Eine angebliche deutsch-französische Friedensinitiative und eine möglicherweise von Deutschland unterstützte Blockade der NATO-Militärhilfe für die Türkei vertiefen die Kluft zwischen Deutschland und den USA. Die Überlegungen in Berlin und Paris zu einer friedlichen Entwaffnung des Irak haben nach Ansicht des einflussreichen Pentagonberaters Richard Perle keine Chance auf Realisierung. Seine Regierung werde das sicher nicht akzeptieren, sagte Perle am Sonntagabend. Die Überlegungen seien, so wörtlich, mit heißer Nadel gestrickt und ein Mittel zur Verzögerung.
UN-Blauhelme im Irak
Die Initiative sieht laut "Spiegel" eine Erhöhung der Zahl der Inspekteure und den jahrelangen Einsatz von UN-Blauhelmsoldaten zur Überwachung verschärfter Waffenkontrollen vor. Die USA wurden über die angebliche Initiative offensichtlich nicht vorab informiert. Unklar blieb zunächst, inwieweit die Überlegungen innerhalb der Bundesregierung abgestimmt waren. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, ist es zum Streit zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) gekommen. Fischer habe dem Kanzler noch am Rande der Sicherheitskonferenz in München in einem "erregten Telefonat" vorgehalten, dass er entsprechende Informationen ohne sein Wissen in die Öffentlichkeit lanciert habe.
Putin: Russland stimmt deutsch-französische Position zu
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte nach seinem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin, die Positionen Russlands, Deutschlands und Frankreichs seien "dem Sinn nach fast übereinstimmend" Putin und Schröder sprachen sich nachdrücklich gegen einen Militärschlag gegen den Irak zum jetzigen Zeitpunkt und für weitere UN-Inspektionen aus. "Aktuell sehen wir keine Grundlage für Gewaltanwendung", sagte Putin. Am Montag will Putin in Paris mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zusammentreffen. Die Haltung der beiden ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates ist entscheidend für das weitere Vorgehen der Vereinten Nationen im Irak-Konflikt. Am kommenden Freitag legt UN-Chefinspekteur Blix dem Sicherheitsrat einen weiteren Bericht über die Ergebnisse der Rüstungskontrollen in Irak vor.
Bush sagte am Sonntag auf einer Konferenz mit Abgeordneten seiner republikanischen Partei, die Vereinten Nationen stünden "vor der Stunde der Wahrheit". Der irakische Staatschef Saddam Hussein wolle der Welt ein Versteckspiel aufzwingen. "Und das ist vorbei", wiederholte Bush.
Belgien kündigt Blockade der NATO an
Belgien will heute in der NATO Militärhilfe für die Türkei blockieren und dabei auf deutsche und französische Unterstützung rechnen. "Wir werden es zu Dritt machen", sagte Außenminister Louis Michel am Sonntag. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte dazu, zur Zeit gebe es keine Berechtigung für Vorbereitungen der NATO für einen eventuellen Irak-Krieg. Das angekündigte Veto Belgiens dürfte die Spaltung der Allianz weiter vertiefen. Im Bündnis sind nur Konsensentscheidungen möglich. Im Hinblick auf einen möglichen Irak-Krieg haben die USA beantragt, dass die NATO Patriot-Abwehrraketen, AWACS-Aufklärungsflugzeuge und Gerät zum Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen Waffen in der Türkei stationiert. 16 der 19 NATO-Mitgliedstaaten haben sich bereit erklärt, diesem Wunsch der USA nachzukommen. Für Deutschland kündigte Verteidigungsminister Peter Struck die Bereitstellung von Patriot-Systemen bis Ende dieser Woche an. Zum Einsatz von AWACS-Aufklärern über der Türkei sagte Struck, dass bis zur entscheidenden Sitzung des NATO-Rates eine Lösung gefunden werde.
