Die Bundesregierung hat sich am Freitag nach stundenlangen Verhandlungen auf ein Maßnahmenpaket für einen besseren Klimaschutz geeinigt. Es sieht unter anderem vor, Benzin und Diesel zu verteuern, die Pendlerpauschale anzuheben und den Einbau neuer Ölheizungen ab 2026 zu verbieten. Den CO2-Ausstoß will die Koalition auch über einen Handel mit Verschmutzungsrechten verringern. Wie ein Experte die einzelnen Maßnahmen bewertet, lesen Sie hier.
Unter anderem von der Klimaschutzbewegung Fridays for Future wurde das Klimapaket umgehend scharf kritisiert. "Wenn man jahrelang nichts für den #Klimaschutz tut & dann nach massivem monatelangem Druck aus der Bevölkerung Maßnahmen diskutiert, die mit 1,5 Grad rein gar nichts zu tun haben, ist das kein "Durchbruch", sondern ein Eklat", twitterte der deutsche Ableger der internationalen Bewegung nach Bekanntwerden erster Eckpunkte.
So kommentiert die Presse das Maßnahmenpaket zum Klimaschutz
"Süddeutsche Zeitung"
Das Klimapaket steht nicht in einer Reihe mit den großen Aufbrüchen in der jüngeren Geschichte; etwa der Neuen Ostpolitik von Willy Brandt oder der Arbeitsmarkt-Agenda von Gerhard Schröder. Damals waren die Regierungsspitzen mutig genug, auch bei schwindenden Mehrheiten für ihre Überzeugungen zu streiten. Die große Koalition hat diesen Anspruch nicht. Das Klimaschutzpaket zeigt, dass hier ein Zweckbündnis regiert, das Kompromisse sucht, die niemandem wehtun. Obwohl alle Parteien wissen, dass das Klima nur zu retten ist, wenn sofort und deutlich Kohlendioxid reduziert wird, was am besten über den Preis geht, haben sie ein gigantisches 50-Milliarden-Euro-Paket voller Klein-Klein geschnürt. Es ist paradox: Das Paket steht dem Aufbruch jetzt eher im Wege. Aber es verlängert die Laufzeit der großen Koalition."
"Bild"
"Mehr als eine Million Klima-Demonstranten auf den deutschen Straßen – was für Bilder, was für eine Wucht. Im Vergleich dazu wirkt das Klimapaket der Regierung zaghaft, recht matt, keinesfalls ein 'großer Wurf'. Was fehlt: Die eine Idee oder Maßnahme, die verblüfft und mitreißt. Die Millionen bewegt umzudenken und umzusteigen. Herausgekommen ist ein schwer zu entwirrendes Knäuel aus Investitionen, Förderung und Verteuerung. Aber wenn jedem Deutschen der Klimaschutz tatsächlich so wichtig ist, wie die Jugendbewegung behauptet, könnte ein echtes Umsteuern in Gang kommen."
"Stuttgarter Zeitung"
"Die soziale Frage steht trotz Anreizen und Ausgleichsmaßnahmen mehr denn je im Raum. Wer noch alte "Benzin-Wut"-Kampagnen vor Augen hat, kann sich die Reaktion auf Preiserhöhungen bei Sprit, Öl und Gas ausmalen, wenn die versprochenen Alternativen nicht bereitstehen oder nicht für alle bezahlbar sind. Der Nahverkehr steckt auf dem Land oft noch in den Kinderschuhen, Elektroautos wie neue Heizanlagen bleiben auch mit Förderung teuer. Über allem schwebt die Frage, ob auch der Wirtschaft der Umstieg gelingt und sie wirklich die Umweltexportschlager der Zukunft produzieren kann."
"Neue Osnabrücker Zeitung"
"Die Klima-Demonstrationen an diesem Freitag haben eindrucksvoll belegt, wie viele Menschen sich einen besseren Schutz der Umwelt wünschen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die überwiegende Mehrheit nicht beteiligt hat, nicht in Deutschland und schon gar nicht weltweit. Wichtig ist es deshalb, beim Klimaschutz Maß und Mitte nicht aus den Augen zu verlieren. In einem ebenso komplexen wie aufgeheizten Kontext hat die Bundesregierung ein Paket vorgelegt, das manchem nicht weit genug geht, andere aber viel Geld kosten wird. Es war richtig, nicht weiter zu gehen. Nur mit einer breiten Akzeptanz werden die Projekte ihre Wirkung entfalten und nicht etwa an sozialer Spaltung mehr Schaden anrichten, als klimapolitisch - vielleicht - gewonnen wäre."
