Im Syrien-Konflikt ist es zu einem schweren Grenzgefecht zwischen der Armee und jordanischen Truppen gekommen. Dabei seien auch gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt worden, sagte ein Vertreter der syrischen Opposition. Die Auseinandersetzungen in der Region Tel Schihab-Turra seien am Freitagabend ausgebrochen, als syrische Truppen auf Flüchtlinge geschossen hätten, auch als sich diese schon auf jordanischem Boden befanden. Die jordanischen Truppen erwiderten das Feuer, wie Sicherheitskreise des Landes bestätigten. Es habe auf jordanischer Seite keine Verluste gegeben.
Der Schusswechsel ist der bislang schwerste Vorfall an der Grenze seit Beginn des Aufstands gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vor 17 Monaten. Gefechte an der syrisch-jordanischen Grenze sind nicht selten, doch der 30-minütige, intensive Feuerwechsel beim Grenzdorf Al-Schadschirah war einer der schwersten dieser Art, unterstrichen die Sicherheitskreise. Die Heftigkeit sei darauf zurückzuführen, dass sich in der Gruppe von 500 syrischen Flüchtlingen Dutzende hochrangige Armee-Offiziere befanden, sagten syrische Aktivisten in Amman. Die Militärs waren demnach zuvor aus den syrischen Streitkräften desertiert. Trotz der konspirativen Planung hätte der syrische Geheimdienst Kenntnis von der Grenzpassage erlangt.
Der Zwischenfall schürte erneut die Furcht vor einer Ausweitung des Konflikts auf die Nachbarländer. Zuvor hatten bereits der Abschuss eines türkischen Militärjets durch die syrische Luftabwehr im Juni und der Beschuss libanesischer Dörfer durch Assad-Truppen die Furcht vor einer Ausbreitung des Konflikts in der ohnehin an Spannungen reichen Region geschürt. Seit Beginn des Aufstandes haben nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) 150.000 offiziell registrierte Flüchtlinge Schutz in der Türkei, Jordanien, im Libanon oder im Irak gesucht.
USA verschärften Sanktion gegen Sytrol
Unterdessen ist US-Außenministerin Hillary Clinton am Samstag zu einem Besuch in Istanbul eingetroffen. Dort wolle sie mit dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül, Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und Außenminister Ahmet Davutoglu über den Konflikt beraten. In den Gesprächen soll die Wirksamkeit der US-Hilfen thematisiert werden sowie Mittel und Wege, um den Abgang des Assad-Regimes zu beschleunigen. Darüber hinaus wollte Clinton von syrischen Aktivisten "Erfahrungen aus erster Hand" erhalten. Sie werde Frauen, Studenten, Blogger treffen, aber keine bewaffneten Kämpfer, verlautete aus dem US-Außenamt.
Die USA verschärften inzwischen ihre Sanktionen gegen die Führung in Damaskus. Ziel ist erneut Syriens staatliche Ölgesellschaft Sytrol wegen Geschäften mit dem engen Verbündeten Iran, dem die USA die heimliche Arbeit an Atomwaffen vorwerfen. Zudem brandmarkte die Regierung in Washington die libanesische Islamistenmiliz Hisbollah öffentlich als Helfer Assads. Die USA werfen der Gruppe, die sie seit langem als Terrororganisation einstufen, Ausbildung und umfassende logistische Unterstützung der syrischen Führung vor. Die Maßnahmen dürften aber eher symbolischen Charakter haben, da sich Russland und China im UN-Sicherheitsrat weiter gegen schärfere internationale Sanktionen gegen Syrien sperren.
Der Favorit auf die Nachfolge des zurückgetretenen UN-Syrien-Gesandten Kofi Annan, der frühere algerische Außenminister Lakhdar Brahimi, appellierte an die internationale Gemeinschaft, ihre Differenzen zu überwinden. "Der UN-Sicherheitsrat und die regionalen Mächte müssen gemeinsam sicherstellen, dass der politische Übergang so schnell wie möglich stattfinden kann", forderte er in einer im Internet veröffentlichten Erklärung. "Millionen Syrier rufen nach Frieden." Die Weltgemeinschaft dürfe nicht länger darüber streiten. Annan, der sein Amt Ende des Monats aufgibt, hatte seinen Rücktritt damit begründet, dass sich die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats im Syrien-Konflikt gegenseitig blockierten.
BND glaubt an baldiges Ende des Assad-Regimes
Allerdings sind die Tage der Assad-Herrschaft nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) möglicherweise schon bald gezählt. "Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die Endphase des Regimes begonnen hat", sagte BND-Chef Gerhard Schindler der Zeitung "Die Welt". Assads Armee habe rund 50.000 ihrer einst 320.000 Soldaten verloren. Darunter seien viele Verwundete, Deserteure und 2000 bis 3000 Überläufer zur militanten Opposition, die nach BND-Erkenntnissen aus rund 20.000 Kämpfern bestehe. "Die Erosion des Militärs hält an." Die kleinen, regional verankerten und wendigen Rebellengruppen zermürbten mit ihrer Art von Guerillataktik die Armee zunehmend.