Verluste hinnehmen und landet bei knapp 28 Prozent der Stimmen. "Ich glaube, die Bundestagswahl wirkt einfach noch nach. Und auch die Tatsache, dass mit Tobias Hans alle Entscheidungen von Corona nach Hause gegangen sind. Also ich bin maßlos enttäuscht und hätte dieses Ergebnis nicht erwartet." "Das ist natürlich ein ganz schlimmes Ergebnis. Und ich glaube so ein ganz schlimmes Ergebnis haben wir glaube ich noch nie im Saarland gehabt." Ja, die Stimmung ist natürlich ernüchternd. Und das muss man jetzt erst einmal hinnehmen, das Ergebnis. Und das muss dann in den Gremien analysiert werden." Das schlechte Wahlergebnis ist auch eine schwere Schlappe für CDU-Ministerpräsident Tobias Hans. Er übernehme dafür persönlich die Verantwortung, sagte Hans vor seinen Anhängern. Und rang bei seinem Statement um Fassung: "Ich sehe die Mitglieder des Tobias Hans-Team, liebe Celina, die grade, wenn man zehn Tage in Isolation sitzt, kurz vor der Wahl, zu einem nach Hause kommt, was vorbeibringt. Das tut gut. Und ich sehe meine Frau, meine Familie, die vieles aushalten mussten, nicht nur in diesem Wahlkampf, sondern auch über die letzten vier Jahre. Ich übernehme die Verantwortung für dieses Wahlergebnis. Denn dieses Wahlergebnis ist mit meiner Position verbunden, als Spitzenkandidat. Und deswegen werde ich auch persönliche Konsequenzen mit dem Vorstand, mit der Fraktion am morgigen Tag beraten. Und ich bin sicher, wir werden gemeinsam, so wie wir als CDU-Saar immer gekämpft haben, auch in diesen schweren Stunden, dieser Zäsur, den Machtverlust nach 22,5 Jahren, gemeinsam gute Lösungen finden." CDU-Generalsekretär Mario Czaja in Berlin sieht in der Landtagswahl im Saarland nur eine regionale Wahl. Es sei ganz offensichtlich ein saarländisches Wahlergebnis gewesen", sagt er. Auswirkungen auf die anderen Bundesländer sehe er derzeit nicht. In der Bundespolitik sei man auf Augenhöhe mit der SPD.

Die Spitzen der Bundes-CDU wollten schon vorher nichts mit der Saar-Wahl zu tun haben, und nach dem desaströsen Ergebnis erst recht nicht. Doch so leicht lassen die Medien-Kommentaren CDU-Chef Friedrich Merz nicht davon kommen.

Fast schon manisch beschworen die Spitzen der Parteien am Sonntagabend, dass die Wahl im Saarland dermaßen regionalen Gesetzen folge, dass sich Rückschlüsse auf den Bund oder kommende, viel wichtigere Landtagswahlen verbieten. Vor allem in der CDU stutzte man sich so verbal die historische Schlappe an der Saar zurecht. Doch so leicht wollen die Kommentatoren es vor allem CDU-Chef Friedrich Merz nicht machen. Schon einmal setzte ein Wahlergebnis aus Saarbrücken einen bundesweiten Trend. Damals spürte die SPD Rückenwind, doch dann entgleiste in Saarbrücken der "Schulz-Zug". Und jetzt? Antworten der Kommentatoren aus deutschen Medien.

"Badische Zeitung" (Freiburg)

Der wichtigste Faktor für den Erdrutschsieg der Sozialdemokraten war zweifellos Spitzenfrau Anke Rehlinger – oder besser: das Vertrauen, das die bisherige Vize-Ministerpräsidentin bei den Menschen genießt. Im Gegensatz zum blassen CDU-Mann Tobias Hans. Dem hatte Annegret Kramp-Karrenbauer 2018 bei ihrem Wechsel in die Bundespolitik das Amt des Ministerpräsidenten vererbt. Die Rolle als Kümmerin mit Herz aber füllte seither Rehlinger aus. Landtagswahlen waren zuletzt oft Personenwahlen, dieser Trend aus der Pandemie setzt sich (...) fort. (...) Allerdings bleibt die Signalwirkung der Wahl beschränkt. Olaf Scholz ist irgendwie gestärkt, seine Ampel-Partner sind es nicht - und bei der Merz-CDU wächst der Druck. Doch erst wenn die SPD ihren Sieg im Mai in Schleswig-Holstein und NRW wiederholt, wird daraus ein Trend.

