Einen Tag vor dem Krisengipfel der Euro-Länder laufen die Verhandlungen über neue Hilfen für Griechenland auf Hochtouren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollten bei einem Treffen am Mittwochabend in Berlin eine Lösung im Streit über die Beteiligung privater Gläubiger an der Rettung Griechenlands finden. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso appellierte eindringlich an die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder, sich am Donnerstag zu einigen.
Die Banken kämpften entschlossen gegen die Idee, zur Stützung Griechenlands neue Steuern auf ihre Gewinne zu erheben. Sie wollten noch am Mittwoch Kreisen zufolge den Regierungen ein neues Konzept zu einem privaten Gläubigerbeitrag präsentieren. Das Vorbereitungstreffen der Spitzenbeamten zum Gipfel wurde deshalb auf Donnerstagmorgen verschoben. Die Euro-Chefs sollen danach ab 13.00 Uhr über die Vorschläge ihrer Experten beraten.
"Niemand darf sich Illusionen machen - die Lage ist sehr ernst. Das erfordert eine Antwort", warnte Barroso in Brüssel. Andernfalls seien die negativen Folgen der Griechenland-Krise überall in Europa und auch weltweit zu spüren. Auch die deutsche Wirtschaft drängte die Politiker zur Entscheidung. "Der Gipfel darf nicht ergebnislos bleiben, dazu ist die Situation zu ernst", warnte der Hauptgeschäftsführer des DIHK, Martin Wansleben, in einem Reuters-Interview.
Merkel hatte noch am Vortag die hohen Erwartungen an den Gipfel mit der Aussage gedämpft, eine spektakuläre Entscheidung zur Lösung aller Probleme sei nicht in Aussicht. Vielmehr gehe es um einen fortlaufenden Prozess von aufeinander aufbauenden Schritten, die die Schwierigkeiten des südeuropäischen Euro-Landes und damit auch anderer Länder des Währungsraums nachhaltig beheben sollen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung sei zuversichtlich, dass es eine Einigung am Donnerstag geben werde. Deutschland und Frankreich wollten ihre Kraft für eine gute europäische Lösung einsetzen, sagte er zu dem Treffen von Merkel und Sarkozy, das die beiden kurzfristig vereinbart hatten.
Deutschland gegen flexibleren EFSF-Einsatz
Die Beteiligung der privaten Gläubiger bleibt umstritten. Die Europäische Zentralbank stemmt sich weiter gegen ein Modell, bei dem die Ratingagenturen Griechenland einen Pleite-Stempel aufdrücken würden. EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark sagte in der "Börsen-Zeitung", die Euro-Staaten hätten schließlich beim EU-Gipfel im Juni beschlossen, dass es zu keinem Zahlungsausfall kommen dürfe. Daran müssten sie sich jetzt halten, sonst schürten sie die Unsicherheit an den Finanzmärkten.
Die EZB ist Stark zufolge dafür, dass der Euro-Rettungsfonds EFSF bereits umlaufende Anleihen der schuldengeplagten Länder am Kapitalmarkt aufkauft und bis zur Endfälligkeit hält. Diese Option ist nach dem EFSF-Vertrag - und auch im gerade erst unterschriebenen Abschluss zum Nachfolgefonds ESM - aber ausgeschlossen. Sie steht dennoch zur Diskussion, wie auch der Vorschlag, vorbeugende Kreditlinien an Länder noch vor Ausbruch einer Schuldenkrise anzubieten. "Beides liegt auf dem Tisch, aber Deutschland ist damit noch nicht einverstanden", sagte ein mit den Beratungen Vertrauter. In der Regierungskoalition war zuletzt bekräftigt worden, dass Merkel diese rote Linie nicht übertreten darf.
Barroso kritisierte Merkel indirekt. "Die Spitzenpolitiker müssen an einen Tisch und sagen, was sie tun können, was sie tun wollen und was sie tun werden - und sollen nicht sagen, was sie nicht tun können." Er forderte eine "europäische Ethik".

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Noch kein Durchbruch bei den Modellen
Wie das Modell für die neuen Griechenland-Hilfen sowie die Beteiligung von Banken, Fonds und Versicherungen aussehen wird, blieb auch einen Tag vor dem Gipfel völlig unklar. Wie Reuters von mit den Gesprächen vertrauten Personen erfuhr, ist bislang noch kein Durchbruch gelungen. In der Diskussion ist über ein neues Kreditpaket der Euro-Länder hinaus eine sanfte Umschuldung Griechenlands über Laufzeitenverlängerungen von Anleihen, Anleihetausch, Schuldenrückkauf oder eine Bankensteuer. Diese, von Frankreich befürwortete Idee stößt bei den deutschen Bankenverbänden auf großen Widerstand. Auch der DIHK ist dagegen und plädiert für den Schuldenaufkauf durch den EFSF.
Die Finanzbranche will mit eigenen Vorschlägen zur Griechenland-Hilfe die Banken-Sondersteuer abwenden. Aus dem Weltbankenverband IIF hieß es, die Institute seien auf gutem Weg, Konzepte zur Beteiligung privater Gläubiger an einem neuen Rettungspaket zu präsentieren. Damit könnten die Schulden Griechenlands um rund 40 Milliarden Euro reduziert werden, sagte ein hochrangiger Bankenvertreter. "Wir werden den Regierungen einen Strauß von Möglichkeiten präsentieren."