Das Gedächtnis in der Politik ist kurz. Das Gedächtnis von CSU-Chef Horst Seehofer scheint ein ganz besonders löchriges Exemplar zu sein. Vor vier Jahren kämpfte Seehofer leidenschaftlich für eine Frauenquote in seiner Partei. Die CSU hatte damals bei Frauen dramatisch an Wählerstimmen eingebüßt. Um das zu ändern, wollte Seehofer seine Partei weiblicher machen. Es gehe, appellierte er an seine Parteifreunde, doch nur um 40, 50 Frauen, die neu in Ämter kommen würden. "Das wird uns doch wohl noch gelingen!"
Was Seehofer damals als kleinen Schritt für die CSU verkaufte, sieht er heute als elementare Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Die SPD und die Kanzlerin wollen eine Frauenquote von 30 Prozent in den Führungsetagen der größten deutschen Unternehmen einführen. Im ganzen Land betrifft das gerade einmal 170 Posten in Aufsichtsräten. Für Großkonzerne wie Eon, BASF oder Puma gilt die Quote ohnehin nicht, weil sie dem Europarecht unterliegen. Weitere 3500 mittelgroße Unternehmen sollen sich lediglich selbst ein Quotenziel setzen. Schon jetzt ist die geplante Frauenquote ein magerer Kompromiss. Doch Horst Seehofer und seine Parteifreunde kämpfen mit einer Leidenschaft dagegen, als ob die 170 Frauen in Aufsichtsräten die deutsche Wirtschaft zusammenbrechen lassen könnten.
Seehofer und Co. versuchen, die Frauenquote noch lascher und unwirksamer zu machen. Doch in Wahrheit fürchten sie gar nicht die 170 Frauen. Sie fürchten die eigene Bedeutungslosigkeit.
Die Gesellschaft ist längst weiter
Die CSU und der Wirtschaftsflügel der Union mussten zusehen, wie die SPD eine sozialdemokratische Reform nach der anderen durchsetzte. Die CDU hatte außer der umstrittenen Mütterrente nichts dagegenzusetzen. Die CSU investiert ihre gesamte Energie in eine sinnfreie PKW-Maut. An der Frauenquote entzünden sich nun zwei schon ältere, unionsinterne Konflikte: das Leiden über den Verlust der eigenen wirtschaftspolitischen Relevanz und das Hadern damit, dass die Union sich in den letzten Jahren bereits von vielen lang gehegten Glaubensätzen verabschieden musste.
Doch so, wie die Union Atomkraft, Wehrpflicht und den Kampf gegen den Mindestlohn aufgeben musste, so wird auch früher oder später der Widerstand gegen die Frauenquote fallen. Die Gesellschaft ist längst weiter, als Seehofer und Fraktionschef Volker Kauder glauben wollen. 70 Prozent der Deutschen sprechen sich für eine gesetzliche Quote aus. Zwei Einsichten setzen sich durch: Gemischte Führungsteams arbeiten erfolgreicher und: Von alleine bewegt sich die Wirtschaft nicht. Der Frauenanteil in den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen ist in diesem Jahr auf beschämende 5,5 Prozent gesunken. 175 männlichen Dax-Vorständen stehen gerade einmal zehn Frauen gegenüber. Eine weltweite Umfrage einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft stellte Anfang des Jahres das bittere Zeugnis aus, dass in keiner anderen Wirtschaftsnation prozentual so wenige Frauen in Führungspositionen gelangen, wie in Deutschland. Selbst in Russland, China und den arabischen Emiraten steigen Frauen leichter in auf als hierzulande.
Wenn Deutschland daran etwas ändern will, dürfen Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas ihren Gesetzentwurf nicht noch weiter von der Union verwässern lassen. Schon jetzt ist die geplante Quote eher ein Quötchen. 170 Aufsichtsratsposten für Frauen sind keine Revolution. Sie können nur ein Anfang sein.