"Berliner Morgenpost"
"Dieses Klimapaket wird Deutschland verändern. In den Heizungskellern, in den Garagen, in den Köpfen. Das ist gut so. Es gibt keine Alternative. Der Planet ist krank. Jeder sieht, fühlt, spürt das. Bei den Politikern hat es gedauert. Jetzt ist der Groschen gefallen. Nicht ganz freiwillig. Weil in Brüssel Milliarden-Strafzahlungen drohen, sollte Deutschland die EU-Klimaziele 2030 verfehlen. Weil viele Bürger den Volksparteien bei der Europawahl einen Denkzettel verpassten. Die Regierung wird schrittweise so tief in den Alltag eingreifen wie lange nicht mehr."
"Passauer Neue Presse"
"Das leitende Prinzip beim Klimapaket ist das einer allmählichen Steigerung: Der Turbo kommt erst hinterher. So sieht der Kompromiss beim vorgesehenen CO2-Preis einen niederschwelligen Einstieg vor, der aber nach und nach durch höhere Kosten abgelöst wird. Wer dieses Prinzip kritisiert, der sollte erst einmal darüber nachdenken, was ein Hauruckverfahren beim Klimaschutz bedeuten würde. Wer die Kosten zu schnell in die Höhe schraubt, Kreuzfahrtschiffe und Verbrennungsmotoren sofort in den Orkus verbannt und auch sonstige Verbotswünsche von heute auf morgen befriedigt, der würde Arbeitsplätze vernichten, ganze Wirtschaftszweige lahmlegen und weniger gut verdienende Menschen überfordern. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung auf einen sanften Übergang setzt und dennoch klare, ambitionierte Endziele benennt."
"Lübecker Nachrichten"
"Die Kanzlerin und ihre Minister präsentieren in Berlin nach durchverhandelter Nacht ein bestenfalls halb fertiges Konzept, das nicht mehr als der kleinste gemeinsame Nenner ist. Für mehr hat die Kraft nicht gereicht. Weder von der Mehrwertsteuersenkung bei der Bahn noch vom für 2026 geplanten Ölheizungsverbot oder dem Einstieg in den Emissionshandel für den Verkehrs- und Gebäudebereich sind bedeutende Einspareffekte bei CO2-Emissionen zu erwarten. Vor dem nun beschlossenen Programm muss niemand Angst bekommen."
"Kölner Stadt-Anzeiger"
"In der Politik gibt es Reformen verschiedener Schwierigkeitsgrade. Verhältnismäßig leicht sind (bei ordentlicher Kassenlage) Reformen, die verteilen, etwa eine Erhöhung einer Sozialausgabe. Schwieriger sind Projekte, die Einschnitte bei den Bürgern verlangen, der politische Druck aber immerhin spürbar ist: Das Klimapaket ist ein solcher Fall. Sehr schwierig wird es dagegen, wenn die Einschnitte bei denen liegen sollen, welche die Gesetze beschließen und wenig politischer Druck vorhanden ist, weil das Thema für viele zu kompliziert ist."
"Mitteldeutsche Zeitung"
"Was nun auf dem Tisch liegt, ist keine Zumutung für die Menschen im Land, sondern der Versuch, mehr zu fördern als zu fordern. Das hat auch damit zu tun, dass die schwarz-roten Unterhändler im Kanzleramt das abschreckende Beispiel der Wucht der Gelbwesten-Proteste im Nachbarland Frankreich immer vor Augen hatten. Vor dem nun beschlossenen Programm muss niemand Angst bekommen. Im Gegenteil: Viele werden die Chance haben, von den jetzt vereinbarten Klimamilliarden zu profitieren, sei es beim Bahnfahren, beim Austausch alter Heizungen, beim Kauf eines Elektroautos und eben durch eine höhere Pendlerpauschale. Die GroKo hat laviert. Sie geht erst einmal den Weg, der den geringsten Widerstand in der politischen Mitte erwarten lässt."