"Ludwigsburger Kreiszeitung"

Nun wird die SPD versuchen, vom Sieg in Saarbrücken Rückenwind für die drei bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen abzuleiten. Und natürlich auch für SPD-Kanzler Olaf Scholz. Doch sonderlich repräsentativ ist die Saarland-Wahl weder für die anderen Länder noch für den Bund. Die absurden innerparteilichen Schwierigkeiten bei Linken, Grünen, FDP und AfD machten die Wahl kurios.

"FAZ"

Gleich ob Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik oder ob Innere Sicherheit – auch an der Saar hat die Union ihren traditionell großen Kredit verspielt. Dass sie von den Bürgern schnell rehabilitiert werden könnte, ist nicht zu erkennen – ein Merz im Bund ist nicht mehr als die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Dass der neue CDU-Vorsitzende sich nicht einmal in der Woche vor der Wahl im Saarland blicken ließ, sagt viel über die Kampa­gnenfähigkeit der Partei da wie dort. (...) In Nordrhein-Westfalen werden die Sozialdemokraten hingegen alles daransetzen, die Schmach von 2017 vergessen zu machen und Armin Laschets Nachfolger Hendrik Wüst (CDU) ein ebensolches Ende zu bereiten wie Hans im Saarland. Von Berlin aus dürften SPD und Grüne nichts unversucht lassen, um die Genossen an Rhein und Weser im besten Licht erscheinen zu lassen. Schließlich gilt es auch, die Bäume der Freien Demokraten in Düsseldorf nicht weiter wachsen zu lassen.

"Berliner Zeitung"

Die Bundes-CDU hat zwar schon in den letzten Tagen vorgebaut und klargemacht, dass die Wahl dort vor allem landestypische Merkmale habe. Soll heißen: Tobias Hans ist alleine schuld. Doch ganz so einfach ist es nicht. Von rund 40 Prozent runter auf 27 – das ist eine Klatsche, die bis nach Berlin klingt. Was macht eigentlich die Erneuerung der Union, jetzt wo wieder einer ihrer Ministerpräsidenten Geschichte ist? Die Saarland-Wahl ist die erste nach der Bundestagswahl im vergangenen September – da ist es schon schwer, das nicht als Signal zu werten, zumal dieses Jahr noch weitere Wahlen anstehen. Die erste Landtagswahl des Jahres suggeriert klar: Vorteil SPD.

"Handelsblatt" (Düsseldorf)

Friedrich Merz stand zwar im Saarland nicht zur Wahl. Doch am Sonntag hat er sich die erste Schramme geholt. Die Erwartungen an den neuen CDU-Parteivorsitzenden waren riesig, und sie haben sich nicht erfüllt. Von einem Merz-Bonus war nichts zu spüren. Seine CDU ist im kleinsten Flächenland der Republik regelrecht abgestürzt. Kein Wunder, dass sich in den letzten Wochen keiner aus der Bundesspitze mehr vor Ort blicken ließ. Auch Merz nicht.

"Westfälische Nachrichten" (Münster)

Für die Bundes-CDU kommt die haushohe Niederlage zur Unzeit. Erst die Bundestagswahl verloren, dann die Führungsmannschaft ausgetauscht: Runderneuert, wie die Partei ist, wollte sie mit der Saar-Wahl ein erstes Zeichen setzen – und senden: Wir haben verstanden, wir sind wieder da, wir wollen regieren. Das ging gründlich schief. Die Niederlage kam nicht unerwartet. In Berlin hatte CDU-Generalsekretär Mario Czaja die Wahl für seine Partei schon in der vergangenen Woche verloren gegeben. Schuld: die Landespartei und ihr Spitzenpersonal. Auf dass bloß nichts kleben bleibt am neuen Hoffnungsträger Friedrich Merz. Unterstützung geht anders.

ZDF

"Der Spiegel" (Hamburg)

(...) schon vor vier Jahren entstand mit der Saarland-Wahl eine Art Trend, damals nach der am Ende überraschend deutlichen Wiederwahl der damaligen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer für die Christdemokraten, die schließlich in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Staatskanzleien zurückeroberten. Vor allem NRW ist von herausragender Bedeutung: Dort gilt die Wahl aufgrund der Größe des Landes und seiner Bevölkerungsstärke als eine Art Mini-Bundestagswahl, außerdem stammt CDU-Chef Merz selbst aus Westfalen. Plötzlich jedenfalls stehen der Vorsitzende und die Parteiführung unter Druck. 

