EU-Schuldenkrise Irland will nun doch unter den Rettungsschirm

Erst ein energisches Nein, nun ein zerknirschtes Ja - als erstes EU-Land wollen die Iren unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Die Schuldenkrise ist damit aber noch nicht vorbei - Ratspräsident van Rompuy warnt vor einer Gefahr für ganz Europa.

Als erstes Land in Europa will das schuldengeplagte Irland den milliardenschweren Euro-Rettungsschirm anzapfen. Die Gelder sollen aber nur für die Rettung des maroden Bankensystems genutzt werden. Von Donnerstag an werde die irische Regierung mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem IWF verhandeln, sagte Finanzminister Brian Lenihan im irischen Fernsehen. Möglicherweise reiche es, einen Rettungsplan für den Notfall auszuarbeiten, um die Märkte zu beruhigen. Deutschland macht Druck auf das hochverschuldete Land, die Hilfe von EU, Euro-Ländern und Internationalem Währungsfonds (IWF) anzunehmen. Auch Großbritannien bietet Geld.

Nach Expertenschätzung könnten sich die Hilfen auf 60 bis 100 Milliarden Euro summieren - ähnlich hoch wie das 110 Milliarden Euro schwere, im Mai geschnürte Hilfspaket für Griechenland, das nicht aus dem Euro-Rettungsschirm stammt und von Athen auch genutzt wird. Allein für die Sanierung seiner kriselnden Banken benötigt Irland bis zu 50 Milliarden Euro.

"Irland genießt vollständige Rückendeckung"

Die Bundesregierung betonte, noch habe Irland keinen Antrag auf Nothilfen gestellt. Sollte dieser vorliegen, würden EZB, IWF und die Euro-Länder prüfen, ob tatsächlich die Zahlungsfähigkeit Irlands und die Euro-Zone als Ganzes gefährdet seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Irland habe mutige Reformen angestoßen und genieße die vollständige Rückendeckung Berlins.

"Keiner kann nur für sich alleine handeln", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel. Das gelte für alle Mitgliedsstaaten, insbesondere für die Euro-Länder. Jeder müsse Verantwortung für alle anderen Euro-Partner übernehmen. Falls Irland keine Kredite aus Europa annehme, drohe ein Übergreifen der Krise auf andere Staaten. Die Finanzmärkte könnten vor allem Wackelkandidaten wie Portugal oder Spanien ins Visier nehmen.

Nach Schäubles Worten kann Irland Gelder aus dem 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm erhalten, der im Mai ins Leben gerufen wurde. "Es ist alles dafür vorbereitet, dass wir im Notfall schnell handeln können", sagte der Finanzminister. Nach Einschätzung der französischen Wirtschaftsministerin Christine Lagarde wird Irland schon in den nächsten Tagen den Euro-Krisenfonds um Hilfe bitten.

So funktioniert der Notfall-Fonds

Der Fonds wurde für den absoluten Notfall geschaffen, um pleitebedrohte Euro-Staaten vor dem Bankrott zu retten. Das Geld kann daher nur an Staaten, nicht aber an Private fließen. Doch wenn wie im Fall Irlands ein Staat mit der Sanierung seiner Banken überfordert sei, sind die Bedingungen einer Auszahlung nach Angaben der EU-Kommission gegeben. "Der Fonds kann keine direkten Kredite für den Bankensektor geben, aber er kann Länderprogramme mit einer starken Betonung auf der Restrukturierung des Bankensektors auflegen", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Irland hatte zuvor immer wieder betont, bis Mitte 2011 kein frisches Geld zu brauchen.

In der sich zuspitzenden Schuldenkrise sieht Europa sich zu dieser dramatischen Aktion gezwungen, um ein Übergreifen der Krise auf andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Portugal zu verhindern. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy warnte vor einer Überlebenskrise der EU. "Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird auch die Europäische Union nicht überleben", sagte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprach: "Ich glaube nicht, dass die Eurozone gefährdet ist. Aber wir haben doch Turbulenzen und Situationen, die habe ich mir auch vor anderthalb Jahren nicht träumen lassen", sagte die CDU-Politikerin.

Auch Großbritannien hilft

Auch London will sich beteiligen. "Großbritannien steht bereit, Irland zu unterstützen, um Stabilität in sein Bankensystem zurückzubringen", sagte der britische Schatzkanzler George Osborne. Ein wirtschaftlich gesunder Nachbar Irland sei im Interesse seines Landes. Großbritannien gehört zur EU, hat aber nicht den Euro eingeführt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, "dass in einer konkreten Lage natürlich auch mit anderen Staaten, die nicht der Euro-Zone angehören, geredet wird".

In den vergangenen Wochen war der Druck auf Irland gewachsen, weil Investoren bezweifeln, dass Dublin seine Schulden zurückzahlen kann. Merkel sagte in der ARD, es gebe den Rettungsschirm, falls ein Land diese Hilfe benötigen sollte. Dies sehe sie "im Augenblick aber nicht".

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