"Weser-Kurier"
"Union und SPD haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten vollmundig im grünen Gewand präsentiert, doch wenn es ernst wird, zeigt sich die Groko mutlos. Das Kabinett gibt sich wie ein Deutschland-Verwalter, nicht wie eine Regierung, die in schweren Zeiten mit Ideen begeistert. Der Kater nach dieser langen Nacht könnte sehr lange dauern."
"Rheinpfalz"
"Das Bemühen, Klimaschutz nicht zum Eliteprojekt zu machen, das sich nur wenige leisten können, ist erkennbar. Es ist nämlich vor allem der ländliche Raum, in dem sich die Wirksamkeit des Klimapaketes entscheidet. Dort sind die Pendler, die auf ihr Auto angewiesen sind, dort haben Busse und Bahnen nicht annähernd die Taktzeiten wie in der Stadt, dort hat es Elektromobilität mangels Ladestationen am schwersten. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien - Stichworte sind Windräder und Überlandleitungen - findet im ländlichen Raum statt, nicht in der Stadt. Das Konzept der Bundesregierung scheint diesen Aspekt besser berücksichtigt zu haben, als es früher der Fall war."
"Nürnberger Nachrichten"
"Ein Erfolg wird nicht zuletzt davon abhängen, wie sehr auch wir Bürger uns den Klimaschutz zu eigen machen. Staatlicher Dirigismus in allen Lebensbereichen wäre einer offenen Gesellschaft unwürdig. Es sollte immer eine Mischung aus Anreizen, Verboten und selbstbestimmtem Handeln sein."
"Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung"
"Es kreißte der Berg - und gebar eine Maus. Nach einem Sommer großer Ankündigungen präsentierten die Spitzen der großen Koalition am Freitag ihr lang erwartetes Klimaschutzpaket. Das kommt zwar mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen auf den ersten Blick beeindruckend daher. Ob damit aber wie versprochen die Einhaltung der Klimaschutzziele für das Jahr 2030 gelingt, ist fraglicher denn je. Es ist eine Einigung, die zu dieser großen Koalition passt: spät, chaotisch, kleinteilig. Politische Führung sieht anders aus."
"Westfalen-Blatt"
"Die Bewegung "Fridays for Future" bringt Millionen Menschen auf die Straße, und im Kanzleramt läuft die Bundesregierung heiß. Dieser Freitag wird in die politische Geschichte unseres Landes eingehen, auch wenn ihm weder unmittelbar der Weltuntergang noch die Weltenrettung folgt. Und doch ist das Klimapaket ein großer Schritt in die richtige Richtung, weil es auf Langzeitwirkung setzt und der Kraft des Fortschritts mehr vertraut als dem Verbot. Überhaupt sollte die Tatsache, dass Deutschland für exakt 2,1 Prozent der energiebedingten weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, nicht außer Blick geraten. Und zwar nicht, um daraus eine faule Ausrede für das Nichtstun abzuleiten, sondern um technologische Lösungen zu entwickeln, die weltweit überzeugen und als Vorbild dienen können."
"Mannheimer Morgen"
"Ein historisches Klimapaket wollte die Bundesregierung präsentieren. Herausgekommen ist ein Sammelsurium an Maßnahmen und Maßnähmchen. Ja, das Programm ist umfangreich, es wird alle Bürger betreffen. Denn das klimaschädliche Kohlendioxid bekommt einen Preis, der nach und nach steigen soll. Aber werden die Menschen das merken? Zweifel sind berechtigt. Keiner der beschlossenen Schritte hat das Potenzial, nachhaltig das Denken und Handeln der Bevölkerung in neue Bahnen zu steuern. Dabei wäre sie dazu bereit. "
"Nordsee-Zeitung"
"Die Klimabewegung ist gekommen, um zu bleiben. Und sie zeigt Wirkung. Es ist ja kein Zufall, dass die Bundesregierung ihr Klimapaket ausgerechnet am Tag des globalen Klimastreiks auf den Weg gebracht hat. Die Chance, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, hat die große Koalition gleichwohl vertan. Präsentiert wurde ein breites Bündel von Maßnahmen - manche sinnvoll, andere eher fragwürdig -, in dem ja sicher ehrenhaften Versuch, Härten hier stets mit Wohltaten dort auszugleichen, um nur ja niemandem über die Maßen zu belasten. Vom "großen Wurf" spricht selbst Angela Merkel nicht. Es sei eben das in der Politik Mögliche herausgekommen. Mag sein. Angesichts der Gefahren einer anhaltenden Erderwärmung ist die entscheidende Frage allerdings, ob es das Notwendige war."