"Neue Osnabrücker Zeitung"

Mit etwas Abstand kristallisiert sich heraus, ab welchem Moment eine Wahl endgültig verloren ist. Für Armin Laschet (CDU) war es das Lachen zum falschen Zeitpunkt. Für Tobias Hans (CDU) dürfte es der Moment gewesen sein, in dem sein Spritpreis-Handyvideo online ging. Hans hat sich spätestens damit selbst disqualifiziert. Die Umfragewerte waren auch vorher nicht überragend. Doch das Handyvideo dürfte der Sargnagel der CDU-Kampagne gewesen sein: Mit einem Edel-Audi im Hintergrund posierte Hans vor einer Tankstelle und echauffierte sich ungelenk über hohe Preise an der Zapfsäule. Solche Momente entscheiden natürlich nicht allein über einen Wahlausgang. Aber sie veranschaulichen, woran es im Grundsatz gelegen hat.

"Der neue Tag" (Weiden)

Für den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz ist das Abschneiden seiner Partei im Saarland ein klarer Misserfolg. Wenn er nicht – wie die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer oder der Rheinländer Armin Laschet – nur ein Kurzzeit-Vorsitzender der CDU bleiben möchte, dann muss seine Partei die nächsten beiden Landtagswahlen – im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – gewinnen.

"Die Zeit" (Hamburg)

Merz ließ sich im Saarland quasi gar nicht blicken. Anfang März hatte er dort einen Auftritt, anlässlich einer Fraktionsklausur. Seither ward er nicht mehr gesehen. Die offizielle Begründung der CDU, warum er im Endspurt fehlte, klingt fast putzig: Merz sei wegen der Haushaltswoche im Bundestag sehr beschäftigt gewesen, dasselbe galt auch für Czaja, der sich ebenfalls an der Saar entschuldigen ließ. Dagegen konnte es sogar der Bundeskanzler himself, Olaf Scholz, einrichten, zwischen Putin-Telefonaten, Regierungserklärung und Nato-Gipfel nach Neunkirchen zu reisen, um Anke Rehlinger zu unterstützen. Wahrscheinlicher ist, dass Merz das Saarland absichtlich mied. Dass er sich sorgte, der missglückte Wahlkampf könne auf ihn abfärben. (...) Die Umfragen waren schlecht, der Ministerpräsident unpopulär. Aber macht man sich als Parteivorsitzender deshalb so einfach dünne? Versagt man den Parteikollegen und -kolleginnen seine Unterstützung, nur weil die Chancen schlecht stehen? Das kam auch bei manchen in der CDU nicht gut an.

"Südwest Presse" (Ulm)

Nach 13 Landtagswahlen in Folge galt eine Art politisches Gesetz: Unabhängig von der politischen Wetterlage gewinnt der Amtsinhaber. Dem bisherigen Regierungschef des Saarlandes, Tobias Hans, ist das nicht gelungen. Die Wähler trauten ihm nicht zu, die schwierigen wirtschaftspolitischen Strukturfragen zu lösen. Profitiert hat davon Anke Rehlinger (SPD), die schon seit Jahren eine Art fröhlich-patente Ersatz-Landesmutter ist. Besonders zugute kam ihr die Krise einer anderen Partei, nämlich der Linken.

"Süddeutsche Zeitung" (München)

Vor allem aber zeigte nicht nur der Sonntag, sondern das Wochenende insgesamt, wo die tieferen Probleme der CDU liegen: Erneut scheiterte sie mit einem Spitzenkandidaten, bei dem nicht erkennbar war, wofür er stand, was er für richtig und für falsch hält. Vielleicht ist das Wichtigste, was das Volk in dieser Zeit von seinen Politikern und Politikerinnen erwartet: dass sie Überzeugung in politisches Handeln umsetzen – und nicht je nach Umfrage oder Wahl ausprobieren, was funktionieren könnte und was nicht. Wobei man sich den Ausdruck "Politikerin" allmählich sparen kann, bei der CDU: Am Samstag hat Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz den Vorsitz an Christian Baldauf abgegeben. Damit führen in sämtlichen Bundesländern nun Männer die Union. Ihre verbliebenen Ministerpräsidenten heißen Daniel, Hendrik, Markus, Michael, Reiner sowie Volker (der bald an einen Boris abgibt), die Nachnamen deuten auf einen deutschen Hintergrund seit Urzeiten hin. Wenn sich daran nichts ändert, ist dies ein weiterer Faktor, der es der Union künftig sehr schwer machen wird.

dho DPA

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