Rumsfeld: Veto gegen Türkei-Schutz ist eine Schande
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte der "Süddeutschen Zeitung", wenn die NATO der Türkei keinen Schutz gewähre, sei das "eine Schande. Die Türkei ist ein wichtiges Land. Ein moderates muslimisches Land. Es würde vom Schutz gegen chemische und biologische Waffen und von den Awacs-Flugzeugen profitieren." Rumsfeld sagte, eine Verweigerung des Nato-Schutzes sei "ein schrecklicher Fehler, ein überraschendes und atemberaubendes Ereignis."
Rumsfeld sagte zu seinem Vergleich Deutschlands mit Libyen und Kuba, er verstehe die Interpretationen seiner Aussage nicht. "Die deutsche Regierung hat eine Entscheidung getroffen, und die anderen Regierungen haben auch ihre Entscheidungen getroffen. Ich habe lediglich korrekt wiedergegeben, was diese Länder öffentlich erklärt haben, und verstehe nicht, warum man so empfindlich und besorgt darauf reagiert", sagte Rumsfeld.
Blix und Baradei nach Gesprächen in Bagdad vorsichtig optimistisch
Die Chefs der UN-Waffenkontrolleure, Hans Blix und Mohammed el Baradei, haben sich nach ihren zweitägigen Gesprächen mit der irakischen Regierung in Bagdad vorsichtig optimistisch gezeigt. Er sehe einen "beginnenden Gesinnungswandel", sagte Baradei am Sonntagabend in der irakischen Hauptstadt. Blix sprach vom «Beginn einer ernsthafteren Haltung in Richtung substanzielle Kooperation». Die irakische Seite habe ihnen mehrere Dokumente und Erklärungen zur früheren Anthrax- und Nervengiftforschung sowie zum Raketenbau übergeben, sagte Blix. Diese müssten aber noch von UN-Experten in New York überprüft werden.
Blix und Baradei waren mit dem irakischen Präsidenten- Berater Amir El Saadi und dem Chef der irakischen Behörde für die Zusammenarbeit mit den Inspekteuren, General Hossam Mohammed Amin, zusammengetroffen. El Saadi zeigte sich anschließend zuversichtlich, dass auch im Streit um die von den UN geforderten Überwachungsflüge mit U-2-Flugzeugen eine rasche Einigung erzielt werden könne. "Wir hoffen, das Problem innerhalb der nächsten Tage zu lösen, noch bevor Bilx und Baradei dem Weltsicherheitsrat am Freitag Bericht erstatten werden", sagte El Saadi.
El Baradei bilanzierte die zweitägigen Verhandlungen mit den Worten: "Wir fahren mit einem Gefühl des vorsichtigen Optimismus zurück." Nach Ansicht von Blix müsse nun die Überprüfung der neuen in Bagdad übergebenen Papiere zeigen, in welchem Ausmaß sie neue und befriedigende Antworten enthielten. In ihrem ersten Bericht Ende Januar hatten Blix und El Baradei Mängel in den bisherigen Abrüstungserklärungen des Irak beanstandet.
Für den Abschluss der Inspektionen gebe es "keine Frist", sagte El Baradei. "Wir sind uns aber bewusst, dass der Sicherheitsrat ungeduldig ist und einen schnelleren Prozess sehen will, und das ist auch, was wir den Irakern vermitteln." Mit Blick auf die Äußerung von US-Präsident George W. Bush, dass das Spiel bereits aus sei, sagte er: "Wir sind noch immer im Spiel."
US-Truppenaufmarsch weitgehend abgeschlossen
Unterdessen haben die US-Streitkräfte in Kuwait ihre Vorbereitungen auf einen möglichen Einmarsch in Irak offenbar weitgehend abgeschlossen. "Wenn der Oberbefehlshaber den Befehl gibt, müssen wir auf nichts mehr warten", sagte der Sprecher des 6. Transportbataillons, Larry Stevens. In der Golfregion befinden sich inzwischen 113.000 US-Soldaten, deren Zahl bis Ende dieser Woche auf 150.000 steigen soll. Hinzu kommen 35.000 britische Soldaten.