Internationale Pressestimmen zum Klimapaket
"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz)
"Die deutsche Regierung will laut den am Freitag vorgelegten Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030 künftig auch die Sektoren Verkehr und Gebäude/Wärme schrittweise in einen nationalen Emissionshandel einbeziehen. Das wäre eigentlich eine gute Nachricht. (...) Doch die schwarz-rote Koalition geht das Vorhaben derart mutlos an, dass die Gefahr groß ist, dass die Gesamtkosten des Klimapakets unnötig hoch ausfallen und der angestrebte Abbau von Emissionen dennoch verfehlt wird. Das Paket weist gleich mehrere Mängel auf. (...)
Wer zum Beispiel eine Ölheizung auf ein klimafreundlicheres System umstellt, soll 40 Prozent der Kosten vom Staat erstattet erhalten; ab 2026 sollen Ölheizungen gesetzlich weitgehend untersagt werden. Solche Subventionen und Verbote wären überflüssig, würde in nützlicher Frist ein echtes Emissionshandelssystem eingeführt. Mit dem jetzt vorgelegten Sammelsurium hingegen verpasst Deutschland die Chance eines Neuanfangs in der Klimapolitik, (von) dem Klima, Wirtschaft und Bürger gleichermaßen profitiert hätten."
"La Repubblica" (Italien)
"Greta hat die Welt aufgerüttelt und sie auf die Straße gebracht. Sie hat einen einsamen und persönlichen Kampf in einen Krieg verwandelt, der von Millionen jungen Menschen von New York bis Sydney, über Delhi und Manila geführt wird. Ihr Schulstreik ist von einer symbolischen Geste zu einem kollektiven Ritual geworden. Aber vor allem ist ihre Besessenheit, die Menschheit vor der Klimakrise zu retten, heute eine Sorge der Massen, die endlich die Entscheidungen der Politik beeinflussen kann. Das zeigt die Entscheidung der deutschen Bundesregierung. Sie will einen 54 Milliarden Euro-Plan für die nächsten vier Jahre auflegen (...), um die Schadstoffemissionen drastisch zu reduzieren."
"Independent" (Großbritannien)
"Dies ist die perfekte Erinnerung für alle Teilnehmer des UN-Klimagipfels in New York an das, was auf dem Spiel steht. Die Angelegenheit könnte kaum wichtiger sein. Wie auf den Plakaten der Demonstranten steht: Es gibt keinen Planeten B. Und zur Generation der heutigen Spitzenpolitiker, die die künftige Existenz der Menschheit in ihren Händen hält, sagen die Jugendlichen: Ihr mögt an Altersschwäche sterben, aber eure Kinder und Enkelkinder werden an den Folgen des Klimawandels sterben. Wir wurden gewarnt."
"El Mundo" (Spanien)
"Diese Initiative wird Steuern auf fossile Brennstoffe beinhalten - was sich auf die Verbraucher auswirken wird -, aber sie leistet auch Beihilfen für die Umstellung von Autos oder Heizungen. In Zeiten der Rezession, die die deutsche Wirtschaft erlebt, muss die Regierung aber vermeiden, dass diese notwendige technologische Erneuerung eine inakzeptable Erhöhung der Ausgaben zur Folge hat."
"La Vanguardia" (Spanien)
"Deutschland hat einen Energiewendeplan zur Bekämpfung der Klimaerwärmung auf den Weg gebracht (...). Der gestern von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgelegte Plan wurde von Umweltschützern bereits als unzureichend kritisiert, obwohl es sich zweifelsohne um eine neuartige Initiative zum Schutz des Klimas handelt, deren Zielsetzung von anderen Ländern, einschließlich Spaniens, nachgeahmt werden sollte. Das Problem des Plans ist, dass seine Dimension und sein Volumen unter Berücksichtigung der Größe der deutschen Wirtschaft als enttäuschend einzustufen sind."